Heute versuchen wir mal, drei Dinge in einen Text zu packen, die nichts miteinander zu tun haben. Apple. Die Wiesn. Und: Medien.
Fangen wir mit Apple an. Es gab mal Zeiten, da war das Magie. Nicht nur wegen der Auftritte von Steve Jobs. Sondern weil das meistens bescheiden als „one more thing“ angekündigte Teil irgendwas Atemberaubendes war. Dinge, von denen man ahnte, dass sie die (Technik-)Welt verändern werden. Dinge, die man so noch nie irgendwo gesehen hatte. Kein Wunder, dass da alle dabei sein wollten. Und kein Wunder, dass es irgendwie Event-Charakter bekam, wenn die neuen Zauberteile dann endlich zu kaufen waren.
Aus dem Event ist inzwischen ein Ritual geworden. Apple lädt ein, präsentiert die soundsovielte Weiterentwicklung eines bekannten Gerätes, das natürlich noch noch schneller, toller und großartiger ist. Danach stehen dann alle vor den Stores Schlange. Diese Woche ist es sogar zu einer Nachricht geworden, dass der erste iPhone6-Käufer in Australien sein Handy sofort nach Verlassen des Stores fallen gelassen hat. Handy und Käufer sind aber angeblich beide wohlauf.
Magisch ist das alles nicht mehr. Rituale sind selten Magie.
Aber wie das bei Ritualen eben so ist: Da wollen alle dabei sein, weil sonst auch immer alle dabei sind. Zumal Medien dabei ja auch noch eine Rolle spielen. Wenn man wochenlang damit bombardiert wird, dass man das Ereignis XY unbedingt sehen müsse, dann glaubt man das Ende womöglich noch sogar. Wer das wiederum nicht glaubt, der muss nur mal die kommenden zweieinhalb Wochen nach München schauen. Da stehen jetzt jeden Tag schon morgens um 9 Uhr zigtausende Menschen Schlange an stinknormalen Bierzelten, um dort einen Platz zu bekommen und dann für einen Liter Bier 10 Euro zu bezahlen. Das hat sicher eine Menge Gründe; einer davon dürfte es sein, dass es mindestens der Himmel der Bayern ist, der einen da erwartet – zumindest dann, wenn man das Bohei betrachtet, das in Medien um das größte Volksfest der Welt gemacht wird. Schon interessant jedenfalls, was Menschen so alles machen, weil sie glauben, dass sie es machen müssen. Mit Magie hat allerdings auch das Oktoberfest ungefähr gar nichts zu tun.
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Kommen wir damit endlich zu Medien und Journalismus. Es gab Zeiten, da fand ich es magisch, was in den letzten Jahren passiert ist. Veränderung und Aufbruch, vielleicht nicht überall, aber an vielen Stellen. Es waren ziemlich großartige Zeiten für alle, die etwas bewegen wollten. Für diejenigen, die es überhaupt nicht schlimm finden, wenn etwas nach dem trial-and-error-Prinzip passiert. Und für alle, die eine Ahnung davon hatten, dass Medien nicht einfach so weitermachen können wie bisher; selbst wenn man selber keine wirkliche Ahnung davon hatte, wie eine Alternative aussehen müsste.
Man konnte das auch sehen. An ganz konkreten Projekten. Vor Jahresfrist beispielsweise dachte ich mir, wow, Dominik Wichmann und Anita Zielina beim „Stern“, das kann spannend werden. Der „Spiegel“ hatte mit Wolfgang Büchner einen geholt, von dem man sich sicher sein durfte, dass er den Laden mal eben umkrempeln wollen würde. Sogar beim nicht gerade für seine Experimentierfreude berühmten BR experimentierte man mit der „Rundshow“ rum. Der neue Intendant Ulrich Wilhelm kündigte den großen trimedialen Umbruch an, weswegen es seither für Intendanten als mindestens angesagt gilt, irgendwas von trimedialen Umbrüchen anzukündigen. Bei CondeNast gab es „Wired“, in der FAZ traute sich Frank Schirrmacher Dinge, die sich außer ihm vermutlich kaum jemand getraut hätte.
