Seit ein paar Jahren gibt es jetzt „Flipboard“. Die Seite „Rivva.de“ existiert mit kurzer Unterbrechung auch schon ein paar Jahre, ebenso ein paar andere kleine und mittelgroße Aggregatoren. Man kann also beim besten Willen nicht behaupten, dass das Thema Aggregation im Journalismus ein wirklich neues wäre.
Trotzdem bekommt es in diesen Tagen nochmal eine neue Dimension. Weil jetzt ein Player einsteigt, der sich nicht in irgendwelchen mehr oder wenigen kleinen Nischen von mobilen Endgeräten oder im Web rumtreibt. Sondern: der größtmöglich denkbare ist. Facebook hat jetzt in den USA eine neue App mit dem bezeichnenden Namen „Paper“ herausgebracht (Erscheinungstermin in Deutschland ist noch offen). „Paper“ ist vordergründig betrachtet natürlich kein originär journalistisches Ding. Trotzdem aber werden dort journalistische Inhalte präsentiert werden. Weil dort Inhalte jeglicher Art aggregiert werden können und es natürlich ebenso erwartbar wie folgerichtig ist, dass dort auch Journalismus stattfindet.
Facebook macht jetzt also im Großen das, was „Flipboard“ seit Jahren im eher kleineren Maßstab macht. Der Tag, zusammengefasst und daueraktualisiert in einer einzigen App, die man wahlweise auf dem Smartphone oder dem Tablet mit sich rumtragen kann. Was wäre das anderes als eine Art neuer „Tageszeitung“? Das, wovon Zeitungsmacher schon lange immer wieder mal reden? „Der Tag“, so hieß übrigens auch die App, die der „Spiegel“ als Konsequenz aus seinem Projekt „Tag2020“ entwickelt hatte – und die durchaus einige Parallelen zu Facebooks „Paper“ aufweist.
Was ich daran so erstaunlich finde: Der Gedanke, dass tagesktueller Journalismus im digitalen Zeitalter sowohl eine neue Darstellungsform wie auch ein neues Endgerät benötigen könnte, ist ja nun wirklich kein neuer mehr. Aber wieso ist es – mal wieder – ein branchenfremder Großkonzern, der diese Idee dann letztendlich konsequent umsetzt? Und wieso führen wir in Deutschland seit Jahren erbitterte Auseinandersetzungen vor Gerichten (LSR, Tagesschau-App), anstatt endlich mal damit anzufangen, selbst Lösungen für zukunftsorientierten Journalismus umzusetzen?
Ich kapiere beispielsweise beim besten Willen nicht, warum sich nicht auch regionale Tageszeitungen endlich mal Gedanken darüber machen, wie die Idee eines Aggregators für sie umgesetzt werden könnte. Gerade im Lokalen gäbe es ausreichend Möglichkeiten, eine sich quasi selbst aggregierende Community zu schaffen. Bei der die Inhalte der Tageszeitung ein Bestandteil sind, aber eben nur einer. Wenn Menschen künftig Geld ausgeben werden für Journalismus, dann am ehesten dafür, dass sie zu einer Mischung aus Community und Datenbank Zugriff haben. Und das womöglich noch mobil – denn das mobile Endgeräte nicht die Zukunft, sondern schon jetzt die Gegenwart des Journalismus sind, das ist unbestritten. Ein „lokales Paper“ sozusagen, das ist es, an was lokale und regionale Medien jetzt arbeiten müssten.
Zu befürchten ist allerdings anderes: dass wir irgendwann mal wieder mehr oder weniger absurde juristische Auseinandersetzungen darüber erleben werden, was solche Aggregatoren dürfen – und noch mehr, was sie nicht dürfen. Die Klagewut deutscher Medien ist hinlänglich bekannt. Und die Gerichte mit ihren häufig wirklichkeitsfremden Urteilen bestärken das auch noch: Dass man jetzt Urhebervermerke mitten in Bilddateien platzieren soll und die GEMA ernsthaft über Lizenzgebühren für das Einbetten von Videos nachdenkt, lässt nichts Gutes ahnen.