Die „Süddeutsche Zeitung“ wird im Laufe dieses Jahres ihre Print- und ihre Onlineredaktion zusammenlegen. Dahinter kann man einen reinen organisatorischen Akt vermuten. Tatsächlich aber steckt mehr dahinter. Nämlich das Ende ganzer Berufsbilder…
Speziell die Tage nach dem Attentat von Paris müssten es selbst dem letzten eisernen Verfechter gedruckter Medien klar gemacht haben: Auf Papier die Welt erklären, das haut nur noch in einem sehr eigeschränkten Maß hin. Eine ganze Zeit lang galt es ja mal wenigstens mal als ausgemacht, dass die Zeitungen und Magazine den erklärenden, anlaysierenden Teil des Journalismus noch für sich beanspruchen könnten. Nach der Formel: für den schnellen Blick auf die Lage gibt es die Onlinemedien, für alles andere Papier.
Dabei hat sich in den Tagen von Paris gezeigt, wie wenig das noch gilt. Die Tageszeitungen waren meist am Tag des Erscheinens mit ihren Analysen und Kommentaren schon wieder veraltet. Die Kollegen vom „Spiegel“ erlebten wiederum etwas, was man wohl „Ironie des Schicksals“ nennt: Da kam man zum ersten Mal an einem Samstag auf den Markt, nur um dann festzustellen, dass es eine Sache gibt, die gedruckte Medien für immer und ewig vom Netz unterscheidet. Diese Sache heißt „Redaktionsschluss“ und hat beispielsweise zur Folge, dass in der gerade eben veröffentlichten Ausgabe die eine oder andere Kleinigkeit schon wieder überholt ist (im gedruckten Spiegel hatte es geheißen, die Täter seien noch nicht gefasst worden, was sich kurz nach der Drucklegung geändert hatte). Auch wenn die Spiegel-Kollegen im Rahmen des Möglichen ihren Job sehr, sehr ordentlich gemacht haben: So böse ist das Leben manchmal zu uns Journalisten und zu allen (medien)theoretischen Betrachtungen.
Zugegeben: Paris war eine journalistische Extremsituation. Trotzdem aber auch eine, die gezeigt hat, wie essentiell das funktionierende Zusammenspiel zwischen einer Print- und einer Onlineredaktion ist. Genauer gesagt: wie fragwürdig eine solche Trennung ist. Man darf schon alleine deshalb darauf gespannt sein, wie sich die unterschiedlichen Wege von SZ und „Spiegel“ in den kommende Jahren bewähren werden. Die einen haben ihrem Onlinechef mehr und mehr Gewicht gegeben und werfen jetzt die Redaktionen zusammen, die anderen haben ihren onlineaffinen Chef vom Hof gejagt und versuchen sich jetzt doch erst mal wieder in der Fortsetzung des bisher bekannten Wegs: Das eine ist das Magazin, das andere ist Online. Zwei getrennte Chefredakteure, zwei getrennte Redaktionen. Ich muss vermutlich nicht erklären, welchen Weg ich für den plausibleren halte.
Wenn es die SZ ernst meint mit der Zusammenlegung der Redaktionen; wenn das alles also mehr sein soll als ein räumliches Zusammenwachsen, dann müsste am Ende dieses Prozesses ein völlig neues Berufsbild stehen. Das eines Journalisten, dem es ziemlich egal ist, welche die Plattform ist, auf der er gerade publiziert. Weil er in Themen und in ihren Erfordernissen denkt und nicht in Dogmen. Zu diesen unsinnigen Dogmen gehört übrigens auch, nebenbei bemerkt, „Online first“. Wenn schon Dogmen, dann bitte korrekterweise: „Online always“.
Eine Sache des Handwerks? Sicher. Aber fast jedes Handwerk lässt sich lernen. Eher eine Kopfsache.
Dumm nur: Wie mächtig so eine Kopfsache sein kann, haben sie beim „Spiegel“ im vergangenen Jahr eindrucksvoll gezeigt. Spannende Tage also für die ganze Branche, die es jetzt in München im SZ-Hochhaus geben wird.