Und vor dem Tagblatt grasen glückliche Kühe

Mit Zeitungen, so der erste Eindruck der aktuellen Debatte, kann man irre viel anfangen. Man kann überwachungsfrei in ihnen stöbern, man kann sie knicken und einrollen, ohne dass das Display kaputtgeht. Und man kann sogar Fisch in ihnen einwickeln. Die Argumente, die man so hört, sind also nur bedingt dafür geeignet, der Gattung Tageszeitung eine glorreiche Zukunft vorherzusagen. Noch dazu, wo gerade in den letzten Tagen und Wochen ungeheuerliche Dinge passieren: Bei Springer wollen sie nicht mehr so richtig Verleger sein, während auf der anderen Seite des Atlantiks Mr. Amazon mal eben die „Washington Post“  einsackt. Der Satz „Ich kauf mal eben eine Zeitung“ bekommt jedenfalls gerade eine irgendwie zusätzliche Dimension.

tagblatt

Die Kollegen der ARD-Sendung „TTT“ haben sich angesichts dessen des Themas ebenfalls angenommen – und die Frage gestellt: „Nur noch Rendite? Die Situation der Regionalzeitungen.“ Die Fragestellung als solche ist schon irgendwie lustig, weil man, was man als öffentlich-rechtlicher Redakteur womöglich vergisst, natürlich irgendwie Rendite erwirtschaften muss, will man als Medium am Markt überleben. Trotzdem hat man sich auf die Suche nach einem Gegenbeispiel zu den bösen Springers gemacht, die ja nur auf Rendite schauen. Gelandet sind die ARD-Kollegen dann in – Straubing. Weil hier, so textet man am Anfang des Beitrags, „ist die Zeitungs-Welt noch in Ordnung“. Verleger Martin Balle ist (die folgende Sammlung ist aus dem Beitrag):

  • gerne bei den Menschen
  • der Gesellschaft verpflichtet
  • nicht vordringlich renditeorientiert
  • kulturell mit der Region verwurzelt
  • irgendwie nicht Springer

Und auf der Weide vor dem Tagblatt grasen glückliche Kühe.

Natürlich wird dieses Eintreten für die Heimat auch belohnt: Balle berichtet von steigenden Anzeigenumsätzen und einer wachsenden Bedeutung der Lokalzeitung in einer globalisierten Welt. Auf Rendite schaut der Verleger auch, natürlich, aber in erster Linie dann doch nur, um Mitarbeiter bezahlen zu können und den Menschen im niederbayerischen Gäuboden eine gute Zeitung liefern zu können. (Untermalt wird das Idyll mit dramatischen Umschnitten zum Springer-Verlag, wo die Bösen sitzen, die einfach ihre Zeitungen verkaufen.) Das ist wirklich eine sehr schöne Geschichte. Und weil sie schön ist, haben die Kollegen von „TTT“ sicherheitshalber die Recherche dann auch eingestellt. Dass man eine Geschichte auch tot recherchieren kann, weiß man vermutlich auch dort. Deswegen sei an dieser Stelle erlaubt, noch auf ein paar Dinge hinzuweisen, die man praktischerweise gleich weggelassen hat nicht mehr ganz in den Beitrag gepasst haben:

Seine jüngeren Redakteure bezahlt das Tagblatt deutlich unter Tarif. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte Martin Balle das in diesem Jahr mal damit, dass die Lebenshaltungskosten in Straubing ja auch niedriger seien als anderswo.

Freie werden vom „Tagblatt“ traditionell schlecht bezahlt. In den Honorarspiegeln belegt man dort seit vielen Jahren einen der hinteren Plätze. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber Reisejournalisten berichten beispielsweise im Mai 2013 davon, pro Zeile acht Cent und für jedes Foto 2,50 Euro zu bekommen.

Medienvielfalt gibt es im Balle-Beritt traditionell nicht. Das „Tagblatt“ ist in nahezu allen Gebieten seines Verbreitungsgebiets de facto das Monopolblatt. Das lokale Anzeigenblatt gehört dem Verlag, am Lokalfunk hält man die Mehrheitsanteile. Neuerdings gehört auch das Landshuter Lokalfernsehen mehrheitlich zum Verlag. Anteile an diversen Lokalradios und dem Regensburger Lokal-TV noch nicht eingerechnet.

Die politische Ausrichtung des „Tagblatts“ ist, nun ja, ziemlich eindeutig. So eindeutig, dass man alles, was nicht mit CSU zu tun hat, eher ungern ins Blatt nimmt.

Das alles gab´s bei „ttt“ nicht zu sehen und nicht zu hören. Hätte aber vielleicht auch nicht in diese schöne Geschichte gepasst. Schließlich heißt es am Ende des Beitrags „Da sein für den Leser und nicht nur für die Geldgeber. In Straubing hat man sich entschieden. Und noch scheint’s zu funktionieren.“

So einfach ist die Welt manchmal.

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