In dieser Woche hatte ich ein interessantes Gespräch. Weil es privat geführt wurde, soll das allermeiste auch privat bleiben, nur soviel: Der Mann ist ein Journalisten-Kollege, sehr viel im Ausland unterwegs, gerne mal auch da, wo es wehtut – und gilt als jemand, der ziemlich gut weiß, von was er spricht. Sagt man jedenfalls so. Nachdem ich in diesem Fall mangels Kompetenz einfach nur interessierter Beobachter bin, höre ich mir gerne an, was so jemand zu erzählen hat und bin sogar geneigt, ihm zu glauben. Trotzdem hat mir am Ende dieses Gesprächs etwas gedämmert, was mir eigentlich schon vorher hätte klar sein können (war es aber nicht): So sehr wir uns auch bemühen, wir Journalisten können nur eines, nämlich unseren Eindruck von der Welt wiedergeben, so wie wir glauben wie sie ist. Ob sie es auch tatsächlich ist, steht wieder auf einem ganz anderen Blatt. Wenn man mal davon ausgeht, dass es nur sehr wenige Dinge und Informationen gibt, von denen sich objektiv behaupten lässt, dass sie richtig sind, dann ist es umgekehrt ja so, dass die meisten Dinge, von denen wir erzählen, zumindest von unserer eigenen Wahrnehmung geprägt sind.
Warum erzähle ich hier so etwas banal-halbphilsophisches? Weil ich glaube, dass, ob bewusst oder nicht, inzwischen eine ganze Menge Menschen zu dieser Erkenntnis gekommen sind – und damit auch begreifen, dass der professionelle Journalismus vielleicht noch irgendwie halb-institutionell ist, letztlich aber dann doch nur Eindrücke wiedergeben kann. Es ist also jetzt in Zukunft nicht so die Frage der Institution und ihrer damit (scheinbar) verbundenen Kompetenz, sondern der Glaubwürdigkeit. Dass Kollegen von, sagen wir, der SZ zunächst einen Glaubwürdigkeitsvorsprung gegenüber dem Blogger X oder dem Webvideofilmer Y haben, das mag durchaus so sein. Aber das muss keineswegs so bleiben, schon gar nicht, wenn wenn der Blogger oder der Filmer mit der Zeit beweisen, mindestens so kompetent zu sein und gleichzeitig seine Eindrücke weniger interessengeleitet wiedergibt.
Und möglicherweise ist es ja dann auch so, dass diese Medienkrise, von der man neuerdings so viel hört, gar nicht so sehr die Frage nach analog oder digital aufwirft. Nach Zeitung oder doch lieber Internet, nach linearem Fernsehen oder eher on demand. Sondern danach, wie Journalisten es schaffen, Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen. Oder zu behalten. Das ist auch der Grund, warum ich an eine wenigstens schwindende Kraft und Bindung von und an Marken glaube.
Das wiederum ist der Grund, weswegen sich die Spirale momentan anscheinend schneller dreht. Natürlich muss man – kurzfristig aus betriebswirtschaftlicher Sicht gesehen – reagieren, wenn das eigene Unternehmen weniger einspielt. Reagieren, das heißt im Regelfall: Kosten senken, da machen Redaktionen leider keine Ausnahme. Was das für die Inhalte eines Mediums heißt, brauchen wir wahrscheinlich nicht lange debattieren. Wohl aber, was auf der anderen Seite noch steht: je geringer der Kompetenzvorsprung wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass andere, vermeintlich Branchenfremde ins Spiel kommen. Oder Journalisten ihr eigenes Ding machen, für das sie plötzlich gar keinen großen Apparat mehr hinter sich brauchen. An dieser Stelle verweise ich immer gerne auf den Kollegen Richard Gutjahr, der bei Apple in New York war und beim Arabischen Frühling in Kairo und mit Julian Assange gesprochen hat; dreimal Geschichten, die man mit- und wahrgenommen hat, weil ein guter Journalist ein gutes Thema gut gemacht hat. So einfach. Wussten Sie übrigens, dass Richard Gutjahr hauptsächlich beim Bayerischen Rundfunk arbeitet? Ich würde fast wetten, dass den meisten der Gutjahr-Nutzer diese Tatsache nicht klar ist. Und wenn doch, dann ist es ihnen egal. (Der guten Ordnung halber, bevor sich jemand aufregt, der Hinweis: Ich kenne Richard Gutjahr und habe das eine oder andere Projekt mit ihm gemacht, bin also natürlich gänzlich unobjektiv).
Deswegen ist es der größte Irrtum, wenn die momentan krisengebeutelten aus den unterschiedlichsten Ecken immer und immer wieder betonen, sie würden immer bleiben, sie würden immer die Maßstäbe setzen, ohne sie ginge es nicht. Und wenn es zum xten Male um irgendwelche Schutzrechte und sonstige Klagen geht, die man irgendwo gegen irgendjemand einreicht. Es geht um die Geschichte, um die gute Geschichte, nicht mehr, nicht weniger. Wer sie erzählt, wird zunehmend irrelevanter (gut, das war jetzt schon sehr besinnlich, aber das wird man doch am 1. Advent mal sein dürfen).
Das war gar nicht mal nur halbphilosophisch. Ein kluger Philosoph (dessen Name leider nicht in den Erinnerungen an den Philo-Unterricht hängen geblieben ist) hat mal gesagt, dass es keine wirkliche Objektivität oder objektive Realität gibt. Sondern zur Realität wird das, worin die Mehrheit der Menschen mit ihren subjektiven Meinungen übereinstimmen.