Wie kann man mit digitalem Journalismus Geld verdienen? Sind Menschen, zumindest in Deutschland, überhaupt schon so weit, dass sie für digitale Inhalte Geld ausgeben? Geht dieser ominöse paid content?
Die Journalistin und Gründerin Pauline Tillmann („Deine Korrespondentin“) sagt: nein. Die Zeit sei für so etwas in Deutschland noch nicht reif. Diese Aussage kann man angesichts von genau zehn Abonnenten, die das Korri-Portal bisher als Abonnenten unterstützen, vordergründig ganz gut verstehen. Dabei ist sie falsch, unsinnig – und in ihrem ganzen Absolutheitsanspruch leider so bezeichnend dafür, wie Journalisten das Thema „Geld für Inhalte“ immer noch sehen.
Das ist eine Grundhaltung, die gerne mal in einem solchen Klischee zusammengefasst wird: Die Zeit ist noch nicht reif. Die User wollen alles nur umsonst. Lauter so Kram halt. Kram,über den sich Journalisten ziemlich lustig gemacht haben, als die Musikindustrie vor einer Dekade plötzlich feststellen musste, dass die werte Kundschaft plötzlich das bisherige Angebot – take it or leave it – nur noch so mittelgut fand.
Damals wie heute herrscht ein eigenartiger Grundgedanke vor: Wenn der Kunde plötzlich etwas anderes wünscht als das bisherige Angebot – dann muss mit dem Kunden irgendwas nicht in Ordnung sein. Dabei greifen auch im Journalismus gerade nur die gängigen marktwirtschaftlichen Prinzipien: Das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem, der Kunde hat plötzlich eine unglaublich große Auswahl dessen, für was er Geld ausgeben will.
Ausgerechnet die Krautreporter haben belegt, dass es nicht am Willen fehlt
Der User ist also nur ein Schmarotzer, einer der plötzlich nicht mehr bereit ist, unsere journalistischen Leistungen zu bezahlen? Möglicherweise einer, der einfach noch Zeit braucht, bis er diese Notwendigkeit des Bezahlens begreift? Diese ganze „Die-Zeit-ist-noch-nicht-reif“-Argumentation ist blanker Unsinn. Es hat inzwischen auch in Deutschland schon etliche Projekte gegeben, die das Gegenteil beweisen. Ausgerechnet die ansonsten leider wenig inspirierenden „Krautreporter“ haben doch vorgemacht, wie es anders geht – und dass User sehr wohl bezahlen, wenn sie von einem Produkt überzeugt sind.
Genau das ist allerdings das, was auf der einen Seite so einfach nachzuvollziehen ist und und dennoch die Sache schwer macht: Ein Produkt hinzubekommen, für das der User in Zeiten des wahnwitzigen Überangebots zu bezahlen bereit ist, ist so schwer wie noch nie. Ok, wenn hier steht „wie noch nie“, dann muss man das relativ sehen: Sonderlich schwer war es ja bisher nicht, Produkte zu machen, für die User Geld ausgegeben haben. Regionale Tageszeitungen beispielsweise: Ein Produkt, das man in analogen Zeigen mehr oder weniger haben musste, ob man nun wollte oder nicht. Wie überhaupt alles Gedruckte: Wer irgendwas lesen wollte, musste bisher zahlen, so einfach war das. Diese ziemlich entscheidende Grundvoraussetzung fällt nunmehr weg. Man kann den Rest seines Lebens jeden Tag ziemlich schlaue Sachen lesen, ohne einen Cent zu bezahlen. Theoretisch zumindest.
Was zählt, ist das Produkt
Es ist also, um nochmal auf das Beispiel „Krautreporter“ zurückzukommen, sogar so, dass User uns einen ganz erheblichen Vertrauensvorschuss geben, wenn sie von einer Idee überzeugt sind. Aber tatsächlich muss man dann auch liefern. Oder zumindest eine Produktidee entwickeln, die wirklich überzeugt und durchdacht ist.
