Für die kommende Ausgabe des „Medien Magazin“ des Mediencampus Bayern habe ich ein paar Zeilen zum Journalisten und zu den Redaktionen der Zukunft geschrieben. Zweitverwertung mit freundlicher Genehmigung des MCB. Mehr Infos: hier.
1. Der digitale Journalist kommt
Die Plattformen, auf denen sich Journalismus künftig abspielen wird, sind – egal. Es gibt nur noch zwei Regeln, die im Bezug auf journalistische Plattformen der Zukunft Bestand haben. Erstens: Aller Inhalt ist digital. Lineare und analoge Plattformen werden schon weiterhin bestehen, kein Zweifel. Aber sie werden zunehmend in Nischen verschwinden – und sie können ohne digitale Standbeine nicht mehr überleben.
Für Journalisten hat das eine ebenso einfache wie große Konsequenz: Die Zeiten gehen zu Ende, in denen es eine besondere Befähigung war, crossmedial zu denken und zu produzieren. Wenn man vom Journalisten der nahen Zukunft spricht, dann wird man ihn wohl am besten noch eine Zeitlang als “digitalen Journalisten” bezeichnen müssen, auch wenn ein solcher Präfix zwangsweise immer etwas bemüht wirkt. Aber wenigstens würde damit klar, dass dieses ganze Gerede um Crossmedia ein bisschen auf die falsche Spur führt. Weil man dabei nämlich denen könnte, man müsse einfach noch ein bis zwei zusätzliche Kanäle bedienen und die Probleme und Herausforderungen der letzten Jahre seien damit auch schon wieder gelöst. Ein weiterer Nachteil dieser weit verbreiteten Denkweise: Journalisten suchen sich immer noch gerne den einen Schwerpunkt ihrer Arbeit, auf den sie sich konzentrieren; alles andere machen sie nebenher mit, manches besser und mit Begeisterung, anderes dafür eher weniger. Journalisten der nahen Zukunft müssten sich aber davon verabschieden, ihren Fokus auf ein einziges Medium zu setzen und alles andere auf dem Niveau des interessierten Laien zu erledigen. Schluss also mit dem Gerede von Crossmedia. Der Journalist der Zukunft ist ein digitaler Journalist.
2. Digitales Handwerk ist Grundvoraussetzung
Also dann doch: die eierlegende Wollmilchsau? Jenes Fabelwesen, das alles so ein bisschen kann, bedauerlicherweise aber nichts richtig gut? Das ist das Totschlagargument, das gerne ins Feld geführt wird, wenn es um die Zukunft des digitalen Journalisten geht. Und tatsächlich ist ja zunächst nicht von der Hand zu weisen, dass es vermutlich niemanden gibt, der alles gleich gut kann. Der genauso gute Videos schneidet wie er brillante Texte verfasst und nebenher noch ansprechend fotografiert. Aber das ist ja auch nicht das, was man von einem digitalen Journalisten verlangt. Verlangen kann (und wird) man aber, dass Journalisten in der Lage sind, das grundlegende Handwerk aller Darstellungsformen zu beherrschen. Weil es eben nur Handwerk ist. Handwerk kann man erlernen – und im Zeitalter digitaler Werkzeuge sind Video- und Audioschnitt oder das Arbeiten mit einer Blogsoftware nicht mehr vergleichbar mit ihren Adäquaten aus der analogen Zeit. Mit dem Schnitt und der Vertonung eines Zweiminüters ist heute niemand mehr überfordert, der sich auch nur ein bisschen damit auseinander setzt.
Dass vielen Journalisten die Übernahme weiterer Tätigkeiten so unzumutbar vorkommt, hat andere Gründe als die vermeintliche, drohende Überforderung durch neue Technologien. Tatsächlich sind sowohl die technische als auch die personelle Infrastruktur in vielen Redaktionen nicht dafür geeignet, digital-crossmedial zu arbeiten. Wer einfach seinen Journalisten mehr Arbeit aufbürden will, überfordert sie. Das Problem ist allerdings nicht diese neue Technik – das Problem ist die Infrastruktur.
Der Alltag vieler Journalisten zeigt allerdings auch anderes: Man erwartet zwar multifunktionale Fähigkeiten von ihnen. Wie aber dieses digitale Handwerk geht, zeigt man ihnen aber immer noch viel zu selten. Es gehört eher zur Regel als zu Ausnahme, dass man Journalisten in ein- oder zweitägigen Crashkursen zeigt, wie man ein Video macht – um danach zu erwarten, dass sie in der Lage sind, eine komplette Videoproduktion zu übernehmen. Das führt allerdings über kurz oder lang zwangsweise zu Frust und Enttäuschung auf allen Seiten, die Nutzer eingeschlossen. Diese Frustrationen verleiten auf allen Seiten zu voreiligen Schlüssen: Ich kann das nicht, denkt der genervte Journalist. Wussten wir es doch, dieses Crossmedia funktioniert einfach nicht, schlussfolgern Geschäftsführer und Chefredakteure. Die können es einfach nicht, denkt sich vor allem das Publikum der Digital Natives, die den Umgang mit diesen gar nicht mehr neuen Medien schon lange verinnerlicht haben und die Bemühungen der alten Schule bestenfalls amüsiert verfolgen.
