In Aachen hat in den vergangenen Tagen Center.tv dichtgemacht. Nach der Insolvenz im Ruhrgebiet und der Schließung in Bremen in von der einstigen Idee des „Heimatfernsehens“ nicht mehr viel übrig geblieben. Genauer gesagt: nur noch die beiden Standorte, die es auch schon zum Start gab, nämlich Köln und Düsseldorf. Dort leben die beiden Sender vor allem deswegen weiter, weil sie schon lange von den jeweiligen lokalen Platzhirschen geschluckt worden sind. Man lehnt sich also nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man feststellt: Ohne einen halbwegs finanzkräftigen Konzern oder ein paar nicht mal sonderlich getarnte Subventionen (das Modell Bayern) im Rücken, lässt sich lokales Fernsehen nicht machen.
In Düsseldorf, weil wir gerade im Rheinland sind, hat jetzt die „Westdeutsche Zeitung“ mehr oder weniger ihren Status als vollwertige Zeitung aufgegeben. In Köln werden gerade Lokalredaktionen von MDS und Heinen-Verlag zusammengelegt, in München steht die „Abendzeitung“ kurz vor dem Aus. Man versucht in Köln zwar gerade, die Zusammenlegung irgendwie als Stärkung der publizistischen Irgendwas zu verbrämen, aber auch in diesem Fall lehnt man sich nicht weit aus dem Fenster, wenn man feststellt: Lokaler Journalismus lässt sich auch auf gedrucktem Papier nicht mehr so ganz einfach finanzieren.
In Heddesheim wiederum ist der Journalist Hardy Prothmann ansässig, der seit einigen Jahren gerne als ein Alternativ-Modell für den Lokaljournalismus durch die Republik gereicht wird (ebenso wie beispielsweise auch der Regensburger Stefan Aigner). Beide fahren das glatte Gegenmodell zum Lokaljoirnalismus bekannter Prägung, ganz egal, ob gedruckt oder gesendet: Die Publikations-Plattform ist das Netz, die Strukturen sind entsprechend klein und schlank. Und inhaltlich nehmen weder Prothmann noch Aigner ein Blatt vor den Mund. Im Gegenteil: Beide mögen ganz besonders die Geschichten, die in den großen Medien vor Ort wenig bis gar nicht auftauchen. In Heddesheim hat Prothmann sein „Heddesheimblog“ jetzt vorerst auf Eis gelegt, in Regensburg spricht Aigner immer wieder davon, dass sein „Regensburg digital“ ein Projekt ist, bei dem eine gewisse Bereitschaft zur Selbstausbeutung unabdingbar ist. Es ist also auch bei der Spezies der hyperlokalen und digitalen Publikationen nicht sehr gewagt, wenn man behauptet: schwierig, das alles zu finanzieren.
Kann es also sein, dass wir es nicht (nur) mit einer Zeitungskrise zu tun haben, sondern mit einem handfesten Problem des Lokalen? Dass man zwar weiterhin an jeder Uni, an jeder Journalistenschule und in jedem Volontariat zu hören bekommt, wie wahnsinnig wichtig dieses Lokale sei, gleichzeitig aber zunehmend seine ökonomische Basis zunehmend verschwindet?
Tatsächlich gibt es keine Mediengattung, bei der Anspruch, Wahrnehmung und Wirklichkeit so weit auseinander klaffen wie im Lokalen. Niemand käme theoretisch auf die Idee, Lokaljournalismus für überflüssig erklären zu wollen. Es existiert auch keine einzige Theorie, die erklären würde, dass sich Menschen nicht für das am meisten interessieren, was sie unmittelbar betrifft. Allerdings: Es gibt auch nichts im Journalismus, zu dem Menschen ein ambivalenteres Verhältnis haben. Nichts ist so widersprüchlich wie die Haltung zum Lokalen. Natürlich wünscht man sich eine kritische Grundhaltung und natürlich sollen Journalisten auch in der kleinsten Lokalredaktion noch den Finger in die Wunde legen. Theoretisch zumindest. Wer es in der Praxis tut, der wird dann gerne mal nicht als Aufklärer gefeiert, sondern als Nestbeschmutzer beschimpft. Ich vermute, dass Hardy Prothmann und Stefan Aigner ein Lied davon singen können. Wer umgekehrt Heile-Welt-Journalismus betreibt, muss zwar keinerlei Ärger fürchten. Er darf aber auch nicht erwarten, dass man ihm mit besonders viel Respekt für seine Tätigkeit entgegenkommt. Oder ihn womöglich sogar noch ernst nimmt. Es gibt vermutlich nur sehr wenige Lokaljournalisten, die man nicht schon mal mit milde-abschätzigen Begriffen belegt hat.
Beides ist fatal, was die ökonomische Zukunft des Lokalen angeht – und da spielt es kaum eine Rolle, ob wir jetzt von gedruckten oder gesendeten oder digitale Ausprägungen reden. Weder will man Geld ausgeben für bessere Dorfchronisten noch für Menschen, die man als Nestbeschmutzer empfindet. Die bisherige Finanzierung des Lokalen hat viel mit der schlichten Notwendigkeit zu tun. Wenn es kein anderes Angebot gibt, das über die Geschehnisse auf allerkleinstem Raum informiert (und Todesanzeigen und Prospekte liefert), dann zahlt man hat für das eine, das es gibt. Begeisterungsstürme der Nutzer und – das vor allem – bei den potentiellen Werbekunden darf man dafür allerdings nicht erwarten.
Und was, wenn sich irgendwann demnächst herausstellt, dass eine junge Generation, die in einer global-digitalen Welt aufgewachsen ist, mit dem Heimatbegriff unserer Tage gar nicht mehr viel anfangen kann? Der Sicherheit , dass man lokalen und hyperlokalen Journalismus immer brauchen wird, sollte man sich jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt hingeben.
Lieber Christian,
meinen Glückwunsch. Ein wirklich guter, nachdenkenswerter Post. Ich teile Deine Einschätzung (für mich ist es eine Sorge), zumal es sehr schwer ist, den richtigen Weg zwischen Nestbeschmutzer- und Heile Welt-Journalismus zu finden. Auch unser Weg in Bayreuth, bedingungslos auf Qualität zu setzen, ist ökonomisch betrachtet bislang nicht seligmachend. Mal sehen, wie es sich auf Dauer auswirkt.
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Das Problem ist sicher sehr treffend beschrieben. Die Begründung für das zurückgehende Interesse am Lokalen kann ich nur eingeschränkt teilen. Die Spannung zwischen Kritik und Nähe hat es im Lokaljournalismus schon immer gegeben. Allerdings ist aus meiner Sicht nicht erklärt, warum lokale Angebote, egal welcher Art, sich gerade jetzt auf einmal nicht mehr zu tragen scheinen. Die im vorletzten Absatz genannte „schlichte Notwendigkeit“ alter Zeiten besteht heute doch fort. Denn wenn weder die Lokalzeitung noch lokale Blogs eine vernünftige Nutzerbasis finden, dann gibt es die Alternativangebote eben nicht. Und Anzeigenblätter gibt es schließlich schon länger. Ich glaube eher, dass der Schlüssel des Problem im letzten Absatz sehr gut getroffen ist: Das Heimatgefühl löst sich auf, was meiner Meinung nach aber nur zu einem geringen Anteil mit der global-digitalen Welt zu tun hat. Einige mögliche Erklärungen habe ich bereits vor ein paar Jahren herauszuarbeiten versucht.
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