Man muss es ja schon als Fortschritt bezeichnen, dass man jetzt, kurz vor den Bundestagswahlen, nicht mehr solche Sätze zu Ohren bekommt wie: Sozis können nicht mit Geld umgehen. Nicht, dass man übermäßig Mitleid mit der SPD haben müsste, aber es ist so furchtbar sinnlos, über irgendwas zu debattieren, wenn man sich zuvor erstmal durch eine ganze Reihe von Klischees und üblichen Links/Recht-Schemata ackern muss.
Ganz so weit sind wir bei den Debatten über den Journalismus leider noch nicht. Das „Medium-Magazin“ ist in seiner jüngsten Ausgabe auf die ebenso erstaunliche wie fruchtlose Idee gekommen, man könne doch mal wieder die zwei aktuellen Lager aufeinander hetzen: die analogen Zeitungsmacher und die digitale Avantgarde, die sich unerbittlich gegenüber stehen und von denen nur einer recht haben kann, wie die Geschichte irgendwann zeigen wird. Hui, Showdown in Media Valley, unerschrocken gehen zum Duell aufeinander zu: Thomas Knüwer und Christian Lindner. Beide schätze ich auf ihre Art übrigens, deshalb habe ich mir diesen kleinen Showkampf auch durchgelesen. Mit ungefähr null Erkenntnisgewinn. Christian Lindner argumentiert an vielen Stellen so, dass ich mir sicher bin, dass das ein dann doch ziemlich digital denkender Chefredakteur wie er selbst nicht glaubt, was er da er schreibt. Thomas argumentiert wie Knüwer; in der Sache bin ich tendenziell (und wenig überraschend) eher bei ihm. Die Argumentationen auf beiden Seiten, was das allgemeine Betragen der jeweils anderen Seite angeht, fand ich tendenziell lustig und inhaltlich in etwas auf dem Niveau einer 2. Klasse: Ihr seid arrogant und doof! Sagt Lindner. Ihr habt angefangen! Sagt Knüwer. Auch da würde ich ja dazu neigen, dem Arroganz-Lamento der Printmenschen ein entspanntes „Heult doch“ entgegenzuhalten, aber erstens muss man befürchten, dass sie das dann wirklich tun und zweitens ist mir das allmählich zu albern. Und es bringt niemanden in der Sache weiter.
Ich glaube, dass der Ansatz sowohl beim „Medium Magazin“ als auch bei all den anderen Print vs. Online-Epigonen der falsche ist. Der digitale Graben verläuft nicht entlang von irgendwelchen Mediengattungen. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von (Print-)Kollegen, die so argumentieren, dass man es allenfalls als kognitive Dissonanz bezeichnen kann; Christian Lindners Ausführungen, wie rasend gut es den Zeitungen doch im Grunde geht, würde ich da leider dazu zählen wollen. Aber vermutlich ist es ja erst mal nur natürlich, wenn man seine eigene Branche zu verteidigen hat. Bei Schlecker oder Praktiker haben sie auch bis zum Ende ihre Lage nicht realisiert, obwohl etliche Außenstehende eher ungünstige Prognosen abgegeben hatten. Aber würde man deswegen sagen, in der Einzelhandelsbranche sitzt eine besonders große Zahl von Realitätsverweigerern?
Natürlich gibt es einen digitalen Graben, wer wollte das bestreiten? Aber der verläuft erstaunlich ungerade, er läuft quer durch alt und jung und digital und analog und Print und Fernsehen und Radio und Internet. Wobei es genau zwei Möglichkeiten gibt: Man steht entweder auf der einen oder auf der anderen Seite des Grabens. Wer sich dafür entscheidet, auf der anderen Seite zu stehen, herzlichen Glückwunsch, kann man machen, nach 20 Jahren Internet dürfte es sich um eine reiflich überlegte Entscheidung handeln. Und wenn nicht: auch recht. Ich vermute, dass es wenig Sinn macht, Menschen, die sich für eine mediale Existenz in eher wenig zukunftsträchtigen Branchen entschieden haben, davon überzeugen zu wollen, dass sich sich besser anders entscheiden sollten. Und um mal ganz super ehrlich zu sein: Dass, was wir momentan in unserer Branche erleben, ist etwas, was es in anderen Wirtschaftszweigen schon dutzende Male gegeben hat. Ich glaube fest daran, dass der Lauf dieser Dinge so oder so zumindest im Groben unabänderlich sein wird, da können sich Zeitungschefredakteure und öffentlich-rechtliche Intendanten noch so dagegen sperren und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich gegenseitig versichern, dass ohne sie eine Medienwelt zwar möglich, aber sinnlos ist.
Aber muss ich das deswegen ernsthaft weiter diskutieren? Und spielt es (für mich und viele andere) überhaupt irgendeine Rolle, was irgendwelche „Lager“ übereinander denken?
Ziemlich ernsthafter Vorsatz deswegen: Wenn es künftig zu solchen Lagerdebatten kommt, bin ich raus. Ich kann mit meiner Zeit wirklich etwas besseres anfangen.
Hallo und danke erstmal für den interessanten Blog!
„die zwei aktuellen Lager aufeinander hetzen: die analogen Zeitungsmacher und die analoge Avantgarde“
Sollte es nicht _digitale_ Avantarde heißen?
Gruß, Thorsten
Danke für den Hinweis, ich hab´s ausgebessert!
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