War was? Pegida wurde erst zum Massenphänomen hochgeschrieben und ist jetzt fast wieder raus aus den Schlagzeilen. Ein Exempel dafür, wie immer schnellere und grellere Medien sich ihre Phänomene selbst schaffen.
Erst einmal die Nachrichten der letzten Tage: Frau Oertel hat sich von Pegida getrennt und einen Ableger gegründet, der auffällige Schwächen in Sachen Geographie aufweist. Herr Bachmann (das ist der mit dem Hitlerbärtchen bei Facebook) ist dafür jetzt wieder irgendwie dabei bei Pegida. Ingesamt waren es allerdings in dieser Woche ein paar Leute weniger beim „Montagsspaziergang“ in Dresden. So viel weniger, dass man schon von einer erstaunlichen Entwicklung sprechen muss: Noch vor drei Wochen vermittelte die Berichterstattung den Eindruck, als würde im Osten Deutschlands gerade die nächste Wende entstehen; als würde die Bundesrepublik weggefegt von einem neuerlichen Volksaufstand. Menschen, die zuvor aus vermutlich guten Gründen restlos unbekannt waren, saßen plötzlich bei Jauch in der Talkshow, Montagabends wurde live getickert, was das Zeug hielt – und den medialen Aufzählungen zufolge, wer jetzt für oder gegen die Islamisierung auf die Strafe gegangen ist, gab es im Deutschland des noch jungen 2015 eigentlich nur noch zwei Sorte Menschen: Freunde und Feinde von Pegida. Das war insofern lustig, als dass plötzlich jede Versammlung, bei der mehr als 50 Menschen mit irgendwas islamkritischem auf die Straße gingen, als neuer Pegida-Ableger galt und es selbst kleine Provinz-Demos in die Nachrichten schafften. Unfassbar – jetzt also auch schon Pegida irgendwo in the middle of nowhere...!
Das verblüffend schnelle Abflauen des Pegida-Themas zeigt zweierlei. Zum einen, dass nicht nur irgendwelche Islamfeinde schnell zur Hysterie neigen, sondern Journalisten auch. Und zum anderen: Sehr viel mehr als ein lokales Phänomen war Pegida nie, wie sich auch in der laufenden Berichterstattung schnell herausstellte. Überall, wo die die besorgten Patrioten auf die Straße gingen, waren die Gegner deutlich in der Überzahl. In München beispielsweise protestierten stellenweise über 10.000 Menschen gegen ein Häuflein von nicht mal 1000.
Das ist natürlich schwer in Ordnung so und allemal besser, als wenn die Kräfteverhältnisse umgekehrt wären. Trotzdem, jetzt, wo sich der Scheinriese Pegida langsam selbst zerlegt und sich auf Normalmaß zurechtstutzt, ist die Frage berechtigt: Wie hysterisch ist diese Medienrepublik eigentlich im Zeitalter von irgendwelchen Livetickern und Echtzeitberichterstattungen? Das Thema „Pegida“ jedenfalls hat sehr schön gezeigt, was passiert, wenn man sich selbst gegenseitig hochschaukelt. War ja auch zu schaurig-schön, die stetig steigenden Wasserstandsmeldungen aus Dresden durchzugeben: 10.000, 20.000, 25.000 – na, kommt da noch was nach?
Die notorisch Unzufriedenen der diversen Irgendwas-mit-Gida-Ableger jedenfalls dürften sich gefreut haben. Über so viel Aufmerksamkeit, die man ansonsten mit einer „Hauptsache dagegen!“-Haltung eher nicht bekommt. So gesehen also das Paradox des Jahres: Eine hysterische Lügenpresse schaukelt und schreibt eine Motzer-Bewegung nach oben, ehe die sie dann wie ganz von selbst erlegt.