Wie ich einmal ein Buch schrieb…

Wir Journalisten mögen ja den gepflegten Verriss. Oder wir ignorieren Dinge einfach: Bücher, Filme, Musik. Wie aber ist es, wenn man mal die Seiten wechselt und selbst ignoriert oder verrissen wird? Ein kleiner Selbsterfahrungsbericht.

Man muss ein ganz schöner Idealist sein, um Bücher zu schreiben, so viel steht mal fest. Man sollte in gar keinem Fall Bücher schreiben, weil man mit ihnen richtig Geld verdienen will. Und schon gar nicht, weil man berühmt werden oder mal irgendwo in Charts weit oben stehen will. Umgekehrt gilt also: Man sollte sie schreiben, wenn das Schreiben so etwas wie ein Vergnügen ist, wenn man ein bisschen Zeit und Laune übrig hat und wenn es ein Thema gibt, das man unbedingt mal beackern möchte. Angesichts von rund 70.000 Büchern, die jedes Jahr erscheinen, kann man sich zweierlei leicht ausrechnen. Zum einen, wie viele Themen es gibt, über die man sich seine Gedanken machen kann. Und zum anderen, wie groß die Chance ist, dass unter diesen 70.000 ausgerechnet das Eigene zum Megaseller wird.

Ich hatte also etwas Zeit übrig, zudem ein Thema, das ich gerne abarbeiten wollte. Und ich hatte, vielleicht das Wichtigste, keinerlei Illusionen, als ich mich irgendwann mal im vergangenen Winter hingesetzt und mit dem Manuskript für „Der 40jährige, der aus dem Golf stieg und verschwand“ angefangen habe. Eigentlich wollte ich nur eines: Ein paar halbwegs unterhaltsame Seiten über das Leben zwischen 40 und 50 schreiben. Ich habe weder über mögliche Zielgruppen nachgedacht noch über Vermarktungsstrategien. Ich wollte es aus purer Bequemlichkeit nicht selber verlegen und mich auch nicht um Vertrieb und andere klassische verlegerische Tätigkeiten kümmern müssen. Ich wollte – im Gegensatz zu „Universalcode“ – einfach nur ein Buch schreiben und ich wollte, dass es veröffentlicht wird. Von einem Verlag. Im Nachhinein würde ich sagen: Wenn man als völlig unbekannter Autor an den Start geht, sind das die allerbesten Voraussetzungen. Und, ach ja: Es schadet nicht, wenn man ansonsten einen Job hat, von dem man leben kann.

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Offen gestanden hatte ich unverschämtes Glück. Weil ich nicht lange nach einem Verlag suchen musste, nicht auf Eigen-PR-Tour gehen und nicht endlos lange Exposés verschicken musste. Stattdessen meldete sich Florian Sonneck bei mir, weil  ihm die Idee und das Thema gefielen. Das hat sich als doppelter Glücksfall erwiesen, weil er nicht nur das Thema mochte, sondern er mich auch einfach hat schreiben lassen. Ich habe während des Schreibens immer wieder mal unfertige Versionen an ihn geschickt, zurück kam immer nur irgendetwas Ermutigendes. Aber kein einziger Versuch, in das Buch einzugreifen. Stattdessen hat er alles Störende von mir fern gehalten und ich musste einfach nur schreiben. Nach all den Jahren in der Digitalisierung, in denen ich zunehmend mehr lernen musste, alles können und tun zu müssen, war dieses back to the roots unglaublich angenehm. Einfach nur schreiben. Sonst nix. Was zwischenzeitlich sogar mal zu dem halb-philosophischen Gedanken geführt hat, ob es nicht auch dem Journalismus ganz gut täte, wenn sich Journalisten einfach nur auf ihren Job konzentrieren könnten. Aber das nur nebenbei.

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Ja, die Journalisten. Natürlich sind sie es, die ganz maßgeblich mit darüber entscheiden, ob ein Buch dann ein Erfolg wird oder in der Masse der jährlichen 70.000 untergeht. Natürlich wusste ich das theoretisch schon vorher, als Journalist habe ich das schließlich oft genug gemacht: ein Rezensionsexemplar auf den Tisch bekommen und dann entschieden, was damit passiert. Loben, kritisieren oder (zumindest aus Autorensicht am schlimmsten) ignorieren. Ich weiß nicht, wie viele Bücher und andere Kulturgüter in meinem Leben gar nicht oder nur wenig gelesen/gehört wieder sonstwo verschwunden sind. Oder die man weiter verschenkt hat oder beim Ausräumen eines Büros einfach dem redaktionsinternen Flohmarkt zur Verfügung gestellt hat.