3. Digitaler Journalismus hat seinen eigenen Stil
Speziell der Blick auf das jüngere Publikum verdeutlicht allerdings auch anderes: Neben der rein handwerklichen Vorgängen wird man sich auch mit den Veränderungen in den Darstellungsformen befassen müssen. Das kann man sehr schön am Beispiel der Videoproduktion darlegen. Wer Webvideos produzieren will, die sich sehr an der Machart des konventionellen TV orientieren, wird damit vermutlich Schiffbruch erleiden. Inhalte im Netz – keineswegs nur die Videos – folgen inzwischen ihren sehr eigenen Gesetzen und Macharten. Der digitale Journalismus ist also weder inhaltlich noch stilistisch ein Abbild des analogen Journalismus. Eine Nachrichtenseite ist keine Zeitung im Netz, ein Podcast ist nicht einfach eine Radiosendung, die man sich auch im Netz anhören kann – und über das Thema Webvideo sprachen wir ja bereits. Digitale Journalisten tun also gut daran, nicht nur das Handwerk zu erlernen, sondern auch zu begreifen, welche Besonderheiten es bei den digitalen Darstellungsformen gibt. Speziell beim Thema Webvideos ist übrigens die Seite des “Deutschen Webvideopreises” ausgesprochen hilfreich – weil man beim Betrachten der Siegervideos sehr schnell eines feststellt: Mit dem guten alten Fernsehen hat die Subkultur des Webvideos nichts zu tun. Und wer jemals einem Podcast zugehört hat, in dem sich Menschen schon mal einfach nur über zwei Stunden hinweg unterhalten, der bekommt auch eine Ahnung, wie wenig die beliebten 1.30-Reglementierungen in dieser neuen digitalen Welt greifen.
4. Digitaler Journalismus ist ein Gesamtkunstwerk
Und was machen wir dann noch für das Internet? Jeder, der in den letzten Jahren in und für Redaktionen gearbeitet hat, ist mit dieser Frage irgendwann konfrontiert worden. Das ist immerhin schon ein Fortschritt zu den Zeiten, als man diese Frage erst gar nicht gestellt hat oder auf sie bestenfalls ein erstauntes Kopfschütteln geerntet hat. Inzwischen ist diese Frage schon wieder überholt. Weil sie den immer noch weit verbreiteten Gedanken befördert, man könne das Netz als eine Art Zusatzkanal behandeln, in den man reinpackt, was irgendwie noch übrig geblieben ist – eine Art hausinterne Zweitverwertung sozusagen. Das ist mittlerweile komplett unsinnig. Ebenso unsinnig ist es allerdings, daraus den Umkehrschluss zu ziehen und als Problemlösung ein generelles “Online first!” anzubieten. Es geht beim Digitalen Journalismus der Zukunft nicht mehr primär um die Frage, wo eine Information als erstes erscheint oder ob man sie nicht doch noch ein bisschen zurückhalten könnte (bevor Sie darüber nachdenken: nein, kann man ohnehin nicht mehr).
Stattdessen geht es um ein schlüssiges Ganzes. So, wie Zeitungsredakteure sich früher Gedanken gemacht haben, wie ihr Text möglicherweise illustriert werden kann, müssten sie sich heute überlegen, wie sie ihr Thema, ihre Geschichte über die Plattformen erzählen und miteinander verknüpfen können. Die Frage, was wo zuerst erscheint, wird in diesem Kontext natürlich auftauchen. Aber sie ist nur eine von vielen.
5. Der Umbruch in den Redaktionen kommt
In den letzten Jahrenwurde viel über den digitalen Newsroom debattiert, in einigen Häusern ist er auch eingeführt worden. Darüber kann man gerne und viel diskutieren, man darf dabei nur eines nicht vergessen: Architektur löst keine journalistischen Probleme. Wenn also an dieser Stelle von einem Umbruch in den Redaktionen die Rede ist, dann geht es dabei nicht um die Frage, wer künftig mit wem an einem Tisch sitzt. Vielmehr bedeutet das: Es hat keinen Sinn, das Thema digitaler Journalismus zu negieren. Die eindimensionale Redaktion bisheriger Prägung ist ein Auslaufmodell in Zeiten, in denen Journalismus auf vier, fünf oder sechs Plattformen gleichzeitig stattfindet und seinen Aggregatszustand ständig ändert. Die Redaktion der Zukunft kann naturgemäß nicht mehr die Schreibstube sein, in der man an einem Produkt gemeinsam arbeitet und sich für den Rest nicht sonderlich interessiert. Die digitale Redaktion der Zukunft ist eine Kommunikationszentrale, nach innen genauso wie nach außen.
Sorry, ich habe jetzt viel gelesen, was ich als “ digitaler Journalist“ nicht sein darf. Mir fehlt aber der Ausblick, die ausformulierte Vision, was gut und nötig ist, um meine Leser/Seher zu begeistern. Zumindest ein paar Thesen und Erfahrungen, was und wie wieso gut läuft.
TiPs Das MAGAZIN – wir arbeiten daran:
http://issuu.com/tipsjena/docs/tips_juni_2013_
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Noch werden auch die Digitalen Journalisten und Social Media-Überzeugten aus den Kassen bezahlt, die sich durch die Arbeit der Printkollegen füllen.
Sorry, aber ich kann das Schlaugeschwätze zurzeit nicht mehr hören! Ich gehöre zu den Aufgeschlossenen, aber ich kann nun mal nicht mehr als arbeiten.
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