Vermutlich muss man Matthias Döpfner und dem Springer-Verlag dann doch dankbar sein. Dafür, dass sie die „Bild“ zum role model gemacht haben, an dessen Entwicklung sich später mal belegen lässt, warum es nur so eine mittelgute und theorielastige Idee war, mit Premium- oder Plusinhalten die Leute zum Bezahlen bewegen zu wollen. Und warum diese Idee an der eigentlichen Problematik bei der Finanzierung von Journalismus haarscharf vorbeigeht.
Aber der Reihe nach: Seit heute gibt es das seit langem angekündigte und mit einigermaßen viel Tamtam vorgestellte Modell „Bild plus“. Das beinhaltet im Wesentlichen, dass auch bei „Bild“ ab sofort nicht mehr alles kostenlos sein soll. Vermutlich würden Döpfner und all die anderen Paid-Content-Epigonen das so formulieren: Der Leser muss jetzt endlich mal begreifen, dass guter Journalismus Geld kostet und deshalb bezahlt werden muss. Als Gegenleistung – auch das gehört seit Jahren zu der immer wieder durchgekauten Argumentation – bekommt er noch mehr, noch besseren, noch exklusiveren Inhalt. Wobei man sich übrigens schon auch mal die Frage stellen kann, warum der Leser/Nutzer das bisher noch nicht bekommen hat, aber das nur nebenbei. Jedenfalls, die Formel soll künftig lauten: Mehr Bezahlung = mehr und besserer Inhalt.
Und so sah das heute früh bei bild.de aus:
Die „Plus“-Inhalte, die ausschließlich den zahlenden Kunden vorbehalten sind, sind an diesem Tag u.a.:
Der Fußballer Robert Lewandowski bekommt eine Verdreifachung seines Gehalts, damit er in Dortmund bleibt.
Beim ZDF sind sie sauer auf Markus Lanz, weil er gerade „Wetten, dass…“ totmoderiert.
Ein Interview mit Schumi.
Eine Tabelle, wie viele Rentner auf Hartz4-Niveau leben müssen.
Eine Übersicht, bei welchen Sternzeichen es im Bett besonders knistert.
Bevor es Ihnen selbst einfällt: Natürlich ist es das Dümmste was man machen kann, wenn man seine eigenen Interessen als Maßstab anlegt und dann sagt: DAFÜR würde ich nie im Leben was zahlen. Dass die Bild-Zielgruppe auch mit Bild-typischen Themen gefüttert werden will, leuchtet ein. Dass dazu Fußball und Fernsehen gehören, auch. Das Problem, das „Bild“ schon am ersten Tag hat und vermutlich auch weiterhin haben wird: Selbst wenn der Verlag noch so sehr jeden Tag seine Redakteure triezen wird mit der Aufforderung, noch mehr Plus-Content zu erstellen, er wird sich nicht finden lassen. Das Thema Lewandowski beispielsweise ist in den letzten Tagen so ausgiebig in nahezu allen Medien debattiert worden (und dürfte zudem noch so viele Wendungen nehmen), dass die Nachricht, der BVB zahle seinem Topstürmer jetzt erheblich mehr Geld, nur mäßig sensationell ist. Ebenso die Sache mit Lanz und Wetten, dass…: Kaum ein Medium, dass sich nicht mit dem Samstagabend-Desaster auseinandergesetzt hat. Es kracht ein bisschen hinter den Kulissen? Mag sein, aber ist das jetzt die Premium-Information, für die ich sofort ein Bildplustotaldigital-Abo abschließe? Tabellen mit irgendwelchen Rentner-Einkünften und Übersichten mit der Sex-Kompatibilität von Sternzeichen? Come on, Bild…gibt´s an jeder digitalen Straßenecke.
Und nicht nur, dass die Plus-Inhalte von „Bild“ jetzt nicht so wirklich premiumplus sind. Dazu kommt anderes: Die klassischen Bild-Geschichten, die gestern noch kostenlos waren, sollen heute Geld kosten. Kleinkinder beispielsweise, die an einer Schule als Lehrer eingesetzt werden, das sind die Geschichten, die „Bild“ mag und die Leser mutmaßlich irgendwie auch. Bis gestern gab es sowas im Überfluss kostenlos, jetzt soll eine dieser Allerweltsgeschichten, die „Bild“ seit gefühlten hundert Jahren veröffentlicht, plötzlich bares Geld wert sein? Da werden die Herren Döpfner und Diekmann aber noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis ihnen das jemand ernsthaft abnimmt.
Es ist die alte Problematik und sie ist nicht mal ein Phänomen der digitalen Zeit: Journalismus hat sich noch nie über den Kaufpreis für seine Inhalte finanzieren lassen. Man kann das beklagen, aber in den Köpfen der allermeisten Nutzer ist Journalismus eben nichts, was teuer bezahlt werden muss, selbst wenn es Matthias Döpfner noch so oft einfordert. Journalismus ist immer da gewesen und wird es immer auch sein müssen, so wie die Fußball-Bundesliga, die ja auch ein elend teures Wirtschaftsgut ist und von den allermeisten Menschen als allgemeines Grundrecht angesehen wird. Fußball ist teuer und muss deshalb bezahlt werden? Frag nach bei den Überresten von Kirch Media und bei „Premiere“, wie einleuchtend eine solche Argumentation wohl ist.
Beides, Bild und Bundesliga, steht deshalb wunderbar exemplarisch für die Reihe: Man müsste eigentlich. Man macht es trotzdem nicht.
„Premiere“ und Kirch Media übrigens hat das Beharren auf dem „Man müsste eigentlich“-Standpunkt letztendlich die Existenz gekostet.
„Journalismus ist immer da gewesen“
Wie das? Journalismus ist ja keine grundsätzliche menschliche Eigenschaft, ohne die wir nicht überleben könnten. Und möglich ist er erst seit der Erfindung des Buchdrucks, oder?
mmmh. Premiere heißt jetzt Sky und soll schwarze Zahlen schreiben. Journalismus gab es schon immer? Nö. Vor der Erfindung des Druckens gab es Leute die von Markt zu Markt zogen und dort Geschichten aus der Ferne erzählten. Wenn es gefiel gab es ein paar kleine Münzen in den Hut. Wenn nicht gabs Haue. 🙂 Nach der Druck-Ära könnte das ja Shitstorm oder Flattr heißen. 🙂
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Premiere heisst sogar schon seit 4 jahren Sky und ist in der tat bereits seit 2 Quartalen in den schwarzen zahlen….so viel zu „guterjournalismus“