Insofern war es interessant, einmal die Seiten zu wechseln. Das Insider-Wissen um die mögliche Anschlussverwertung meiner Rezensionsexemplare hatte übrigens durchaus etwas Tröstliches: Wenn sie dann am Ende am Flohmarkt oder bei Ebay landen, ist das immer noch ein schöneres Schicksal als ungelesen im Papierkorb.

Trotzdem, falls Sie selbst mal ein Buch schreiben wollen, machen Sie sich keine Illusionen: Rezensionsexemplare werden gerne und vielfach angefordert. Das heißt aber mal noch so ungefähr gar nichts. Rezensionsexemplare habe ich vom „40jährigen“ in ganz erstaunlichen Mengen verschickt, eines sogar auf deren Anforderung an die Freunde von „Bayern 3“. Man schafft es aber dann nur im aller seltensten Fall in irgendwelche Besprechungen oder auch nur Randnotizen. Man darf also kein allzu sensibles Gemüt haben, wenn man sich auf das Spiel mit dem Kollegen einlässt. Und es schadet nicht, ich wiederhole mich, wenn man ein solches Projekt eines eigenen Buchs mit genau null Erwartungen beginnt. Alles andere würde zum Dauerfrust führen.

Dass „Der 40jährige“ bisher ganz ordentlich funktioniert hat, hat allerdings andere Gründe, als dass ich bisher in den Genus allzu überschwänglicher Rezensionen gekommen wäre (über die, die es gab, hab ich mich natürlich trotzdem gefreut wie Bolle, das gebe ich gerne zu). Zwischenzeitlich landete er bei „Amazon“ mal unter den 10.000 meist verkauften Büchern. Das ist natürlich weit entfernt von einem Bestseller. Aber angesichts dessen, dass es genau null Marketing, null Werbung und auch nicht die Infrastruktur eines großen Verlags gab, fand und finde ich das schon ganz erfreulich. Obwohl sich natürlich zwischendrin mal der Gedanke eingeschlichen hat, wie das wohl wäre, wenn man es mal als Rezension in ein paar Medien schaffen würde. Auf der anderen Seite, 70.000 Bücher pro Jahr, Sie wissen schon…

Zumal ich inzwischen, nach viele Gesprächen und Lektüre, auch begriffen habe, wie der Büchermarkt funktioniert, zumindest in Deutschland (ich meine damit ausdrücklich nicht das Selfpublishing, das sind ganz andere Regeln). Um ein Buch wirklich erfolgreich zu machen, brauchen Sie einen Namen. Wenn Sie den nicht haben, wird es schwierig. Man müsste dann schon einen lucky punch landen. Eines dieser Bücher, die irgendwie oben landen. Weil sie einen Zeitgeist treffen oder aus anderen und manchmal völlig unerfindlichen Gründen gerne gelesen werden. So etwas kann man allerdings nicht wirklich planen. Es passiert – oder eben (in den meisten Fällen) nicht. Ansonsten ist das Geschäft mit den Büchern ein ziemlich enges: Die meisten Menschen kaufen Bücher, weil sie andere auch kaufen. Wer einmal in irgendwelche Listen oder prominent platziert in den Regalen von Buchhandlungen auftaucht, hat es geschafft. Alle anderen kämpfen um einen sehr, sehr überschaubaren Teil der Leserschaft. Führt man sich vor Augen, dass die meisten Romane in Deutschland durchschnittlich gerade mal ein paar tausend Mal verkauft werden, dann bekommt man eine Ahnung, dass Autor zu sein nur in sehr wenigen Fällen eine wirklich lukrative Geschichte ist.

