Die Tage herrscht gerade etwas Aufregung. Darüber, dass man jetzt schon ganze Zeitungsseiten für 200 Euro kaufen kann. Womöglich sogar noch für weniger. Dabei ist der Preis für eine Mantelseite nur ein Symptom. Dafür, dass das Konzept der regionalen Tageszeitung endgültig dem Ende entgegen geht. Der „Mantel“ in der Zeitung: Abgesang auf eine journalistische Idee aus dem vergangenen Jahrhundert.
Jetzt also Köln, genauer gesagt: DuMont. Dort machen sie das, was sie derzeit nahezu überall machen. Es wird gerechnet, zusammengelegt, rationalisiert. Vor allem da, wo sich Dinge zusammenlegen lassen. Man baut Desks, die ungefähr alles beliefern sollen. Sogar solche Sachen, von denen man noch vor nicht allzu langer Zeit gesagt hatte, dass sie nicht zusammenpassen: Abo-Zeitungen und Boulevard-Blätter beispielsweise. Und natürlich schaut man, ob man nicht zukaufen kann. Vor allem von diesen Einheiten, die sich als Zulieferer verstehen: Redaktionsnetzwerke und andere Zentral- und Gemeinschaftsredaktionen. Die Idee dahinter ist eine betriebswirtschaftliche: Je öfter eine einmal zusammengebaute Seite verkauft wird, desto rentabler. Was völlig legitim ist, auf der anderen Seite aber zu einer paradoxen Situation führt: Für 200 oder weniger Euro kann eine durchschnittliche deutsche Tageszeitung eine Mantelseite nicht herstellen. Ist es da ein Wunder, wenn man sich von solchen Angeboten aus Hannover oder Berlin gerne ködern lässt?
Wer den Mantel macht, spielt kaum eine Rolle
Aber diese 200-Euro-Sache ist nur eine Seite. Der betriebswirtschaftliche Aspekt spiegelt auch etwas anderes wider. Nämlich die schwindende Bedeutung und den damit stetig sinkenden Wert eines Mantelteils. Gemacht wird er nur noch für die, die seit gefühlten 100 Jahren eine Regionalzeitung lesen und deswegen ihre Politik, ihre Wirtschaft, ihren Sport auch haben wollen. Für alle anderen ist er das uninteressanteste, was man sich nur vorstellen kann. Ein leicht uninspirierter Mix aus Agenturgeschichten und Korrespondentenberichten aus der ganzen Welt. Dass man das schon lange digital-elektronisch hat lesen können, geschenkt. Die Regionalblätter sitzen da also in der Falle: Das Netz, das Fernsehen, das Radio sind schneller. Die Qualität von eigenen Geschichten wie in der SZ oder in der FAZ bekommt man naturgemäß nicht hin. Was also läge näher als die Idee, den Mantel zwar noch anzubieten, ihn aber so kostengünstig wie möglich produzieren zu lassen?
Und mal ganz ehrlich: Welchen Unterschied macht es, ob jetzt der Redakteur, der dpa-Geschichten zusammenschraubt, in Hannover, in Berlin oder in Passau oder Bielefeld hockt? Die publizistische Vielfalt, die in diesem Zusammenhang gerne beschworen wird, besteht jedenfalls nicht darin, dass möglichst viele unterschiedliche Menschen Agenturen redigieren.
Wäre es aber angesichts dieser Umbrüche nicht konsequent, man würde den Mantel einfach abschaffen? Die Forderung, Reportagen auf die Eins und möglichst viel Lokales nach vorne zu holen, die gibt es immerhin schon lange. So lange, dass man behaupten darf: Mit dem Netz und der Digitalisierung der Welt hat das nichts zu tun. Tatsächlich aber wird es den Mantel und damit die Tageszeitung bekannter Prägung schon noch eine ganze Zeit geben. Einfacher Grund: Menschen, die heute noch eine regionale (gedruckte) Tageszeitung lesen, die machen das bewusst. Und aus mehr oder weniger guten Gründen. Man würde also den treuen Zeitungsleser reichlich verstören, würde man ihm heute ein radikal anders gemachtes Blatt hinlegen. Zeitungsleser sind eine extrem konservative Klientel: ein paar Änderungen an Spaltenbreite und Schriftgröße ziehen schnell wüste Beschimpfungen und die beliebte Drohung mit der Abo-Kündigung nach sich.
Der Mantel muss bleiben – weil die Zeitung auch noch ein bisschen bleibt
Ist das nicht ein Widerspruch zum Medienwandel? Und zu dem auch auf dieser kleinen Seite immer wieder gepredigten Notwendigkeit zur Veränderung? Nein, nur auf den ersten Blick. Stattdessen müsste die Idee einer intelligenten Strategie erst einmal die Erkenntnis sein, dass man mit dem Produkt einer gedruckten Tageszeitung eine immer kleiner werdende Kundschaft erreicht (an dieser Stelle dürfen Sie sich jetzt gerne darüber streiten, ob das gedruckte Blatt ganz, halb oder nur ein bisschen untergehen wird). Klar aber ist: Das Produkt, mit dem man eine strategisch-journalistische Ernährung betreibt, wird keineswegs die Zeitung sein.
Anders gesagt: Noch ist die Zeitung ein Umsatzbringer. Sie hat als solcher aber keine große Zukunft mehr. Wenn man also in diesem Markt übereben will: Entwickeln Sie ein tolles Produkt! Eines mit viel Journalismus! Und packen Sie es dann sonstwohin – aber drucken Sie es nicht mehr auf Zeitungspapier! In der Autoindustrie wissen sie schließlich auch, dass der gute, alte Diesel ein Auslaufmodell ist…
Nicht aufregen also, wenn Verlage sich dafür entschieden, ihre Zeitung weitgehend so zu lassen, wie sie ist (einschließlich eines Mantels, den man aus Sonstwo zukauft). Das muss nicht mal eine schlechte Idee sein. Der Kampf um die Zukunft wird ganz woanders entschieden.