Eigentlich wollte ich an dieser Stelle 10 Jahre „Jakblog“ bilanzieren (doch, so lange gibt es das jetzt schon). Doch dann kam die Nachricht, dass Ronnie Grob sein wunderbares „6 vor 9“ einstellt und eine ziemlich famose Begründung dafür gleich mit dazu.
Weswegen das hier jetzt nicht einfach eine Bilanz eines seit zehn Jahren existierenden Blogs wird, sondern ein Beitrag, in dem ich erstens Ronnie Grob meistens sehr recht gebe, zweitens mich selbst etwas kasteie und drittens erkläre, warum es diese Seite hier auch weiter geben wird (selbst wenn ich nicht für weitere zehn Jahre garantieren möchte).
Ronnie Grob kann es nicht mehr hören. Diesen leicht larmoyanten Unterton der Branche und dazu die immer wiederkehrenden Thesen und Theorien, wie es mit dem Journalismus weitergehen könnte. Am liebsten hätte ich ihm stehend applaudiert. Bis mir aufgefallen ist, dass ich vermutlich ebenfalls mitschuldig an seinem Missmut bin. Weil ich das alles auch schon gemacht habe: wiederholt irgendwelche Thesen aufgestellt, in Tateinheit mit larmoyantem Genöle. Zu meiner Verteidigung kann ich lediglich anführen, in den letzten Monaten auf nahezu jedem Panel betont zu haben, dass ich es doch auch nicht so genau weiß, wie es mit dieser Branche weitergeht. Das eint mich mit ungefähr 100 Prozent der Menschheit. Dieses Mantra habe ich so oft wiederholt, dass sich der eine oder andere Kollege darüber schon lustig gemacht hat.
Und ich habe noch was zur Verteidigung. Etwas, was ich die gesamten 10 Jahre der Bloggerei festgestellt habe. Theorien und Thesen aufstellen funktioniert super, das wird nur noch von einem gepflegten Rant übertroffen. Theorien und Rants erzielen ganz erstaunliche Reichweiten, vor allem dann, wenn sie im „Bildblog“ bei „6 vor 9“ verlinkt werden. Wir haben uns also möglicherweise über all die Jahre ein wenig selbst gefüttert in diesem selbstlaufenden System.
Kein Mensch will was Positives
Umgekehrt habe ich übrigens mal vor ein paar Jahren versucht, eine Rubrik hier zu etablieren, die irgendwie sinngemäß „Und wo bleibt das Positive?“ heißen und die guten Dinge dieser Branche beleuchten sollte. Hat keine Sau interessiert. Es waren – kein Witz – die am wenigsten geklickten Beiträge in zehn Jahren. Und so viel Quotensau steckt ja dann auch in einem kleinen Blogger, dass er eine fünfstellige Klickzahl auf einen Beitrag einer zweistelligen eindeutig vorzieht. Ich weiß nicht, ob dieses Gen nur in Medienmenschen steckt, aber es ist eindeutig so: Ein ordentlicher Grusel-Text, der ein wenig mit dem potentiell bevorstehenden Untergang kokettiert, flasht natürlich weitaus mehr als die eher unspektakuläre Einschätzung, dass es schon irgendwie weitergehen wird, weil es in der Menschheit bisher immer irgendwie weitergegangen ist.
Irgendwie also hat Ronnie Grob mit seinem Text einen Nerv bei mir getroffen. Weil es mir ähnlich ging: Irgendwann konnte ich die ganzen Schlaumeiereien nicht mehr lesen, meine eigenen eingeschlossen. Es gingen (und gehen) mir zunehmend auch andere Dinge auf den Keks, ohne dass ich jetzt sicher sagen könnte, ob sie branchen- oder netzspezifisch oder womöglich sogar beides. Es nervt mich, wenn man zumindest bei bestimmten Themen kaum ein Wort sagen kann, ohne dass Hysterie ausbricht. Thesen und Theorien sind tatsächlich alle aufgestellt, nur noch nicht von jedem. Irgendwann mal ist beinahe alles gesagt.
Das erklärt für mich in der Rückschau auch, warum die Frequenz meiner Beiträge auf diesem Blog in den letzten zwei Jahren spürbar gesunken ist. Immer öfter habe ich einen Beitrag angefangen, um dann festzustellen: Wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann hast du das aber schon mal geschrieben. Vielleicht ist das ja auch eine Alterssache, dass man sich mit 50 nicht mehr in jede Saalschlacht stürzen muss, keine Ahnung.
Und vielleicht geht mir auch diese ganze Grüppchen- und Cliquenbildung auf die Nerven, die so viele der Debatten vorhersehbar macht. Ich wage die Behauptung, dass man, wenn man es darauf anlegt, ganz gezielt irgendwelche Mini-Stürmchen auslösen kann, wenn man nur weiß, wie die Szene tickt und wen man ein bisschen kitzeln muss. Momentan braucht man beispielsweise nur „Krautreporter“ sagen und schon hängt man drin im schönsten Schlamassel.