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Im Zeitalter der digitalen Transparenz legen Menschen inzwischen ja auch gerne mal offen, was sie mit ihren Projekten so verdienen. Im Fall des 40jährigen kann ich Ihnen eine ebenso simple wie kurze Antwort auf diese Frage geben: nicht der Rede wert. Weder in absoluten Zahlen und schon gleich gar nicht gemessen an der Zeit, die man in ein solches Buch investiert. Ein wie auch immer gearteter Stundenlohn würde sich im Nano-Bereich bewegen. Trotzdem: Das Gefühl, wenn man sein eigenes Buch in der Hand hält, ist ein unbezahlbares. Weil es die schönste Belohnung für viele Frustphasen ist, die man beim Schreiben dann eben auch hat. Es gibt gar nicht mal so wenige Tage, an denen einem nichts Brauchbares einfällt. Es gibt die Momente, in denen man über bereits Geschriebenes hinweg liest und plötzlich feststellt, dass es gar nicht so großartig ist, wie man bisher glaubte. Es dauert lange, bis es lektoriert und korrigiert ist und man glaubt gar nicht, wie viele Fehler und Unebenheiten man dann trotzdem noch entdeckt. Sogar im veröffentlichten Buch. Deswegen der gute Rat am Rande: Lesen Sie ihr eigenes Buch nach dem Veröffentlichen erst mal nicht, das erspart eine ganze Menge an Frust und Ärger. Da tröstet nicht mal die Aussicht, dass es am Ende ja dann doch nicht so rasend viele Menschen sind, die es jemals lesen werden. Wenn man so viel Zeit und Energie in ein Projekt steckt, dann ärgert man sich über jeden Fehler.

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Apropos Zeit und Energie: Ich komme nur noch selten in die Verlegenheit, irgend etwas rezensieren zu müssen. Ich bin mir aber, nachdem ich für den 40jährigen mal die Seiten und die Perspektiven gewechselt habe, gar nicht mehr sicher, ob ich für einen solchen Job noch geeignet wäre. Vermutlich wüsste ich inzwischen  zuviel über die Arbeit, die hinter einem lang angelegten kreativen Projekt steckt, als dass ich es mal nebenher verreissen könnte.  Dabei, das wissen wir ja alle, ist ein locker geschriebener Verriss eine hübsche Sache, vor allem, wenn man ihn selber schreibt. Inzwischen kann ich jeden Autoren oder Musiker verstehen, der sagt, er lese nicht, was Journalisten über ihn schreiben. Obwohl mir das Schicksal eines Verrisses bisher erspart geblieben ist, kann ich mir vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn jemand das Ergebnis meiner monatelangen Arbeit auf 80 Zeilen als völligen Blödsinn abtun würde. Selbst, wenn er im Kern seiner Kritik vielleicht sogar recht hätte.

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Viel Arbeit, wenig bis gar kein Lohn und dazu womöglich auch noch hämische Kritiken von Journalisten – warum tut man sich es an, Bücher zu schreiben, angesichts dieser herrlichen und leider gar nicht mal so unrealistischen Aussichten? Ich habe keine wirklich gute Antwort auf diese Frage. Außer dieser einen: Ich glaube dass man speziell in kreativen Berufen (dazu gehört für mich im Übrigen auch immer noch und trotz alledem der Journalismus) Dinge nur dann gut machen kann, wenn man sich für sie begeistert, wenn man sie gerne und mit Leidenschaft macht. Ja, ich weiß, davon alleine kann man schlecht leben. Trotzdem: Wie trostlos ist eigentlich die Vorstellung, Dinge nur zu tun, weil man womöglich davon leben kann? Ich will kein armer Poet in der Tonne werden, aber einen Brotjob zum Geldverdienen alleine möchte ich auch nicht machen.

Und deswegen: schreibe ich gerade am Manuskript für das nächste Buch. Ob es jemals jemand lesen wird? Das weiß ich doch heute noch nicht.

Und ganz ehrlich: Eigentlich ist es mir auch egal. Beinahe zumindest.

Mehr demnächst.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Thomas "Metal" Moser

    Servus,
    ich bin einer der 69999 anderen. Ich wollte nur anmerken dass alles, was hier steht, zu 100% stimmt. Und um dich vorzuwarnen: meinen zweiten Schmöker haben noch weniger gelesen, nachdem sie festgestellt haben, dass das erste Buch ganz okay war :):) Gruß, Thomas

  2. cjakubetz

    Das ist ja mal ne tolle Perspektive für Buch Nummer 2 😉

  3. DL2MCD

    @Thomas Metal Moser: über was ging das Buch? Heavy Metal oder was anderes?

    @cjakubetz: Ja, alles nur zu wahr. Leider wird einem im Verlagswesen allerdings der Spaß am Schreiben meist auch noch vermiest (nicht ohne Grund hast Du betont, daß es bei Dir besser war). Und dann ist es vorbei mit dem Wunsch, zu schreiben.

  4. cjakubetz

    Stimmt. Wenn ich mir vorstelle, dass mich bei dieser Geschichte (m)ein Verlag auch noch gequält hätte, wäre das nichts geworden mit dem Buch.

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