Die USA haben gewählt, Trump ist Präsident – und auch Journalisten, Medien und Social-Media-Enthusiasten haben eine bittere Lektion bekommen.
Natürlich bin ich kein Anhänger von Donald Trump. Wie könnte ich? Trotzdem gibt es speziell an einem Tag wie heute ein paar Dinge, die mich wahlweise erstaunen oder auch mal leicht wütend machen.
Die tiefe Kluft zwischen Medien und „denen da draußen“…
Journalisten leben gerne in ihrer eigenen Welt. Die ist, aller Krisen zum Trotz, immer noch ziemlich kuschelig. Vor allem dann, wenn es um Politik geht. Da sitzt man dann gerne in Redaktionsstuben zusammen, diskutiert den Lauf der Dinge, gibt Politikern ein paar Tips, was jetzt zu tun sei. „Denen da draußen“ sagt man ebenfalls gerne mal, wie sie die Welt zu sehen haben. In den USA haben in diesem Jahr die 50 größte Tageszeitungen eine Wahlempfehlung für Hillary Clinton ausgesprochen. Keine einzige gab es für Trump. Kann eine Kluft noch tiefer sein?
Dabei müsste man sich nur mal mit Menschen außerhalb des eigenen Dunstkreises unterhalten. Man würde feststellen, dass die echte Welt manchmal eine andere ist als wie man sie sich wünschen würde. Immerhin hat in den USA jeder Zweite offenbar eine komplett andere Wahrnehmung als viele Journalisten. Und dass es auch in Deutschland der Begriff „Lügenpresse“ zu einem feststehen Begriff gebracht hat, mag man erschütternd finden. Neben dem propagandistischen Gedöns zeigt er aber auch, dass es diese tiefe Kluft auch in Deutschland gibt.
Aber klar, so eine Redaktion ist schon eine schöne Komfortzone. Und mit den Fingern auf die dummen Demoskopen zu zeigen ist durchaus bequemer, als mal die eigene Rolle zu überdenken.
Noch ein letztes: In en USA hat man weniger für die Person Trump gestimmt, als gegen Hillary und damit „das System“ (was auch immer das sein soll). Wenn man Journalisten auch als einen Bestandteil des „Systems“ sieht, dann war das heute Nacht auch eine Klatsche für sie.
Trump als Präsident? Es kann nicht sein, was nicht sein darf…
Präsident Trump? Das werde nicht passieren, kommentierte die SZ vergangene Woche. Weil es bei dieser Wahl nur eine Kandidatin gebe. Man müsse Hilary Clinton nicht mögen, hieß es dort sinngemäß weiter, aber der Kandidat Trump sei alles mögliche, eine Witzfigur, ein Horrorclown, ein billiger Populist, aber eben: kein Kandidat. Weswegen nach dem 9. November es Clintons vordringlichste Aufgabe sei…undsoweiterundsoweiter. Ebenfalls dieser Tage schrieb die SZ dann nochmal in den Kommentaren, es bestehe an einem Wahlsieg Clintons ja kein vernünftiger Zweifel.
Damit stand die SZ nicht alleine, wie der schöne Ausriss aus dem „Tagesanzeiger“ belegt. Wobei ich die Frage stellt: Wie sehr muss man eigentlich die Augen verschließen können, wenn man bei einem Präsidentschafts-Kandifaten einer großen Partei mehr oder weniger ausschließt, er könne gewinnen? Noch dazu bei einem, der zwar lange in den Umfragen hinter Clinton lag, aber nie so weit, dass das Rennen aussichtslos gewesen wäre.
So ist das übrigens mit der Demokratie: Auch die andere Hälfte darf mitreden. Selbst wenn´s wehtut.
Die Arroganz der vermeintlich Klügeren
Und wenn jetzt doch? Sind die halt alle dumm, die so einen wählen. Kann man schon mal machen, dass man rund 100 Millionen Menschen als dumm bezeichnet. Kann aber auch sein, dass das eine Analyse ist, die etwas kurz greift.
Vor allem dann, wenn es sich dabei nicht nur um ein amerikanisches Phänomen handelt. Eine rechtspopulistische Konterrevolution ist gerade fast überall zu beobachten, auch in Deutschland haben wir mit dem Thema gerade genug zu tun. Und auch hier gibt es den Reflex: Die sind ja alle dumm, die AfD und Co. wählen. Den Fehler machen vermeintlich Intellektuelle gerne mal. Kann sein, dass im Fußvolk solcher Bewegungen nicht immer die Hellsten unterwegs sind. Diejenigen, die solchen Bewegungen vorangehen, sind meistens alles andere als dumm. Man hat übrigens auch bei Trump lange genug der Verlockung nachgegeben, ihn als tumben Dummkopf darzustellen. Der Dummkopf wird demnächst Präsident der Vereinigten Staaten sein.
