Man sollte Beiträge nicht in leicht frustrierter Stimmung schreiben. Und wenn doch, dann sollte man möglicherweise seine Leser vorwarnen. Also: Das hier ist ein Beitrag, der in leicht frustrierter Stimmung geschrieben wird.
Vor gut einem Jahr habe ich auf dieser kleinen Seite etwas getan, was ich an sich nicht oft mache: unverhohlen für ein Projekt getrommelt, das aus einer ganzen Reihe von Gründen meine uneingeschränkte Sympathie gefunden hat. Das u.a. aus Crowdfunding heraus entstandene Magazin „Substanz“ von Georg Dahm und Dennis Dilba hatte als, was ich bis heute an den „Krautreportern“ vermisse. Es war ein mit Herzblut gemachtes Projekt, das immer auch im Angesicht des potentiell möglichen Scheiterns gemacht wurde. Es war ein Projekt von Machern, die zwar überaus ambitioniert, aber eben auch mit einer feinen, augenzwinkernden Ironie ausgestattet waren. Vom verkniffenen Ernst der „Krautreporter“ sind Dilba und Dahm jedenfalls so weit entfernt wie die „Krautreporter“ von einer funktionierenden Technik. Über das fertige Produkt wage ich nicht rasend viel zu sagen, weil ich von Wissenschaftsjournalismus nicht sehr viel verstehe. Nur so viel: Es sah großartig aus und das, was ich gelesen habe, hat sogar mir blutigem Laien gefallen.
Warum das alles hier in der Vergangenheitsform steht? Weil „Substanz“ auf Eis liegt. Vorläufig zumindest. Auf ihrer Seite schildern die Macher die Hintergründe, sprechen offen davon, dass sie das Projekt in seiner jetzigen Form an die Wand fahren würden und über die Suche nach einem möglichen neuen Geschäftsmodell.
Einigermaßen selbstkritisch räumen sie auch ein, nicht den nötigen „Marketing-Wumms“ geschafft zu haben (wer darin eine sanfte Stichelei in Richtung der „Krautreporter“ sehen will, liegt sicher nicht ganz verkehrt). Und genau das ist es, was mich in die beschriebene Fruststimmung bringt. Weil hier ein wirklich vom ersten Tag an durchdachtes, ausgezeichnet gemachtes Projekt zu scheitern droht, weil man womöglich nicht laut genug war – während auf der anderen Seite die Großsprecher auch nach einem Jahr immer noch erzählen dürfen, dass man ja irgendwie immer noch in der Lernphase sei und deswegen jetzt nochmal Geld in Form einer Genossenschaft einsammeln will.
Ich würde „Substanz“ wirklich aufrichtig wünschen, dass es weitergeht. Auch deswegen, weil diese kleine, ambitionierte Truppe gezeigt hat, wie man 2015 ein richtig gutes Digital-Magazin macht. Ohne Brimborium, ohne Attitüde, sondern einfach nur mit auf seine essentiellen Stärken besonnenen Journalismus. Ob das reicht, bezweifle ich leider etwas – am Ende siegt womöglich doch der „Marketing-Wumms“.
Wenn das mal kein Grund ist, leicht frustrierte Beiträge zu schreiben.
„Georg Dahm und Dennis Dilba hatte als“ -> alles.
Ja, da ist was dran, am Marketing-Wumms. Aber: 900.000 vs. 37.000 ist auch einfach eine völlig andere Größenordnung. Hier kann man schlecht erwarten, dass man genauso viel kostenlose PR wie die Großen bekommt.
Aus meiner Sicht hatte Substanz sehr viel ausgezeichnete Gratis-PR, die ich mir mit SHIFT Anfang dieses Jahres auch gerne gewünscht hätte und nicht annähernd hatte. Jeder greift halt auf sein Netzwerk zurück – und das der Krautreporter ist einfach am größten.
Marketing-Wumms ist aber nicht PR-Wumms, sondern eben Marketing-Wumms. Hier zeigt sich: Mit PR allein geht es nicht – man muss schon auch irgendwie in Werbung investieren, um zu wachsen. Das machen andere Unternehmen ja ganz genauso.
Ich selbst finde es übrigens auch sehr(!) bedauerlich, die Nachricht von Substanz gelesen zu haben. Ich hätte ihnen von Herzen viel Erfolg gewünscht, es wäre auch ein gutes Signal an die mediale Start-up-Branche gewesen. Ich hatte mich selbst an der Crowdfunding-Kampagne beteiligt, muss aber gestehen: Wissenschaftsjournalismus interessiert mich einfach nicht. Vielleicht gibt es da zu wenige potenzielle Leser? (Immerhin ist im Printbereich mit dem deutschsprachigen New Scientist ja auch ein Magazin eingestellt worden, an dem die beiden Substanz-Gründer mitgearbeitet hatten…)
Oder sie hätten gleich auf Englisch publizieren sollen? Ach, diese Tipps brauchen sie jetzt aber bestimmt nicht. Ich hoffe jedenfalls, dass sie noch einen Weg finden, weiterzumachen.
Ich selbst war auch schon kurz davor, mit SHIFT aufzuhören. Der Anfang ist ein einziger Kampf, von einer Hürde zur nächsten. Das kann manchmal mächtig ermüdend sein.
Die Medienbranche steckt gerade im Umbruch. Sichere Jobs gibt es da kaum noch welche. Attraktive Alternativen zur Selbstständigkeit sehe ich aktuell eher wenige – bzw. glaube, dass sich in fünf bis zehn Jahren die Investition in die Selbstständigkeit auszahlen wird. Wir werden es sehen.