Herbst 2014 – und alles ist anders. Keine Spur mehr von Magie. Unsere Branche ist dem ritualisierten Apple und der langweiligen Wiesn immer ähnlicher geworden, nur in schlechter. Wichmann wurde beim „Stern“ unsanft gefeuert, Zielina ist ebenfalls weg. Es übernimmt: eine Gang aus ehemaligen Gala-Bravo-Bild-Stern-Leuten. Beim „Spiegel“ ist es mittlerweile völlig Wurscht, was bei dem Machtkampf rauskommt; es sind beide Seiten so beschädigt, dass niemand mehr ohne Gesichtsverlust aus der Nummer rauskommt. Die „Rundshow“ ist tot – und es ist keine gewagte Prognose, wenn man behauptet, dass bei den Öffentlich-rechtlichen auch weiter der Apparat stärker ist als jede Einzelperson. Vom Reformschwung des Herrn Wilhelm jedenfalls hat man jedenfalls schon länger nichts mehr gehört. Gut möglich, dass auch er den Kampf gegen das System schon verloren hat. „Wired“ startet demnächst mal wieder einen Neustart, diesmal in Berlin. Und bei der FAZ bauen sie gerade im großen Stil Stellen ab.
Täuscht der Eindruck – oder sind die guten Zeiten für digital und innovativ denkende Köpfe gerade wieder etwas schlechter geworden? Beim „Stern“ beispielsweise ist die Entscheidung für das neue Chefredaktionsteam auch eine Systementscheidung. Pro alte Stern-DNA, gegen sanfte und manchmal auch gar nicht mal so sanfte Erneuerung. Beim „Focus“ haben sie mit Ulrich Reitz jemanden geholt, der für alles mögliche steht, aber nicht für (digitale) Erneuerung. Und dass der Machtkampf beim „Spiegel“ sich nicht nur um die Person Büchner dreht, ist inzwischen auch überdeutlich. Und auch bei Sendern wie dem BR geht es ja bei Projekten wie der „Rundshow“ nicht einfach nur um ein paar Experimente. Sondern auch um die Grundsatzfrage: Wie viel lineares Fernsehen dürfen wir noch sein? Zumindest im BR ist die Frage fürs Erste beantwortet. Momentan sieht man aber auch bei den anderen Sendern keine aufregenden. Das Programm ist immer noch 80-er-Jahre-TV, es sieht nur vermeintlich besser und neuer aus.
Es hat in den letzten Jahren immer einen place to be gegeben. Und jetzt? 2014 startet Buzzfeed in Deutschland, wo man dann vielleicht lieber doch nicht arbeiten will. Seit einem Jahr gibt es die „Huffington Post“, der man das Verdienst zubilligen muss, belegt zu haben, dass es immer noch ein bisschen schlimmer geht als „Focus online“. Vergangene Woche verblüffte die HuffPo mit 17 krassen Fakten über München, die man (Eigenwerbung) beinahe alle nicht kenne. Nach dem Lesen war ich geneigt, die Geschichte umzutiteln: Fakten über München, die man deswegen nicht kennt, weil sie kein Mensch braucht. Das schwer gehypte Ding HuffPo hat sich nach einem Jahr als die überflüssigste Neueinführung auf dem Markt erwiesen. Das ganze Wortgeklingel vorher von den neuen Formen des Journalismus, der Partizipation, des Dialogs – alles Unsinn. Belangloser und langweiliger geht es nicht.
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Gestatten Sie mir deshalb an dieser Stelle eine ganz persönliche und laute Wehklage: Ich würde so gerne mal wieder etwas Spannendes sehen und dabei mitmachen. Gerne etwas, was nicht als der große Bingbang angekündigt wird, um dann als Knallfröschlein zu enden. Wo sind eigentlich die ganzen Rundshows, die Wireds hin? Warum ist die Branche gerade so öde wie das neue iPhone 6? Warum traut sich keiner mehr was und warum sind die meisten Anfragen, die ich in diesem Jahr auf dem Schreibtisch habe, eher so, dass sie mich wenig mitreißen? Und warum besteht diese Branche aktuell eigentlich nur noch aus streichen, kürzen, sparen, schließen?
Hat das alte System vielleicht doch gewonnen?
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