Vielleicht ist das größte Problem, das deutsche Journalisten mit ihrer Zukunftsfähigkeit haben, in ihrer Selbstwahrnehmung begründet. Zumindest in meiner persönlichen Erfahrung ist es so: Nicht alle würden sich gleich als echte Online-Cracks bezeichnen, aber wenn man sie so fragt, wie sie es denn mit dem Netz und den sozialen Netzwerken halten, fühlen sich die meisten dann doch ganz gut gewappnet. Dass das nicht nur meine Wahrnehmung ist, sondern tatsächlich nahe an der Realität ist, hat sich erst in diesem Jahr gezeigt. Beim „Social Media Trendmonitor 2012“ gaben immerhin 45 Prozent der befragten Kollegen an, ihre Redaktionen seien sehr gut oder wenigstens gut für die Herausforderungen durch soziale Netzwerke gerüstet. Nur ein verschwindend kleiner Bruchteil war der Auffassung, ihre Redaktion müsse dem Thema „Social Media“ eher beunruhigt entgegen sehen.
Mag sein, dass die befragten Kollegen wahlweise andere Wahrnehmungen hatten oder vielleicht mit der Bewertung den Zustand ihrer Redaktion, aber nicht ihren eigenen meinten. Weil eine andere Studie zu einem Ergebnis kommt, das keineswegs so euphorisch ausfällt. Demnach nämlich sind Deutschlands Journalisten vor allem im internationalen Vergleich alles andere als vorne dran, im Gegenteil. In einem Vergleich mit u.a. den USA, Kanada, Australien, Großbritannien und skandinavischen Ländern landet Deutschlands Journaille deutlich auf dem letzten Platz. Möglicherweise deswegen, weil diese Studie nicht die eigene Wahrnehmung als Maßstab genommen hat, sondern die tatsächlichen messbaren Aktivitäten.
Wenn man sich diese Zahlen anschaut, dann bestätigt sich das, was man ahnt, wenn man Gespräche mit vielen Journalisten führt: Viele haben das Wesen sozialer Netzwerke nicht wirklich begriffen. Aus ihrer Sicht bedeutet soziales Netzwerken, dass man präsent ist und seine Inhalte auch dort anbietet. Sie begreifen social media immer noch als eine Art weiteren Vetriebskanal. Oder andersrum: Der Paradigmenwechsel, der mit social media zwingend einhergehen müsste, ist noch lange nicht verinnerlicht. Paradigmenwechsel hieße beispielsweise, dass Twitter oder Facebook eben nicht einfach nur eine RSS-gespeiste Kommunikationsattrappe ist, sondern das irgendjemand aus Fleisch und Blut am anderen Ende sitzt und halbwegs ernstgemeinte Kommunikation betreibt. Am Wochenende beispielsweise reagierte ich auf einen Tweet einer großen deutschen Qualitätszeitung, bekam naturgemäß keine Antwort – und stattdessen den Hinweis eines Kollegen, dass ich da vergebliche Liebesmüh´ betreibe: Der Account sei schlichtweg ein Bot. Eine Epidsode, die mir dann wieder klar gemacht hat, woran es in der Einschätzung der Kollegen haken könnte. Die Antwort „Ja, wir haben einen Twitter-Account“ wird verwechselt mit echten Aktivitäten und messbarer Präsenz im sozialen Netz.
Und noch etwas anderes ist problematisch – etwas, das man ebenfalls in vielen Gesprächen bemerkt und durch diese Studie quasi bestätigt wird: Es fehlt an Haltung (von Begeisterung wollen wir in diesem Zusammenhang lieber erst gar nicht reden). Diese „Haltung“ zu sozialen Netzwerken wurde in der Studie ebenfalls gemessen, nirgendwo war sie so wenig ausgeprägt wie in Deutschland, wo sie auf der entsprechenden Skala den niedrigsten Wert erreicht. Die daraus resultierende Konsequenz ist einleuchtend: Wer erst gar keine Lust auf Kommunikation hat, der wird sie auch nicht bekommen.
So einfach. Und so unerfreulich für den Journalismus.
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