Regel Nummer eins dabei: Nur weil man selber etwas gut findet, muss es andere noch lange nicht interessieren. Ich habe mir „Deine Korrespondentin“ auch angeschaut, aber die Tatsache, dass ich kein zahlendes Mitglied bin, hat nichts damit zu tun, dass ich zu geizig bin oder die Zeichen der Zeit noch nicht ganz begriffen habe. Sondern nur damit, dass ich dort nichts gefunden habe, was mich wirklich dazu gebracht hätte, die Seite in meine Bookmarks aufzunehmen. Letztendlich also die selbe Problematik wie bei den Krautreportern.
Gut, ich bin nicht Zielgruppe, ganz und gar nicht. Ich hätte allerdings schon vorher die Prognose abgegeben, dass ein Portal, dessen Ziel es irgendwie ist, Frauen mit „kantigen Themen““sichtbarer“ zu machen, kaum über eine Zielgruppe verfügt, die sehr viel größer als die bisher zahlenden Mitglieder ist. So ist das nun mal mit Nischenthemen, mit eher unklar definierten noch dazu. Sieht man mal davon ab, dass alles, was auch nur im Ansatz eine Neuerfindung des Journalismus ankündigt, per se scheitern muss. Frag nach bei…ach, die hatten wir jetzt schon oft genug.
Jaja, der User ist gemein und manchmal lässt er sich nicht mal von Sachen überzeugen, die wirklich richtig gut gemacht sind. Das Wissensmagazin „Substanz“ beispielsweise hat seine Aktivitäten ebenfalls auf Eis legen müssen, zumindest vorläufig. Ich glaube nicht, dass die beiden Gründer Georg Dahm und Dennis Dilba großartig viele Fehler gemacht haben. Trotzdem muss man konstatieren: Bei jedem Produkt, das sich nicht ausreichend verkauft, haben das Produkt und der dahinter liegende Plan einen Fehler. Und wenn es nur der ist, dass man dachte, es gäbe ein Publikum, obwohl es anscheinend kein ausreichend großes gab.
Wir haben kein Journalismus-Problem. Sondern ein Finanzierungs-Problem.
Natürlich ändert das nichts daran, dass Journalismus finanziert werden muss. Und daran, dass diese Finanzierung schwierig geworden ist, auch nicht. Ich glaube nicht, dass wir ein ernsthaftes Journalismus-Problem in Deutschland haben. Es gibt natürlich etliche Sachen, die man nicht wirklich gut finden muss, aber eben auch hinreichend viele, die zeigen, was Journalismus und Journalisten können. Ich habe bisher jedenfalls noch nie das Problem gehabt, zu wenig Lesestoff oder zu wenige Filme und Audiobeiträge zu haben, die ich gerne konsumieren würde. Eher im Gegenteil – selbst meine überschäumende Bereitschaft zum Medienkonsum kann nichts daran ändern, dass ich weniger lesen, schauen und hören kann als ich eigentlich möchte.
So schlecht, wie in unserer Filter Bubble ganze Heerscharen von Medienkritikern, Bloggern und Plattform-Gründer regelmäßig behaupten, kann es also um unser publizistisches Angebot nun auch wieder nicht bestellt sein.
Weswegen der auch von gestandenen Chefredakteuren immer wieder mantraartig vorgebrachte Satz, die Menschen müssten endlich verstehen, dass guter Journalismus etwas wert sei und folgerichtig auch koste, alles andere als richtig ist. Die Leute müssen gar nichts. Wenn hier jemand was muss, dann sind wir das. Wir müssen solche Inhalte schaffen, auf die Menschen selbst in diesem gigantischen Angebot des digitalen Zeitalters unbedingt haben wollen.
Schon klar, das ist sehr viel schwieriger in die Praxis umzusetzen als wie es sich hier mal eben hinschreibt. Aber es wäre zumindest ein erster Schritt, würde man damit aufhören, nicht funktionierende Produkte mit dem doofen Publikum zu begründen.
Klingt vielleicht albern, weil es von jemandem kommt, der nicht wenige Jahre in der Werbung und Markenkommunikation tätig ist, aber …
So wirklich Werbung machen die alle nicht. Sich *ausschliesslich* auf die Qualität seines Produktes zu verlassen, bringt – gerade auf einem umkämpften, voll gestopften Markt, wie dem der Information – nichts. Dummerweise kostet entsprechende Kommunikation auf einem solchen Markt verdammt viel Geld.