„Xtra“ ist endgültig Vergangenheit. Man muss dem Kölner Projekt keineswegs nachtrauern. Aber ein paar Lektionen für die Zukunft mitnehmen. Hier die drei wichtigsten.
Vermutlich hat es in der jüngeren deutschen Mediengeschichte kaum ein Projekt gegeben, das schon vor seinem Start eine solche Mischung aus Spott, Verrissen und ungläubigem Meinen-die-das-Ernst-Staunen ausgelöst hat: Mit einer Zeitung auf und für den Boulevard, einer Art gedrucktem Internet, wollte der DMS-Verlag in Köln die Generation der digitalen Ureinwohner davon überzeugen, wie geil doch so eine Zeitung ist. Es kam wie es kommen musste: Die meisten aus der Zielgruppe fanden „Xtra“ nicht mal im Ansatz geil. Weswegen man erst nach kurzer Zeit das gedruckte Ding zu einem Online-Portal umwidmete, eher man auch dieses in den Weihnachtsfeiertagen zu Grabe trug.
Man kann daraus ein paar Lektionen mitnehmen. Die sind zwar nicht alle angenehm und leider manchmal auch absolut. Aber trotzdem: Was man aus dem Xtra-Debakel mitnehmen kann, sagt sehr viel über die Medien im Jahr 2016 aus.
1. Was nicht aufs Smartphone passt, existiert nicht
Der ursprüngliche Gedanke bei DuMont war so naiv, dass er fast schon wieder rührend ist: Wenn man dieser digitalen Generation ihr Internet einfach ausdruckt und sowohl eine Optik als auch eine Ansprache wählt, die irgendwie nach Netz klingt, dann greift diese Generation beglückt zum Papier und wird mit späterem Alter dann doch wieder zum Zeitungsleser.
Die Kölner Digital Natives haben – vermutlich stellvertretend für alle anderen – eine ebenso einfache wie deutliche Antwort gegeben: Vergesst es! Mit dem Nachsatz: Weil wir kein Papier wollen. Natürlich kann man auch das, was sie da in Köln an Inhalten gedruckt haben, ziemlich hanebüchen finden. Aber noch wichtiger ist tatsächlich das „Endgerät“: Die Medienkonsumenten der Gegenwart und vor allem der Zukunft sind nur noch mit Inhalten zu erreichen, die potentiell auch auf das Smartphone passen. Mobile Webseiten, Apps, soziale Netzwerke. Was nicht bedeutet, dass sie nicht auch andere Geräte und Kanäle nutzen. Der Gradmesser von allem bleibt trotzdem das Smartphone.
Was also nicht aufs Smartphone passt, existiert in deren Wahrnehmung nicht. Papier? Braucht kein Mensch.
2. Man kann das Internet nicht drucken
Es ist ja dann doch immer wieder erstaunlich, wie oft man selbst banalste Dinge wiederholen muss, wenn es um Darstellungsformen im Journalismus geht. Eine davon: Digitaler Journalismus (nennen wir das einfach mal so) ist eine eigene Kunstform geworden, die längst über die Reproduktion von Text, Fotos, Audios und Videos hinausgeht. Umgekehrt gilt auch: Man kann digitalen Journalismus nicht auf einer analogen Plattform machen. Macht also bitte klassische Zeitung und klassisches Fernsehen da, wo der Nutzer klassische Zeitung und klassisches Fernsehen als das Medium seiner Wahl nutzt. Und macht multimedialen Journalismus da, wo Multimedia drauf steht.
Man kann das Internet nicht drucken. Ebensowenig übrigens, wie man es senden kann.
3. Nischen sind der neue Nutzerluxus
Ist es aber auf der anderen Seite nicht eine halbwegs grauenvolle Vorstellung, künftig nur noch für Smartphones zu produzieren und dort auch zu konsumieren? Ist es. Vor allem ist es zu kurz und absolut gedacht, wenn man glaubt, man könnte im Zeitalter der überbordenden Medienangebote ernsthaft behaupten, Medienkonsum finde nur noch auf einem einzigen Gerät statt. Dafür sind die Angebote zu umfangreich und die Nutzer auch viel zu unterschiedlich. Den einen Nutzer gibt es also gar nicht. Bestenfalls eine Mehrheit. Und das ist die, die wir jetzt und vor allem in Zukunft in der Nähe von digitalen und mobilen Endgeräten verorten.
Man kann das aber auch ganz anders machen. Ich habe bei mir selbst festgestellt, dass ich nach wie vor dicke Bücher liebe und Monatstitel, vor allem so glänzende wie „Brand eins“ oder die „11Freunde“ immer noch am liebsten als Papier vor mir habe. Obwohl ich das alles natürlich günstiger und einfacher in meinen diversen Digital-Geräten haben könnte. Will ich aber nicht. Gelegentlich gehören Sachen wie gedrucktes Papier oder eine aufwändig gestaltete CD-Box zu den Dingen, die ich mir gerne als eine Art Nischen-Luxus leiste.
Wie wir überhaupt über den Umgang mit Nischen einiges aus der Musikindustrie lernen können: Die gute, alte Vinyl-Schallplatte führt inzwischen auch ein ganz komfortables Dasein in der Nische. Fernab der Stückzahlen früherer Tage, aber auskömmlich finanziert von einer kleinen, aber ebenso kauffreudigen wie kaufkräftigen Gruppe von Menschen, denen ihre „Schallplatte“ so wichtig ist, dass sie dafür ordentlich viel Geld ausgeben, obwohl jeder gute Streamingdienst nur den Bruchteil kosten würde. Es ist eben nicht nur eine Frage der Ratio, wie man mit Medien umgeht.
4. Man ist nicht hip, wenn man mit Gewalt hip sein will.
Ist so.
Zusammengefasst: Analoge Medien sind den digitalen schon rein technisch so unterlegen, dass sie nur dann noch zum Zuge kommen, wenn sich ein Nutzer – aus welchen Gründen auch immer – ganz gezielt dafür entscheidet, dieses analoge Medium zu nutzen. Stand heute dürften das immer weniger werden, was aber kein Drama sein muss.
Worauf kommt es also an? Medien für Kanäle zu machen, die dort von Nutzern ganz gezielt gewählt werden. Dazu muss man übrigens seine Nutzer und auch die Schwächen und Stärken eines Kanals ziemlich gut kennen.
Dass die Tageszeitung kein Internet ist, hätte man allerdings auch schon vorher wissen können…
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