Darf ein Journalist, der aus und über Russland berichtet, gleichzeitig auch für ein Magazin schreiben, das vom Kreml finanziert wird? Oder aber, einfacher gesagt: Darf ein Journalist eine wie auch immer verklausulierte PR machen? Nein, haben die Kollegen von „Zeit Online“ gesagt – und deshalb einen freien Autoren aus dem Team genommen. Auch die grundsätzliche Frage nach Journalisten, die PR-Verdächtiges machen, wird im Regelfall mit „nein“ beantwortet. Weil es eben zwei Dinge sind, die nicht zusammengehören: Journalismus auf der einen, PR auf der anderen Seite. Wer diese von Haus unterschiedlichen Interessen miteinander verquickt, kommt in einen kaum aufzulösenden Interessenkonflikt.
So weit, so gut, so richtig. Und trotzdem bleibt ein schales Gefühl zurück. Weil es zwar wohlfeil ist, von Journalisten die Einhaltung von Spielregeln zu verlangen, gleichzeitig aber der Markt gerade für freie Journalisten einer ist, den man sich erst mal leisten können muss. Wer nicht gerade zu den Bekannteren der Branche gehört, kann sich auch bei größeren und bekannteren Unternehmen nur dann über Wasser halten, wenn er wirklich gut ist. Und eine Redaktion als Abnehmer hat, die es gut mit ihm meint.
Ein paar einfache Beispiele: Bei „Zeit Online“ hat der betreffende Kollege für einen Text über 5000 Zeichen 150 Euro bekommen. Das ist, gerade bei Onlinemedien, kein schlechtes Honorar, es dürfte bei Webseiten dieser Größenordnung in etwa im Durchschnitt liegen. Nachdem jeder anders arbeitet und auch jedes Thema anders ist, ist es schlechterdings unmöglich, daraus einen Stundensatz abzuleiten. Wenn man aber weiß, dass ein guter Text Recherche und/oder Ortstermine voraussetzt und 5000+ Zeichen ja auch erstmal geschrieben werden wollen, kommt man zumindest schnell darauf, dass zum einen der Stundensatz nicht weltbewegend sein wird. Und dass man zum anderen nicht allzu viele solcher Texte pro Tag produzieren kann.
Setzt man also voraus, dass jemand einmal am Tag ein solches Stück nicht nur verfasst, sondern es tatsächlich auch unterbringt und dass er dann dafür tatsächlich 150 Euro bekommt (es gibt Redaktionen, die für einen solchen Text erheblich weniger bezahlen), dann ergibt sich folgende Rechnung: bei rund 20 Arbeitstagen im Monat 3000,- Euro. Brutto. Ja, davon kann man leben, aber sobald man in einer Großstadt wie Hamburg oder München lebt und wenn man dann womöglich noch eine kleine Familie durchbringen muss, dann wird es eng, sehr eng. Und man ahnt: Jeden Tag ein solches Stück produzieren und es verkauft kriegen, ist jetzt nicht gerade eine sehr optimistische Annahme.
Dabei sind diese 3000,- Euro nicht mal sonderlich optimistisch. Im Gegenteil: Statistisch gesehen liegt man damit noch über dem Schnitt, der meistens mit rund 2200,- Euro monatlich angegeben wird. „Arm, aber verblüffend glücklich“, titelte „Spiegel Online“ zum Thema. Der Deutsche Journalistenverband ist bei einer Umfrage 2013 auf eine noch dramatischere Zahl gekommen: Demnach verdienen freie Journalisten und Fotografen in Deutschland im Monat gerade mal 1600,- Euro.
Und dann kommen ja auch noch andere Dinge hinzu, solche, die in Umfragen meistens gar nicht abgefragt werden. Dass freie Journalisten nach Rechnungsstellung auch halbwegs zügig an ihr Geld kommen, ist auch nach meiner eigenen Erfahrungen eher die Ausnahme denn die Regel. Vier bis sechs Wochen bis zur Überweisung sind gar nicht mal so selten, es kann auch mal länger dauern. Was womöglich auch mit der Tatsache zu tun hat, dass Texte offenkundig etwas sind, was selbst in den Augen der Branche erheblich an Wert verloren hat. Kommende Woche beispielsweise hätte ich auf einer Crossmedia-Konferenz in Magdeburg sprechen sollen. Teile der Veranstaltung, darunter meiner, sind sehr kurzfristig abgesagt worden.
Als „Trost“ bot man mir an, einen Text, den ich für den Konferenzband geschrieben hatte (deutlich über 10.000 Zeichen) „trotzdem“ dort aufzunehmen. Kann man sich nicht ausdenken, sowas: Man schreibt ohnehin kostenlos einen Text für ein Buch – und darf es als „Trost“ werten, wenn der kostenlose Text abgedruckt wird. Das ist dieselbe elende Argumentation, wie sie auch die „Huffington Post“ und andere betreiben: Ist doch tolle Werbung für Sie, wenn Sie bei uns publizieren dürfen. Ich habe auf den Abdruck in dem Magdeburger Konferenzband dann dankend verzichtet.
Bevor übrigens jemand denkt, das sei nur ein spezifisches Problem für textlastige Journalisten – bei „Vocer“ haben unlängst vier freie TV-Journalisten aus ihrem Alltag erzählt. Das klang auch nicht immer fröhlich.
Ich kenne natürlich die Probleme der Branche, ich weiß, dass natürlich, wie Jochen Wegener es so schön formulierte, jeder Chefredakteur gerne höhere Honorare bezahlen würde. Ich weiß aber auch: Solange es diese finanzielle Diskrepanz zwischen PR und Journalismus gibt, wird es schwer werden, die wirklich guten Köpfe im Journalismus zu halten. Wenn ich, wie jedes Semester, „meine“ Studenten an der Uni Passau frage, ob sie PR oder Journalismus machen wollen, fallen die meisten Antworten stereotyp aus: Wollen würden wir lieber in den Journalismus, realistischer ist die PR. Böse bin ich niemandem für diese Antwort: Nicht jeder eignet sich dazu, beim Armsein auch glücklich zu sein.
Zumal der Journalismus in dieser Hinsicht eigenartig ist: Immer noch gilt es in unserem Beruf als irgendwie anrüchig, viel Geld zu verdienen. Immer noch erwartet man wie selbstverständlich, dass Journalisten auch bei miserabler Bezahlung volles Berufsethos entwickeln. Und es stimmt ja auch, wir produzieren keinen Kaugummi und keine Autos, hinter unserem Job sollte mehr liegen als das Abreißen von acht Arbeitsstunden pro Tag.
Es gäbe also eine relativ einfache Lösung, wie wir den Interessenkonflikt zwischen PR und Journalismus lösen könnte: Bezahlt Journalisten besser! Vom Ethos haben wir in dieser Branche ohnehin ausreichend viel.
(Foto auf dieser Seite: CIS/pixelio.de)