Erst unlängst habe ich wieder etwas über mein Lieblingsthema gelesen: den kommunalen Haushalt. Dort waren im Lokalteil alles zu erfahren, was so einen waschechten, schönen Haushalt ausmacht. Wie hoch die Zuführung zum Vermögenshaushalt sein würde, beispielsweise. Wie hoch der Anteil der Personalkosten im Gesamtetat sei. Und wie viel an so genannter Kreisumlage man zu bezahlen habe. Das alles war mit einigen Torten- und Säulen- und sonstigen Diagrammen bebildert, so dass es fast nicht mehr ins Gewicht fiel, dass einige andere Informationen, die womöglich interessant gewesen wären, unter den Tisch fielen. Was beispielsweise mit den ganzen Millionen passiert, also, so ganz praktisch, wenn sie nicht gerade zwischen Vermögens- und Verwaltungshaushalt hin- und hergeschoben werden. Oder in Posten versickern, die irgendwelche merkwürdigen Zahlenfolgen als Positionsbezeichnungen tragen und bei denen der Kämmerer zwar wunderbar weiß, welcher Einzeletat das jetzt ist und was man damit machen kann, der Leser aber leider etwas ratlos davorsteht.
Keine Ahnung, welchem Einzeltat dann der auf der gleichen Seite stehende Bericht über eine Aktivität zuzuordnen wäre, aber die gleiche Stadtverwaltung, die jenen Haushalt zu verantworten hat, hatte erst unlängst auch noch zwei Mitarbeiter auf eine vermutlich eher unbedeutende Tourismusmesse geschickt, wo sie dem Staatssekretär für irgendwas einen Prospekt überreichten, in dem es hieß, es könne eine durchaus schöne Sache sein, seinen Urlaub in dieser Stadt zu verbringen (ich kenne die Stadt übrigens und würde Ihnen ja eher davon abraten, aber das nur nebenbei). Es scheint überhaupt eine gute Zeit für neue Prospekte zu sein. Der Zahl der frische Prospekte in die Kamera haltenden Bürgermeister und Landräte zufolge dürfte jedenfalls ein beträchtlicher Teil der passablen wirtschaftlichen Lage Deutschlands mit der Prospektindustrie zu tun haben.
Warum das hier steht? Manfred Braun, Geschäftsführer der WAZ Funke-Mediengruppe hat jetzt etwas gesagt, worauf der DJV reflexartig mit einem lauten „Pfui!“ reagiert hat. Funke sagte sinngemäß, speziell im Lokalen gehe es halt nicht immer nur um journalistische Qualität und gute Geschichten – oder wenigstens das, was Journalisten oft dafür halten. Vielmehr gehe es um Lesernähe, die gerne von Journalisten mal vergessen werde. Nun ist das ein bisschen problematisch, weil man Funke natürlich mindestens ebenso reflexartig die eher unschönen Entwicklungen in seinem Haus unter die Nase reiben und fragen kann, ob das Schließen von Lokalredaktionen und Lokalausgaben wirklich lesernah sind.
Wahr ist leider aber auch: Journalismus ist gerade im Lokalen immer noch gerne eine ritualisierte Amtshandlung, gemacht von Amtsträgern, die konsequent am wahren Leben vorbeischreiben. Und solange das so ist, kann man sich zwar über Verlagschefs echauffieren, die so etwas aussprechen – am Ergebnis der Abstimmung mit den Füßen wird sich trotzdem nichts ändern.
Richtig! Diese Diskussion mit Deiner Position (zu WAZ / Funke) habe ich gestern auf Twitter geführt, stand aber mit meiner Meinung allein auf weiter Flur. Nur weil die Funke-Gruppe und ihre Management offenbar vieles tun, um das Ruhrgebiet möglichst schnell zeitungsfrei zu machen, heißt das nicht, dass in Brauns Ausführungen alles falsch sein muss. Dass „mehr Lesernähe“ nicht bloß gefordert, sondern auch umgesetzt werden muss, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Und Lesernähe gegen journalistische Qualität auszuspielen, wie Braun im Interview erwähnt, ist natürlich auch Quatsch.
Zur Bewertung solcher Zitate gehört immer auch der Kontext, in dem sie geäußert werden. In diesem Fall dürfte er bekannt sein – Westfälische Rundschau, komplette Redaktionen geschlossen, ca. 300 Stellen gestrichen, weiterer Personalabbau bei der WAZ in Sicht, siehe FAZ
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/waz-mediengruppe-was-wird-aus-der-waz-12135046.html
Das Ausblenden des Kontextes der Äußerung von Herrn Braun macht solche reflexhafte Zustimmung leider nicht passender. Immerhin: Das fällt unter Art. 5 GG, Meinungsfreiheit.
Die Gedanken sind glücklicherweise ebenfalls frei.
„Und Lesernähe gegen journalistische Qualität auszuspielen, wie Braun im Interview erwähnt, ist natürlich auch Quatsch.“ Genau das tut er aber – und deshalb finde ich es ziemlich durch den Wind, ausgerechnet in diesem Text auf die Suche nach journalistischen Grundwahrheiten zu gehen. Die Abgehobenheit vieler Redaktionsbeamter haben schon viel kompetentere und glaubwürdigere Zeitungsleute kritisiert, und die Funkes dieser Welt haben keinen Beitrag dazu geleistet, dass sich daran etwas ändert.
Die Funkes dieser Welt tragen eher dazu bei, in Redaktionen – sofern überhaupt noch welche vorhanden sind – das zuverlässig zu verhindern, was sie fordern: Kreativität, neue Konzepte, Lesernähe … (Fisch, Kopf und so.)
Liebe Alle, aber der Witz ist doch genau das: Statt darüber nachzudenken, ob nicht ganz schlicht und ergreifend im (Lokal-)Journalismus etwas schief läuft, debattiert ihr über Herrn Funke. Das führt zum einen vom eigentlichen Thema weg. Und zum anderen sollte man nicht ausschließen, dass eine Äußerung auch dann richtig ist, wenn sie von Herrn Funke stammt.
Lieber Einer,
Namen wie „Funke“ ist wie „Herr Braun“ eine Variable, die für seltsame Zeitungskonzepte steht. Nicht seit heute, nicht seit gestern, sondern seit einer locker zweistelligen Zahl von Jahren, in der genau die Redaktionen geformt wurden, deren Qualität gerade bemängelt wird.
„Wir dringen mit unseren Ideen maximal bis zur Chefredaktion vor, dann ist Ende.“ Zitat eines Kollegen aus einem großen Verlagshaus – und sehr charakteristisch für die Situation.
„Statt darüber nachzudenken, ob (…) etwas schiefläuft (…)“ ist übrigens ein ziemlich schräges Argument. Grüße an Egbert, das könnte von ihm stammen. 😉
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