Kann man mit Micro-Payment Geld verdienen? Ja, schreibt Richard Gutjahr – und zieht die Bilanz seines eigenen Experiments mit „Later Pay“. Die Technologie mag also durchaus funktionieren. Am eigentlichen Problem beim Thema „Geld verdienen im Netz“ ändert das nur nicht viel…
Das Thema bleibt naturgemäß eines der wichtigsten der nächsten Jahre: Womit wollen Medien, (freie) Journalisten und Blogger in den nächsten Jahren ihr Geld verdienen? Die alten Geschäftsmodelle zerbröseln langsam, die neuen potentiellen Modelle werden immer noch heftig diskutiert. Zeit, um ein paar generelle Entwicklungen festzuhalten:
Der Schlüsselreiz Gratis: Es gibt ein wunderbares Buch mit dem Titel „Denken hilft zwar, nützt aber nichts“. Dort hat der US-Forscher Dan Ariely auf ziemlich amüsante Weise Dinge festgehalten, die sich im Wesentlichen um unser paradoxes Verhältnis zu Geld und Konsum drehen. Eine dieser Erkenntnisse: Wenn Menschen irgendwo das Wort „gratis“ hören, setzt ihr Verstand weitgehend aus. Nichts reizt den Menschen mehr, als wenn es etwas kostenlos gibt. Es macht also gar nicht viel Sinn, jemandem erklären zu wollen, dass die eigene Arbeit einen Wert hat und deshalb irgendwie finanziert werden muss. Wer etwas gratis bekommen kann, nimmt es sich in aller Regel auch. Natürlich gibt es Idealisten, die bezahlen, obwohl sie gar nicht bezahlen müssten. Aber sie sind eine Minderheit und werden es immer bleiben.
Der Wert bestimmt den Preis: Was ist ein journalistisches Angebot wert, welchen Preis kann man dafür verlangen? Einfache Faustregel: den, der einem Publikum angemessen erscheint. Und das wiederum wird immer noch vom einfachen Prinzip von Angebot und Nachfrage bestimmt. Im Netz übersteigt das Angebt in den allermeisten Fällen die Nachfrage ganz eindeutig. Es ist also gar nicht die Frage, ob Paid Content funktioniert. Die Frage ist, wo Geld für Inhalte verlangt werden kann, weil er so knapp und exklusiv ist, dass jemand bereit ist, in seinen Geldbeutel zu greifen. Das Argument, man müsse die Menschen einfach nur ans Bezahlen für Inhalt im Netz gewöhnen, ist kompletter Unfug. Weil das nichts mit dem Netz zu tun hat. Gäbe es den „Spiegel“ künftig am Kiosk kostenlos, müsste seinen Konkurrenten schon sehr viel einfallen, um Geld für das eigene Heft verlangen zu können.
Geschäftsmodelle müssen sich am Markt orientieren: Wie hoch muss eine Paywall sein? Welche Technologien funktionieren und welche nicht? Das sind natürlich wichtige Fragen, aber nicht die wirklich entscheidenden. Niemand wird behaupten können, dass Sachen wie „Flattr“ oder „LaterPay“ technisch zu anspruchsvoll seien, als dass man sie nicht einsetzen könnte. Wenn also die Frage nach künftigen Geschäftsmodellen für Medien in der digitalen Welt auftaucht, dann ist die Antwort erst einmal ein wenig zufrieden stellendes: kommt drauf an. Darauf nämlich, was man wem verkaufen will. Die Klage darüber, dass Menschen im Netz so ungern zahlen wollen, ist zwar wohlfeil geworden, führt aber am eigentlichen Problem vorbei. Konkret: Das Geschäftsmodell, auf Papier gedruckte Nachrichten zu verkaufen, funktioniert nicht deswegen nur eingeschränkt, weil es jetzt das Internet gibt. Sondern weil Nachrichten zu einer inflationär gehandelten Ware geworden sind, deren materieller Wert inzwischen gen Null geht. Die Frage ist also nicht, wie man Menschen dazu bewegt, trotzdem dafür zu bezahlen. Sondern: Welche journalistische „Ware“ verkaufen wir künftig, wenn die bisherige im Überfluss zu haben ist?
Blogs bleiben (weitgehend) kostenlos: Rund 1100 Euro hat Richard Gutjahr in den vergangenen sechs Monaten auf seinem Blog eingenommen. Das ist auf der einen Seite erfreulich, auf der anderen Seite ernüchternd. Weil statistisch gesehen im Monat ein Betrag von 200 Euro rauskommt. Rechnet man dann noch die Besonderheit dazu, dass Gutjahr mit der Apple-Produktpräsentation rund zwei Drittel seiner Einnahmen mit einem einzigen Beitrag erzielt hat, bleibt die Erkenntnis: Mit Blogs lässt sich im Regelfall bestenfalls ein mehr oder weniger gutes Taschengeld verdienen. Zumindest dann, wenn man tatsächlich direkt Erlöse erzielen will. Der eigentliche Effekt des eigenen Blogs bleibt gerade für freiberufliche Journalisten ein anderer. Anders gesagt: Wer wirklich Geld verdienen will, sollte Einnahmen aus Blogs nicht ernsthaft in seinen Business-Plan schreiben. Dass es mit „Flattr“ oder „LaterPay“ ordentlich funktionierende Plattformen für Micro-Payment gibt, ändert am eigentlichen Grundproblem nichts.