Zweimal Print, einmal die selbe Idee: Die neuen Ausgaben der turi2-Edition und des Gagazins „Bock“ zeigen vor allem, in welchen Nischen gedrucktes Papier immer noch unschlagbar gut ist…
„Bock“ ist auch in der zweiten Ausgabe geiler Scheiß. Meistens zumindest. Ein Interview mit Gunter Gabriel, fernab aller journalistischer Konventionen ist da drin, ebenso wie lustige Bock-Aufkleber, die man irgendwo aufkleben kann. Kurz: „Bock“ ist das sinnloseste Heft, das man sich vorstellen kann. Das macht die Sache ja so interessant. „Bock“ schreibt über Dinge, die man noch nie wissen wollte, bemüht sich erst gar nicht, irgendeinen Eindruck von journalistischer Relevanz zu erzeugen und ist damit wunderbar entspannend. Noch wichtiger: auf seine Art einzigartig. Und damit ein Sinnbild dafür, wie Print funktionieren kann.
Nämlich dann, wenn man ein Luxusprodukt in die Hand nimmt. Eines, für das man sich bewusst entscheidet, das man sich möglicherweise aufhebt in einem Regal oder einem Sammelordner. Kurz gesagt: als ein Kulturgut, das eben kein Internet ist. Für das man sich Zeit nimmt, weil man sich Zeit nehmen will. Und das kein Ambitionen hat, einer Aktualität hinterherzuhecheln, die einen ohnehin schneller überholt als man überhaupt „Print“ sagen kann.
Für 5 Euro jedenfalls ist Bock ein ziemlicher Spaß. Nur einen minimalen Schwachpunkt (sonst kann man ja das Kritisieren gleich bleiben lassen!) habe ich entdeckt: Eine Geschichte darüber, dass Fluss-Kreuzfahrten von Passau nach Wien mit einer Horde Rentner nicht wirklich witzig sind – Kinder, wer in der Redaktion hat denn die Idee durchgehen lassen? Das wäre selbst der „Passauer Neuen Presse“ zu langweilig – und ist somit der einzige echte Schwachpunkt im Heft.
Noch teurer aufwändiger und natürlich auch ambitionierter wird es in der dritten Ausgabe der Turi2-Edition. Die kostet mit 20 Euro das Vierfache, ist aber erneut ein opulentes Teil geworden. Das liest man gerne, noch lieber schaut man es sich an. Die Turis haben enorm viel Zeit, Aufwand und wahrscheinlich auch Geld in Fotografie gesteckt, ebenso in ein Design, bei dem man sich wünscht, bei der Webseite würde das Team ähnlich viel investieren. Überhaupt hat man den Eindruck, Peter Turi wäre lieber Print-Verlger als Herausgeber einer Webseite, aber das ist natürlich nur Spekulation…
Klar könnte man sich das alles auch in einer App anschauen. Will man aber nicht. Weil doppelseitige Fotos halt einfach doppelseitige Fotos sind. Und weil man Luxus in der Hand haben will. Praktischen und lesenswerten Kram habe ich in meiner digitalen Welt. Bock und Turi sind eher die Design-Ausstellungsstücke, die man sich gönnt, obwohl es aus praktischer Sicht nahezu keinen Sinn macht, sich das zu gönnen.
Ansonsten ist das Heftbuch seine 20 Euro schon alleine wegen der großartigen Silke Burmester wert, die wahrscheinlich sogar ihre Beobachtungen beim Trocknen von Wandfarbe so beschreiben könnte, dass man gefesselt dran bleibt und ab und an laut lacht. Wenn es jemanden gibt, der außerhalb aller elitären Filterbubbles elitären heißen Scheiß schreiben kann, dann Silke Burmester.
Hallo, Bock und Bulo – läutet was??
Print muss man sich leisten wollen
Das alles ist also ziemlich wunderbar. Und steht auf den ersten Blick im krassen Gegensatz zu dem, was auch auf dieser kleinen Seite immer wieder postuliert wird: Die Zukunft ist digital.
Tatsächlich ist das gar kein Widerspruch. Es gibt kein Medium, keinen Kanal, der per se zum Sterben verurteilt ist. Es gibt nur: falsche Inhalte für den richtigen Kanal. Ob man eine Tageszeitung noch sehr viel länger auf Papier drucken wird, bezweifeln inzwischen sogar die Verlage. Wie das mit Wochenzeitungen weitergehen wird, kann man diskutieren. Beides sind Medien, bei denen es immer noch mehr um die Information handelt. Das kann man genauso gut – oder womöglich besser – auf einem mobilen Device bekommen. Großartige Fotos und lange Lesestücke aber, die man sich so einfach mal leisten will…
Und jetzt lege ich den Turi und den Bulo ins Regal und freue mich auf die nächsten Ausgaben…