Vorweg: Lesen Sie diesen Text nur, wenn Sie gute Nerven haben. Lesen Sie ihn nicht, wenn Sie möglicherweise Freiberufler werden wollen und romantische Vorstellungen von dieser Form des Arbeitens haben. Und lesen Sie ihn vor allem dann nicht, wenn Sie diese Vorstellungen auch noch auf den Zustand unserer Medienbranche ausweiten.
Es soll ja keiner sagen, die Branche reagiere nicht auf die paar läppischen Veränderungen, denen sie sich ausgesetzt sieht. Im Gegenteil: Nirgendwo wird so viel fort-, weiter- und umgebildet wie in dem Medien. Es gibt ganze Unternehmungen, die sich irgendwas mit Innovation in den Namen schreiben, es gibt selbstredend englische Institutsnamen und auch solche, die sich mal eben „Lernen mit den Besten“ zum Claim des eigenen Programms machen. Es werden ganze Think Tanks aus der Taufe gehoben, deren Arbeit mit Konferenzbänden in Buchform dokumentiert wird. Es wird gecampt, geworkshopt, geconferenced, dass es eine wahre Freude ist. Man darf also davon ausgehen, dass die Medienbranche die weitergebildeste Branche auf dem ganzen Planeten ist und dass es nur einen zukunftsträchtigen Beruf geben kann: Dozent in der Weiter- und Ausbildungsbranche bei den Medien. Und man wundert sich, wieso man trotz dieses umfangreichen Angebots immer wieder mal noch auf vereinzelte Menschen stösst, die diese Sache mit dem „alles neu“ noch nicht so richtig verstanden haben. Aber womöglich legt sich die Verwunderung wieder, wenn man einen kleinen Blick hinter die Kulissen wirft. Wenn man dann plötzlich feststellt, dass es ausreichend Veranstalter gibt, denen man gerne ein paar Fortbildungen verpassen würde. Sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Drei kleine Geschichten aus dem wahren Leben, von denen ich nach etlichen Gesprächen mit Kollegen leider etwas weiß, was schon der gute alte Eduard Zimmermann in „Aktenzeichen XY“ wusste: Und das ist leider kein Einzelfall.
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Man freut sich ja immer, wenn man ein bisschen was vom Glanz eines Claims abbekommt. In diesem Fall lautete er „Lernen mit den Besten“ und natürlich war ich wahnsinnig stolz, zu diesen vermeintlich Besten zu gehören. Also nahm ich einiges in Kauf, eine etwas holprige Vorbereitung, ein eher bescheidenes Briefing auf die eigentliche Veranstaltung. Und sogar die Tatsache, dass ich selbst knapp drei Wochen vor Beginn weder etwas über meine Anreise noch über meine Unterbringung noch über die Zahl und das Vorwissen der zu erwartenden Teilnehmer wusste. Vor allem letzteres ist ziemlich unangenehm. Weil sowas durchaus öfter vorkommt (dazu später noch mehr) und man dann wie ein Depp vor den Teilnehmern steht, weil man ihnen wahlweise viel zu viel abverlangt oder sie komplett unterfordert. Der Depp ist man trotzdem und man wünscht sich in solchen Momenten kaum etwas mehr als einen Veranstalter, der zu einem halbwegs ordentlichen Briefing in der Lage ist. Weil ich leider im Tiefsten meines Herzens ein ausgesprochen höflicher und von Eltern und Schule bestens erzogener Mensch bin, habe ich nachgefragt. Ob man mir denn sagen könne, wie ich anreise, wo ich untergebracht bin und wer so in etwa meine Teilnehmer sind. Die Antwort kam dann auch schon prompt nach gerade mal zwei Erinnerungen. Erstens habe man sich über die Anreise noch nicht so richtige Gedanken gemacht, zweitens auch nicht über die Teilnehmer als solche und drittens stellte man fest, dass es so rasend viele Teilnehmer wohl auch nicht werden. Deswegen sage man meinen Workshop ab, biete mir aber freundlicherweise einen halben Tagessatz als Ausfallhonorar an.
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Das scheint ja überhaupt so ein Grundproblem zu sein, sich vorher über solche Banalitäten wie Teilnehmer und deren Vorkenntnisse ein paar Gedanken zu machen. Es ist mir beispielsweise auch schon passiert, dass ich in einem vierwöchigen Camp etwas entwickeln sollte, was irre innovativ und am besten schon sendefähig fürs TV ist. Das ist natürlich auf vier Wochen schon ein ziemlich ambitioniertes Ziel, aber gut, mit den richtigen Leuten vielleicht sogar irgendwie hinzukriegen. Insofern war ich sehr gespannt auf die Ausschreibung und auf die Leute. Blöd nur, dass die Ausschreibung erst wenige Wochen vor der Veranstaltung losging. Am Ende saß ich da mit ein paar Teilnehmern, von denen zwei keinerlei redaktionell-journalistische Erfahrung hatten und die allermeisten eher am Anfang standen. Zwei oder drei waren in etwa so, dass man tatsächlich so ein ambitioniertes Vorhaben hätte starten könne. Am Ende der Veranstaltung gab es dann auch irgendein Ergebnis, aber ganz sicher keines, das man als innovativ oder womöglich sogar sendefähig bezeichnen hätte können. Sie dürfen raten, wer am Ende mehr oder weniger als Knalltüte dastand.
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Ziemlich knalltütig kam ich mir auch vor, als mich eine Fachhochschule im Osten Deutschlands bat, an der Entwicklung eines Kongresses teilzunehmen. Immerhin durfte ich dafür nicht nur eine Keynote sprechen, sondern mich auch Chairman nennen. Ein keynotespeaking chairman wollte ich schon immer mal sein, weswegen ich alle gebotene Vorsicht über Bord warf und zusagte. In den folgenden Monaten entwickelte ich dann fleißig mit, arbeitete an einem Text für den später geplanten Konferenzband (läppische 25 Seiten), tüftelte an meiner Keynote und buchte meine Reise. Eineinhalb Wochen vorher fiel dem Veranstalter ein, dass die Resonanz auf die Veranstaltung etwas müde sei und man deswegen das Programm etwas reduzieren müsse. Dem fielen auch meine Keynote und mein Workshop zum Opfer – aber immerhin bot man mir an, meinen Text im Konferenzband dennoch veröffentlichen könne. Völlig kostenfrei für mich! Ist das nicht nett und großzügig? Ausfallhonorar und Kostenerstattung für die Anreise gab´s leider aber auch nicht.
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Möglicherweise also könnte es passieren, dass ich Ihnen, falls sie mich anfragen, solche Dinge wie Ausfallhonorare etc. explizit in den Vertrag schreibe. Und noch ein paar andere Dinge, die erst einmal potenziell unfreundlich klingen. Ist nicht so gemeint, glauben Sie mir. Aber weil man selbst im hohen Alter nie auslernt, schließe ich nichts mehr aus.
Nicht mal, dass die ohnehin etwas verfallenen Sitten in unserer Branche noch mehr verkommen.
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