Es gab Zeiten, da existierte Facebook noch nicht mal. Und mit Handys konnte man bestenfalls telefonieren. Aus dieser Zeit stammt dieses Blog. Zeit für eine gnadenlose Abrechnung mit sich selbst, vielen lustigen Irrtümern und diesem Medienwandel nach beinahe 15 Blogger-Jahren…
Read MoreSeit 13 Jahren gibt es dieses Blog inzwischen. Es gehört damit eindeutig zu den Sauriern dieser Medienwelt. Schon alleine deswegen, weil es ein Blog ist. Aber das ist leicht erklärt, also gut aufgepasst, liebe Snapchat-Jünger: Man hat uns vor ungefähr 15 Jahren dasselbe erzählt, was ihr heute auch hört. Heute müsst ihr angeblich alle snapchatten, damals sagte man uns: Wer als Journalist kein Blog hat, kann sich ebenso gut gleich bei der Müllabfuhr bewerben. Und nicht nur das: Es gab halbwegs ernsthaft auch die Theorie, dass das Genre Blog irgendwann mal der journalistische Standard werde. Keine Webseiten mehr oder irgendwelches Nachrichten-Gedöns. Sondern einfach nur: Blogs. Alles ist Blog, aus der Tagesschau wird der Tagesblog und aus der Süddeutschen Zeitung der Süddeutsche Blog. Und jeder bloggt. Jede Hausfrau, jeder Teenager, jeder halbwegs rüstige Rentner.
Das hat sich als nur mittelrichtige Prognose herausgestellt. Das erklärt allerdings auch, warum ich mit Prognosen vorsichtig geworden bin in den letzten 15 Jahren: Ich habe zu viele gehört und selbst auch zu viele abgegeben. Noch dazu hoffnungslos falsche.
Eine der schönsten, ich glaube, man findet sie auch hier im Blog, war: Das iPhone ist ein hübsches Mädchen-Spielzeug, das kein Mensch wirklich braucht. Immerhin habe ich aber etwas daraus gelernt: nie wieder über etwas schreiben, was man nicht selbst mal in der Hand gehabt oder ausprobiert hat. Als ich nämlich kurz nach dieser aufregenden Prognose das erste Mal ein iPhone in der Hand hatte, bin ich kurz darauf in einen Laden und habe mir so ein Ding zugelegt. Danach war meine Prognose: Das wird die Welt verändern. Wenigstens war diese Weissagung nicht ganz so verheerend falsch. Jedenfalls musste ich an Adenauer und die Sache mit dem Geschwätz von gestern denken. (Passenderweise habe ich das erste iPhone bei einem Seminar der Adenauer-Stiftung in der Hand gehalten; dafür nochmal vielen Dank an Christian Echle und Jochen „Realsatire“ Markett).
Die Debatten damals: Was passiert mit den Zeitungen?
In den ersten Jahren dieses Blogs habe ich so einen Beinamen bekommen, der an mir klebte wie der Bahnchef an den Bahnchefs: Zeitungskritiker. Den Titel fand ich immer hoffnungslos bescheuert, aber bitte schön: Man kann sich darunter halt was vorstellen, so wie unter einem Bahnchef auch. Dabei wollte ich nie Kritiker von irgendwas werden und von Zeitungen schon gleich gar nicht. Aber wenn ich mich heute durchlese durch die Beiträge aus dieser Zeit, dann bekomme ich wieder eine Ahnung, welche Debatten uns damals geprägt haben: die über die Zukunft der Zeitung. Die Schlacht ist natürlich lange geschlagen. Mit einem Beitrag darüber, dass (gedruckte) Zeitungen womöglich keine so große Zukunft haben, würde ich heute nicht mal mehr den eisernsten Verlagsmanager aufregen.
Ach ja, „damals“, wie das klingt. Es ist gerade ein paar Jahre her, dass man mit den Schlagworten „Zeitung“ und „Medienwandel“ heftige Debatten auslösen konnte, heute ist das langweiliger Stoff, tempi passati. Die Debatten fanden, nebenbei bemerkt, damals (®) meistens noch in diesem Blog statt, 50, 60, 70 Kommentare waren nicht unbedingt selten. Das lag, gut aufgepasst, Snapchattis, u.a. daran, dass wir ja damals nichts hatten (®). Kein Facebook, bei Instagram. Wer wollte, musste hier diskutieren. Ist das wirklich alles erst ein paar Jahre her?