Zweiter Effekt: Wie wollen wir jemals wieder zu einer halbwegs solidarischen Gesellschaft kommen, wenn wir jeden, der von unseren tollen Ideen nicht überzeugt ist, mal eben als „dumm“ abqualifizieren? Ich hatte erwartet, dass kluge Menschen bessere Ideen haben, als jemanden, der nicht auf unserer Seite ist, im Vorbeigehen ins Gesicht zu spucken.
Noch ein Gedanke: Eine der heute in meiner Timeline meist gehörten Forderungen ist, man müsse jetzt einfach mal mehr Geld in Bildung investieren, dann komme so etwas nicht mehr vor.
Alles andere steht im Tweet von Meike Lobo.
Die USA haben schon immer ein Faible für „unmögliche“ Kandidaten gehabt
Ich erinnere mich gerade an die 80er. Als die Leute, die heute vermutlich meine Timeline darstellen würden, sich über die Amerikaner amüsierten. Bei denen, so hieß es damals im linksintellektuellen Arroganz-Spott, kandidiere mittlerweile ein zweitklassiger Hollywood-Schauspieler für das Präsidenten-Amt. Der habe natürlich keine Chance, aber da könne man mal sehen, wie dumm diese Amerikaner seien.
Kurz darauf war ein gewisser Ronald Reagan Präsident und wenn man seine Bewertungen gut 30 Jahre später liest, dann klingt das alles gar nicht so schlecht. Reagan habe den kalten Krieg gewonnen, heißt es mittlerweile. Und ein bisschen auch die Mauer zum Einsturz gebracht („Tear this wall down“). Ob man jemals über einen Präsidenten Trump etwas ähnlich Gutes sagen wird, weiß ich nicht. Tatsache aber ist, dass wir uns vielleicht daran gewöhnen sollten, dass generell in den USA andere politische Karrieren möglich sind als bei uns. Dort werden Schauspieler Gouverneure und auch 2008 beispielsweise passierte etwas, was nach unserem Verständnis völlig unmöglich wäre: Ein junger, weitgehend unbekannter und noch dazu farbiger Senator wirft die haushohe Favoritin Hillary Clinton aus dem Rennen.
Mit dem Unterschied, dass Obama halt „unser“ Kandidat war.
Umgekehrt staunen übrigens Amerikaner gerne mal darüber, dass in Deutschland nur jemand Kanzler werden kann, der vorher die klassische Partei- und Ministerkarriere gemacht hat.
Was passiert, wenn man in der Filter Bubble lebt
Mir ging es ähnlich wie Philipp Matheis. Kein einziger Trump-Anhänger in meinen vielen Timelines. Nebenbei versuche ich gerade mir vorzustellen, was passiert wäre, hätte sich einer meiner Freunde auch nur ansatzweise als ein solcher geoutet, er hätte ebenso gut behaupten können, die Erde sei eine Scheibe und werde von Dämonen regiert. Und, zugegeben: Weil ich ja auch in einer solchen Filterblase lebe und die dort installierte Echokammer keinen Zweifel gelassen hat, dass am Ende die Präsidentin Clinton heißen wird, habe ich selbst bis heute Nacht nicht geglaubt, dass Trump Präsident werden kann.
Hätte ich mal auf meinen guten Freund Anthony gehört. Ein in Deutschland lebender, aus Florida stammender Farbiger, überzeugter Demokrat: „It really can happen“, hat er mir immer und immer wieder gesagt, zuletzt vor gut einer Woche. Ich hab´ ihn belächelt. Und es darauf zurückgeführt, dass Amerikaner ja immer ein Faible für völlig unmögliche Geschichten haben.
Anthony ist übrigens weder bei Facebook noch bei Twitter.
Es waren übrigens nicht 100 Millionen „Dumme“, die Trump gewählt haben, sondern „nur“ 59 Millionen. Bei weitem also nicht die Mehrheit der Amerikaner. Ob aus der Komfortzone der Redaktionen betrachtet oder von sonstigen Elfenbeintürmen, ob also dieses Wahlergebnis für möglich gehalten werden musste oder nicht – es ist und bleibt schlimm, dass jemand mit einem derartigen obszönen Wahlkampf obsiegen konnte. Den Amerikanern geht es offenbar noch schlechter als angenommen, wenn sie glauben, so einem hemmungslosen Lügner ihr Vertrauen schenken zu müssen. Aber es hilft nichts, früher oder später müssen sie erkennen – der vielbeschworene amerikanische Traum ist längst zur Farce geworden. Mit Trump wurde nur der Bock zum Gärtner gemacht. Großmäulig versucht er den politischen Eliten die Schuld in die Schuhe zu schieben und darüber hinwegzutäuschen, dass auch sie nur Marionetten des großen Geldes sind, zu dessen schillerndsten und (nein, er ist nicht dumm) perfidesten Vertretern zweifellos Trump gehört. Aber vielleicht schafft er es ja (ich hoffe es jedenfalls): Zum ungewollten Totengräber eines überkommenen Systems zu werden.