Facebooks neueste Idee von den „Instant Articles“ wirft wieder einmal die Frage auf: Freund oder Feind? Die eindeutige Antwort: beides.
Bevor man sich wirklich ernsthaft mit den „Instant Articles“ von und für Facebook auseinandersetzt, darf man wenigstens ein bisschen spötteln: Über den Herrn Döpfner, oberster Springer-Chef, erklärter Gegner der „Kostenlos-Kultur“ im Netz und ebenso erklärter Befürworter des Leistungsschutzrechts, das vor allem den Content-Parasiten von Google die Grenzen aufzeigen soll. Ausgerechnet dieser Herr Döpfner ist also einer der deutschen Pioniere, wenn es darum geht, einen der ganz großen Player mit – zumindest für den User – kostenlosen Inhalt zu versorgen.
Döpfner und Springer werden gute Gründe dafür haben, ganz gewiss. Trotzdem zeigt die Sache mit den „Instant Articles“ das ganze Dilemma, in dem die Branche steckt. Nüchtern betrachtet spricht für eine Kooperation mit Facebook ja tatsächlich einiges. De facto ist das Netzwerk schon jetzt der größte Umschlagplatz für Journalismus, den es weltweit gibt. Kein Praktikant kommt mehr an seinen Redaktionsleitern vorbei, die ihm einbimsen, dass man ja auch irgendwie bei Facebook präsent sei. Der Like-Button wird heute selbstverständlich auf nahezu jeder Webseite integriert und dass man irgendwie dort vertreten sein muss, stellt beinahe niemand mehr ernsthaft in Frage.
Unbestritten ist auch, dass sich das Nutzungsverhalten gerade eines jüngeren Publikums drastisch verändert hat. Soziale Netzwerke sind für sie eben auch Nachrichtenkanäle. So, wie man seit dem gefühlten Anbeginn der Menschheit gewusst hat, dass man ja lediglich um 20 Uhr die „Tagesschau“ einschalten muss, um zu wissen, was auf der Welt passiert ist, so weiß man heute: Irgendwo bei Facebook oder Twitter wird´s schon stehen, wenn es wichtig ist. Und wenn nicht, dann wird es schon nicht so wichtig gewesen sein. Der Algorithmus und der Newsstream als neue Nachrichtenfilter, so funktioniert ein beträchtlicher Teil des Medienkonsums schon heute. Ob uns das gefällt oder nicht.
Ist es dann also nicht mehr als konsequent, wenn ma dorthin geht, wo beinahe alle sind? Und ist es umgekehrt nicht komplett sinnlos, sich in eine Verweigerungshaltung zu begeben und darauf zu hoffen, dass sie irgendwann wieder alle reumütig zurück auf die gute, alte Homepage kommen werden?
Facebook, die netzgewordene Ambivalenz
Das Bezeichnende für unseren Umgang mit den Giganten im Netz tritt auch bei den „Instant Articles“ zutage: Natürlich stärken wir die Position von Facebook ganz massiv, wenn es hochwertigen journalistischen Inhalt künftig auch dort gibt. Zumal es sich bei den „Instant Articles“ um einen Paradigmenwechsel handelt: Bisher war Facebook nur ein Umschlagplatz, der am Ende idealerweise wieder den Weg zurück zum eigentlichen Anbieter gewiesen hat. Künftig wird Facebook auch ein Medienunternehmen sein. Zwar eines, dass sich beliefern lassen muss, aber das ist dem Nutzer am Ende egal. Der freut sich vielleicht, dass er gute Geschichten jetzt noch einfacher und ohne Facebook zu verlassen bekommt. Aber dass er sich dafür beim „Spiegel“ oder der „Bild“ bedanken und vor lauter Begeisterung gleich mal ein Abo abschließt, muss man nicht zwingend erwarten.
Facebook ist netzgewordene Ambivalenz. Facebook ist ein „Frenemy“, ein Freund und Feind zugleich. Einer, der das Kunststück fertig bringt, uns zu umarmen und gleichzeitig zu erdrücken. Eine tödliche Umarmung sozusagen, das soll es ja schließlich geben.
Eine Hoffnung habe ich allerdings. Ich geb´s vorweg aber gleich zu: Es ist nur eine Hoffnung und sie lässt sich faktisch oder wissenschaftlich nicht belegen (wie das eben so ist bei vagen Hoffnungen). Irgendwann könnte sich Facebook am Stasi-Syndrom verheben. Zu groß, zu allmächtig werde zu wollen. Zu glauben, dass man den Alltag des Menschen in jeder Hinsicht dominieren kann. Nicht mehr nur sein privates Netzwerk zu sein, sondern auch massiv zu beeinflussen, was Menschen wissen und was nicht. Facebook wäre nicht der erste Gigant, dem die eigene Hybris zum Verhängnis wird.