Ganz ernsthaft kann man sich dann aber auch wieder vorstellen, warum für viele diese Sache mit dem Medienwandel zu schnell geht. Jetzt, wo ich diese Sätze schreibe, komme ich mir gerade vor wie Opa, der vom Krieg erzählt. Dabei reden wir von Zeiten (®), die gerade mal sieben, acht Jahre zurückliegen. Trotzdem, liebe Snapper, gut aufgepasst: Noch vor ein paar Jahren habe ich hier auf dieser kleinen Seite Beiträge gepostet und dann hat man hier debattiert. Kein Social Media, kein Homeless Media, kein gar nix. Ich sag´s euch, damit ihr euch nicht wundert, wenn ihr euch jetzt sagen lasst, dass ein Journalist ohne Snap-Account dem Tode geweiht ist – und dann macht man euch in ein paar Jahren eure schöne bunte Welt kaputt, weil wieder irgendjemand irgendetwas anderes eingefallen ist. Isso. (®).
Nach inzwischen beinahe 15 Jahren hat sich deshalb eine gewisse Grundgelassenheit eingestellt, die auch damit zusammenhängen könnte, dass ich in diesen 15 Jahren 15 Jahre älter geworden bin. Ich lese amüsiert Texte oder was man dafür halten soll von engagierten 30jährigen und 40jährigen, die gerne nochmal 30 wären – und höre mich manchmal innerlich seufzen: Ach, Kinder, was wisst ihr schon?
Auf der anderen Seite war ich vor 15 Jahren nicht minder daueraufgeregt als die heutigen Daueraufgeregten und dachte mir, irgendjemand müsste diesen alten, langweiligen, ahnungslosen Säcken doch mal erklären, was hier überhaupt gerade abgeht. Wie man sieht: Die Zeiten ändern sich gar nicht großartig, nur unsere Rollen darin.
Bloggen ist schwerer geworden. Aber auch: schöner.
Man kommt sich also als jemand, der noch ganz konservativ ein Blog betreibt, ein bisschen altmodisch vor. Noch dazu hier: Lange Texte! Wenig Bilder! Kaum Videos! Ist das nicht exakt das Gegenteil von dem, was man sich inzwischen auf jedem vermaledeiten Medien-Panel anhören muss, auf dem Endzwanziger mit fragwürdigen Frisuren, unterstützt von einem Alibi-Bonsai-Promi, sich selbst streamen?
Trotzdem, auch wenn ich mir manchmal denke, hier in beinahe 15 Jahren nahezu jedes Thema mal erzählt und jede Debatte geführt zu haben – und auch wenn, zugegeben, die Frequenz früher höher war: So viel Freiheit wie hier habe ich nirgends. Und die lasse ich mir auch nur ungern nehmen. Hier entscheidet kein undurchschaubarer Algorithmus, ob die Leute einen Text mögen könnten oder nicht. Ich muss nicht 10.000 Leute im Netzwerk anpingen („Schau mal, du kommst da auch vor!“) und mit gespielter Bescheidenheit anbiedern („Ich hab da mal was aufgeschrieben“) muss ich mich auch nicht. Ich denke nicht darüber nach, ob die Uhrzeit, zu der ich publiziere, für Facebook gut geeignet ist und es ist mir vergleichsweise egal, was da sonst gerade passiert.
Ich erinnere mich, dass der große Felix Schwenzel vor ein paar Jahren auf der re:publica zusammen mit dem inzwischen allen irdischen Maßstäben entrückten Sascha Lobo eine Session gemacht hat, in der sie proklamierten, man müsse sich das Netz zurück holen. Das habe ich damals schon für eine schöne Idee gehalten, heute gefällt sie mir noch besser. Natürlich wird es Facebook ziemlich wumpe sein, ob ich jetzt tapfer weiter mein Blog befülle oder nicht. Trotzdem: Das ist quasi meine publizistische Restfreiheit, wenn sich ansonsten schon alles darum dreht, wie man am besten auf Facebook wahrgenommen wird.
Aber klar, ganz naiv bin ich nun auch wieder nicht: Die Nutzung dieser Seite ist zurückgegangen und wenn mal hier jemand direkt kommentiert, dann erschrecke ich regelrecht. Hat sich der verlaufen oder hängt er in einer murmeltierartigen Zeitschleife fest, in der ihm noch niemand gesagt hat, dass man einen Text hier zwar lesen kann, ihn aber in jedem Fall bei Facebook kommentieren muss?