Zu viel Selbstdarstellung, zu wenig Substanz
Ja, und auch das muss ich loswerden, wenn ich gerade dabei bin: Natürlich ist das Netz ein großartiger Ort und einer der tollsten Sachen dort ist es, dass sich die Zahl der Stimmen, die etwas zu sagen haben, deutlich erhöht hat. Allerdings ist die Zahl derer, die Publizieren mit gnadenloser Selbstdarstellung verwechseln, in den letzten Jahren drastisch angestiegen. Das tut den Debatten und den Inhalten leider nicht immer gut. Und das ist auch der Grund dafür, warum ich der mittlerweile weit verbreiteten These, Journalisten müssen zunehmend zu Marken werden, eher skeptisch gegenüber stehe. Mag sein, dass es kommerziellen Erfolg in Ausnahmefällen bringt, ein Garant für inhaltliche Substanz ist es aber keineswegs, wenn man sich in erster Linie um sich selbst dreht.
Was nehme ich noch mit nach zehn Jahren Jakblog? Den Vorsatz, mit Prognosen vorsichtiger sein. Von denen, die ich hier abgegeben habe, hat sich eine Mehrheit als eher verkehrt rausgestellt. Keine Thesen mehr in diesem Blog, das Thema hatten wir ja schon.
Außerdem habe ich – witzigerweise – gelernt, dass die alten Medien vielleicht doch nicht so schlecht sind, wie sie auch von mir immer wieder beschrieben wurden. Unsere kleine digitale Szene (ich nehme mich da immer ausdrücklich mit rein) hat leider ungewollt den Beleg dafür erbracht. Weil wir zwar ziemlich klug daherreden können, wie man es besser machen wüsste. In der Praxis aber haben wir wenige Belege dafür erbracht, dass wir es besser können. Die „Krautreporter“ sind einer, aber keineswegs der einzige Beleg dafür.
My Blog is my Castle
Und ja, bevor Sie es selber bemerken: Ich selbst habe es auch nicht besser gemacht und leiste mir die Bloggerei aus zwei Gründen. Zum einen hat sie mir einen gewissen Bekanntheitsgrad verschafft, was mir die Auftragsbeschaffung deutlich erleichtert. Und zum anderen macht sie immer noch Spaß, auch nach 10 Jahren. My Blog is my castle Aber mein Geld verdiene ich immer noch mit großen, etablierten Unternehmen, aktuell gerade beim BR. Wenn man sich das vor Augen führt, sollte ich etwas zurückhaltender darin sein, alten Medien zu sagen, was sie besser machen müssten. Aber immerhin, wenigstens ein Erkenntnisgewinn.
Müsste ich angesichts dessen nicht den Stecker ziehen und dieses Blog zumachen? Freuen Sie sich nicht zu früh: Das wird nicht passieren. Weil ein solches Blog trotz alledem immer noch Freiheiten bietet, die man sonst nirgends hat. Selbst die Freiheit, zehn Jahre immer wieder ausgemachten Unfug zu erzählen. Man kann, davon bin ich überzeugt, ein Medienblog schreiben, das ohne Thesen und Prognosen und dauernde Schwarzmalerei auskommt. Zumal ich auch eine Idee habe, wie ich dieses Blog spätestens ab Herbst nutzen möchte. Noch ist es ein bisschen zu früh, darüber öffentlich zu reden, aber Herbst ist es ja in ein paar Wochen schon wieder…
Deshalb erstmal. Herzlichen Dank für Mitlesen bis hierhin, für ein paar tausend Kommentare, für Debatten, Anregungen, Kritik. Und dafür, dass ich möglicherweise mehr gelernt habe als wenn ich nie gebloggt hätte.
Gratulation zum Zehnjährigen und danke zumindest für die letzten fünf Jahre, in denen ich deine Beiträge lese. Auch die Prognosen, steile Thesen und Theorien über die Zukunft des Journalismus. Immer wieder gern. Gestern, heute, morgen. Bitte weitermachen!
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„Den Vorsatz, mit Prognosen vorsichtiger sein. Von denen, die ich hier abgegeben habe, hat sich eine Mehrheit als eher verkehrt rausgestellt.
Außerdem habe ich – witzigerweise – gelernt, dass die alten Medien vielleicht doch nicht so schlecht sind, wie sie auch von mir immer wieder beschrieben wurden.“
Selbsterkenntnis, wie schön. Wenn das jetzt noch die Herren Gutjahr, Knüver, und alle anderen „Die Medien sind so sch… und ich bin der Einzige, der weiß, wie es geht“-Propheten erkennen würden, könnten sich die deutschen Medien endlich mal wieder ohne Geblöcke aus der zweiten Reihe auf die Zukunft konzentrieren.
Stimmt. Und wenn Sie jetzt noch lernen, dass der Kollege „Knüver“ eigentlich „Knüwer“ heißt und dass man nicht „blöcken“, sondern bestenfalls blöken kann und dass es irgendwie schön wäre, wenn sich Kommentatoren auf diesem Blog nicht hinter Pseudonymen verstecken, dann bin ich auch gleich wieder viel zuversichtlicher.