Wenn es um die Zukunft von paid content geht, dann führen Deutschlands Verlagsstrategen neuerdings sehr gerne (wieder) die New York Times als leuchtendes Beispiel an. Und tatsächlich, die nackten Zahlen sprechen erst einmal für sich. Über eine halbe Million Menschen haben die Digitalausgabe bereits abonniert, die Umsatzerlöse sind im vergangenen Jahr um rund acht Prozent angestiegen. Na bitte, könnte man jetzt sagen — endlich mal aufhören, den hochwertigen und teuren Journalismus zu verschenken und so wie in guten alten Tagen Geld dafür verlangen, schon ist das Problem gelöst. So einfach könnte das sein…
Genau das ist auch der Haken an der Geschichte: Es ist zu einfach. Was bei den Jubelmeldungen über die Erfolge vor allem der NYT mit der Bezahlschranke gerne verschwiegen übersehen wird: Gleichzeitig sind die Werbeerlöse im Netz aufgrund der gesunkenen Reichweite zurückgegangen. Diese Rückgänge sind höher als die Gewinne bei den Vertriebserlösen. Unter dem Strich bleiben also auch der Times in diesem Jahr wohl wieder Verluste, weswegen man dann schon nochmal die Frage stellen kann, ob diese Idee dauerhaft jetzt wirklich so viel versprechend ist. Wenn unter dem Strich ein Minus herauskommt, ist es eben ein Minus. Und die Debatten darüber, ob Gratis-Inhalte nicht einfach verschenkt sind, sind so verschenkt wie die Inhalte.
Zumal zu dieser Problematik bei den viel gelobten Paywalls auch noch anderes kommt: In sozialen Netzwerken beispielsweise können beschränkte Angebote ihre Wirkung nicht so recht entfalten. In Suchmaschinen spielen Seiten hinter Bezahlschranken ebenfalls nur eine eingeschränkte Rolle. Und, das möglicherweise entscheidende Argument: Wenn man wirklich Menschen zum Bezahlen für journalistische Inhalte bringen will, dann müssen die Menschen diese Medienmarke schon sehr lieben – und demnach müssten dann auch diese Inhalte in jeder Hinsicht außergewöhnlich sein. Was wiederum bedeutet, dass das Thema „metered paywall“ für etliche Redaktionen in Deutschland erst gar nicht in Frage kommt: Für dpa-Meldungen und aus dem „Spiegel“ oder der “ Süddeutschen“ abgeschriebene Geschichten wird niemand bezahlen. Natürlich kann man die Leute dann schließlich auch noch zwingen, die eine oder andere Lokalzeitung macht das ja bereits, in dem sie einfach ihre lokalen und regionalen Inhalte hinter der Bezahlschranke verschwinden lässt. Man weiß allerdings auch, wie Menschen reagieren, wenn sie zu etwas gezwungen werden.
Vorsicht also, wenn demnächst mal wieder jemand behaupten sollte, die Krise des Journalismus bzw. der Tageszeitung sei nur diesem vermaledeiten Internet und der dort regierenden Kostenloskultur geschuldet. Ökonomen würden es anders schildern: Tatsächlich haben wir es mit einem riesigen Überangebot an Information und im weitesten Sinn mit Medien zu tun. Wer das lösen will, in dem er einfach die alten Modelle in die neue Zeit überträgt, begibt sich auf ziemlich dünnes Eis. In Wirklichkeit geht es um anderes: die neue Währung im Mediengeschäft heißt Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die es nicht mehr per se, nicht mehr wegen des guten Namens und schon gar nicht mehr im Abonnement gibt.
ich glaube im übrigen auch, dass die New York Times auch von einer exponierteren Stellung als weltbekannte und -beliebte Zeitung profitiert (und dann ja zumindest bislang trotzdem unterm strich nix verdient).
in deutschland haben wir aber (zum glück) mehrere vergleichbare qualitätszeitungen (plus spiegel) – und bei aller liebe für einzelne autoren würde ich wohl für die wenigsten monatliche gebühren bezahlen
(das viel interessantere modell finde ich die gemeinsame paywall von allen größeren zeitungen in manchen südosteuropäischen ländern, die sich allerdings nicht auf die puren nachrichten, sondern nur auf aufwendigere stücke bezieht. aber man zahlt halt nur einmal, und hat dann zugang zu allen online-publikationen.)
Kurz und treffend. Und richtig, soweit ich das beurteilen kann.