Inzwischen sind hier fast 2500 Beiträge zusammengekommen. Das freut mich schon alleine deswegen, weil ich das hier irgendwann mal, vielleicht wieder in ungefähr 15 Jahren, durchlesen und mich bestens amüsieren kann. Über den Unfug, den ich damals geschrieben habe. Das hat, finde ich, auch seinen Wert.
Was machen eigentlich die ganzen Snapper, wenn nach ein paar Sekunden oder nach einem Tag alles wieder weg ist?
Hallo Herr Jakubetz,
darf ich Sie ein wenig erschrecken 😉
Mein Name ist Albert Warnecke und mein Blog heißt Finanzwesir.
„Die Nutzung dieser Seite ist zurückgegangen und wenn mal hier jemand direkt kommentiert, dann erschrecke ich regelrecht.“
Das mag daran liegen, dass die Kommentarfunktion technisch sehr schlecht gelöst ist. In diesem winzigen Fenster kann man nicht vernünftig schreiben. Ich habe meinen Kommentar im Editor geschrieben und dann hier hineinkopiert.
„Hat sich der verlaufen oder hängt er in einer murmeltierartigen Zeitschleife fest, in der ihm noch niemand gesagt hat, dass man einen Text hier zwar lesen kann, ihn aber in jedem Fall bei Facebook kommentieren muss?“
Warum sollten Blogs irrelevant geworden sein und warum muss das Leben auf FB stattfinden?
Mir scheint es eher so, dass viele Journalisten un Blogger nichts zu sagen haben und dazu noch schlechte Gastgeber sind.
Schauen Sie sich den Harald Wohlfahrt an. Hockt da in seinem Schwarzwaldkaff und kocht vor sich hin. Und was passiert: Die Welt kommt zu ihm. Obwohl seine Schwarzwaldstube (alleine der Name ist so was von unhip) weder per Flugzeug noch per Bahn noch mit dem Auto wirklich gut erreichbar ist.
Warum? Weil er etwas absolut außergewöhnliches bietet. Dann muß man sich auch nicht auf Facebook anpreisen sondern kann der Welt sagen: „Müßt Euch halt herbemühen.“ Sie sind doch ein Bayer, da kennen Sie doch das „Mir san mir“. Eine gewisse Grundarroganz hat noch nie geschadet. 😉
Genau das mache ich mit meinem Blog. SEO habe ich aufgegeben, das macht die Sprache kaputt. Nicht dass ich mich mit dem Meister vergleichen würde, aber Goethes Faust SEO-optimiert? Twitter nutze ich als Linkschleuder (Follower: Ich habe einen neuen Artikel) und Buffer schaufelt den Anfang meiner neusten Artikel auf FB.
Warum soll ich den US-Giganten meinen Content in den Rachen werfen und mich mit Peanuts abspeisen lassen? Eigner Herd ist Goldes wert.
Vorteil: Ich bin die ganzen Social Media Dumpfbratzen los (ich darf die so nennen, ich war 1997 der erste Angstellte von Yahoo! Deutschland). Diese dauererregten Liker und Disliker. Ich halte es mit meinen Kommentaren so wie das P1 mit seiner Tür: „Du kommst hier nicht rein.“
Das hat den Vorteil, dass ich mit einer ganz wunderbaren Community gesegnet bin. Ich freue mich jedesmal über die Qualität der Kommentare.
Lange Rede, kurzer Sinn: Hast Du etwas Substantielles zu sagen, dann blogge. Machst Du Content Marketing, dann kipp‘ es in die ganzen SM-Kanäle bevor es verdirbt.
Ich kann jedenfalls nicht klagen. Mit Blog plus Podcast bringe ich es auf rund 110.000 Besucher pro Monat. Tendenz stark steigend. Wenn ich Mitte / Ende 2017 mit Bewegtbild anfange, krieg ich die Viertelmillion. Und das alles super-oldschool (ich sag nur: E-Mail-Newleltter).
Beste Grüße und machen Sie hier weiter. Den „alten“ Univesalcode habe ich gern gelesen. Das war das einzig brauchbare Buch zum Thema.
Albert Warnecke
Sie machen mir Mut, danke :-)!
Ich will die Seite demnächst eh mal ein bisschen umbauen, dann gibt es hoffentlich auch eine schönere Kommentarlösung.
@Christian Jakubetz: Da wollte ich doch grade Deine Antwort liken… Gruss vom Dinosaurierkollegen.