Es gehörte zu den Nachrichten, die leicht mal ein bisschen untergehen: Google wird die so genannten „Snippets“ der Verlage aus der VG Media noch nicht aus den Suchergebnissen rausnehmen. Es gibt noch einen kurzen Aufschub. Einen Aufschub, um den die Verlage gebeten hatten. Also ausgerechnet die, die zuvor einigermaßen vollmundig angekündigt hatten, Google künftig zur Kasse bitten zu wollen, wenn der Suchmaschinen-Riese weiterhin sich mit den hochwertigen Inhalten der Verlage schmücken wolle.
Darauf hat Google dankend verzichtet und die VG Media fühlt sich deshalb jetzt, äh, ja…erpresst, genau. Das ist sehr ulkig. Noch ulkiger ist der Aufschub, um den die Beteiligten jetzt bitten. Weil er sehr deutlich die Verhältnisse ins Licht rückt. Die Machtverhältnisse. Und weil die Frage beantwortet ist, wer auf wen verzichten kann. Was eigentlich nie eine Frage hätte sein dürfen. Wenn man die Welt nicht gerade durch eine sehr rosa getönte Verlagsbrille betrachtet, dann steht außer Zweifel, wer dieses Armdrücken gewinnt.
Die Welt hat sich also gewandelt, endgültig (dies nur als Feststellung für den Fall, dass Sie sich dieser simplen Erkenntnis bisher erfolgreich entzogen haben). Die einstmaligen Gatekeeper müssen jetzt selbst erst einmal durch ein Gate, ganz egal, ob das Google oder Facebook oder wie auch immer heißt.
Kann es also angesichts dessen sein, dass wir bei den ganzen Debatten um den Medienwandel und die Digitalisierung schlichtweg die falschen Fragen stellen? Dass wir darüber streiten, wie hoch eigentlich so eine Paywall sein müsste und, ob man Geschichten multimedial-interaktiv oder nicht doch einfach ganz klassisch erzählen müsste, während die wirkliche Frage die ist:
Müssen Journalisten und Redaktionen nicht schlichtweg ihre eigenen kleinen Communitys werden?
Dafür spräche einiges. Zu allererst die Tatsache, dass wir im Netz gerade die große communitysierung erleben. Gemeinschaften und Netzwerke, wohin man schaut, das muss nicht mal der große Gleichmacher Facebook sein. Ob wir jetzt von Büchern, Musik der klassischen Medien reden, die Prinzipien eines sozialen Netzwerks halten überall Einzug. Man hört heute nicht mehr einfach Musik, sondern folgt und postet. Man liest nicht mehr einfach Bücher, sondern macht das, wenn denn das Lobo-Prinzip der Sobooks erfolgreich ist, ein soziales Erlebnis daraus. Und die Krautreporter begründen einen der Vorteile der finanziellen Unterstützung nicht nur mit irgendwelchen Mehrwerten. Sondern mit einer ganz simplen Aufforderung: Werde Teil der Krautreporter-Gemeinschaft!
Mediennutzung bekommt also zunehmend mehr auch die Züge eines Bekenntnisses. Das ist keine restlos neue Geschichte, Medien waren schon immer auch Bestandteil einer inneren und äußeren Haltung. Wer eine FAZ liest, bekennt sich – und wer die taz liest auch. Der Bezug und der Konsum von Inhalten und Informationen war schon seit jeder immer nur ein Teilaspekt. In Zeiten des Medienüberflusses und Info-Overkills gewinnt der Aspekt des Bekenntnisses zu einer Community einen immer größeren Stellenwert. Sieht man mal davon ab, dass es auch der eigenen Orientierung und dem eigenen Weltbild ganz zuträglich sein kann, wenn sich unter halbwegs Gleichgesinnten bewegt.
Es war übrigens Mark Zuckerberg himself, der schon vor Jahren erkannt hatte Für alles und jeden da draußen gibt es eine Community. Und vermutlich ist es tatsächlich so: Je globalisierter und verwirrender diese Welt da draußen, umso größer wird das Bedürfnis nach Gemeinschaften. Dass es Facebook ist, das dieses Bedürfnis momentan immer noch größtenteils stillt, lässt neben etlichen anderen Schlüssen auch diesen zu: Es gibt zu wenige, die das tun. Von Medien und dem Thema Communitys hört man vergleichsweise wenig, sieht man von den selten Ausahmen wie beispielsweise der des Guardian ab.
Stattdessen beschränken sie sich häufig auf die Rolle des Zulieferers für Facebook – und beschweren sich dann genau darüber: Facebook profitiert vom guten Job, den teuer bezahlte Redaktionen leisten. Man versucht es dann mit Leistungssschutzrechten und anderem sinnlosen Kram, der zu nichts anderem gut ist, als bestenfalls aufzuzeigen, dass man sich strategisch seit Jahren auf einem Holzweg befindet. Kurz gesagt: In nicht ganz wenigen Häusern ist die Idee, möglichst viel von dieser neuen, digitalen Welt zu verhindern, um irgendwie das alte Geschäftsmodell hinüberzuretten. Umgekehrt würde eher ein Schuh daraus: Selbst aktiv zu werden, aus den eigenen Lesern und Nutzern eine Community zu machen. Eine, die eben nicht erst den Umweg über Facebook gehen muss, um sich auszutauschen. Eine, die so lebendig ist, dass man sich ihr gerne zugehörig und nicht als eher unwillkommenes Anhängsel fühlt.
Das schreibt sich leicht dahin, ich weiß. Aber es bleibt der einzige Weg. Die Machtverhältnisse in der digitalen Welt sind nämlich vorerst geklärt. Frag nach bei der VG Media.