Vielleicht sollten wir erst mal den offiziellen und politisch irgendwie korrekten Teil abhandeln, bevor sich jemand aufregt. Also: Natürlich geht das ganz und gar nicht, dass irgendein Parteisprecher/Bürgermeister/Bundespräsident beim ZDF/der Passauer Neuen Presse/der Bild anruft und dort versucht, irgendwas zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Und erst recht geht es nicht unter Androhung von Konsequenzen oder womöglich sogar Liebesentzug. Das also ist ein veritabler Skandal, über den man sich recht empören kann. Passt ja auch alles zusammen: so ein Finstermann-Pressesprecher aus der finsteren CSU, glaubt, er könnte da mal einfach beim ZDF anrufen und Geschichten verhindern, haha, was haben wir gelacht, das gibt´s ja auch nur in Bayern. Und ist bei Bayern nicht auch bei Tag besehen ziemlich finster?
Zumindest das können übrigens Pressesprecher, Bürgermeister und Bundespräsidenten aller Coleur nebenher als Lerneffekt aus dieser Geschichte mitnehmen: Man darf in diesem Land alles, aber niemals, niemals, einen Journalisten anrufen und ihn womöglich sogar noch beeinflussen wollen. Dann bekommt die deutsche Öffentlichkeit sogar Mitleid mit Kai Diekmann und der „Bild“ und mit einem so einem armen CvD beim ZDF sowieso. Dann stellen sich auch mal Chefredakteure und Intendanten des ZDF hin und betonen, wie stolz sie auf ihre Redaktion sind. Obwohl die wiederum nur etwas gemacht hat, von dem man glaubt, es müsste für Journalisten eigentlich selbstverständlich sein. Aber gut, um auch hier politisch korrekt zu bleiben: Herzlichen Glückwunsch, liebes ZDF, dafür, dass ihr euch nicht von der CSU-Pressestelle das Programm diktieren lasst. Ich werde euer Programm künftig mit ganz anderen Augen schauen und Thomas Bellut sollte man eh einen Orden verleihen. Ich werde mir auch nie wieder Gedanken über die Farbenlehre in Mainz machen, das muss ein Gerücht gewesen sein.
Aber ganz im Ernst: Wie absurd ist es, wenn zwar in aller Öffentlichkeit darüber diskutiert wird, dass im ZDF nahezu jede Position bis hin zum Tankwart nach einer Farbenlehre besetzt werden muss, wenn man weiß, dass auch die Frage nach Intendanten und Chefredakteuren (frag nach bei Brender) durchaus eine Frage der Parteien ist – und man sich dann auf der anderen Seite wundert, dass es da vielleicht einen Pressesprecher gibt, der da auch mal anruft? Möglicherweise krankt es da doch dann eher am System und nicht so sehr an dem Herrn Strepp (aber ja, bevor Sie sich aufregen: Pfui, Herr Strepp, das macht man nicht!).
Und schließlich: Die allgemeine Entrüstung, die sich gerade in der schnappatmenden Hysterie der politischen Konkurrenz breit macht, ist eben auch ein Stück geheuchelte Aufregung. Ich weiß nicht, wie oft ich in meinen journalistischen Leben von irgendjemandem angerufen worden bin. Aber was ich sicher weiß: Die Anruferei ging quer durch alle Parteigrenzen, durch alle Vereine und Verbände, bei einem ehemaligen Landrat erinnere ich mich an die freundliche Formulierung, er werde mich fertig machen. Eine öffentliche Belobigung für meine Tapferkeit brauche ich nicht – fürs erste würde es mir reichen, wenn man künftig nicht bei jedem Anruf Kai Diekmann zum Märtyrer und das ZDF zu einer Trutzburg erklärt.
Pingback: zoom » Umleitung: hier wird eine Trendwende in der Fotografie gewittert, dem Medienflüsterer Michael Strepp gehuldigt und schließlich auf das das alberne Treiben erwachsener Männer verlinkt. «
Wenn so ein armer kleiner Pressesprecher versucht, dem großen ZDF Druck zu machen, sollte man dort milde drüber lächeln und die Sache bei einem Bierchen in der Kantine den Kollegen erzählen. An die große Glocke gehört das nicht. Denn: Der Maßstab ist zwar ein größerer (bundespolitischer). Aber solcherlei Beeinflussung von Redaktionen und Redakteuren geschieht tagtäglich. Und das mit Erfolg für diejenigen, die den Druck ausüben. Je kleiner die Redaktion und ihre regionale Reichweite, desto größer ist der Druck, der aufgebaut werden kann. Von Vereinen, von der regionalen Wirtschaft, von Kultureinrichtungen und (seltsamerweise quantitativ am Ende der Kette) von lokalen Politikern.
Da muss nur mal mit der Kündigung von ein paar Abos gedroht werden, schon springen die kleinen Redaktionen im Dreieck, gestehen Fehler ein, die sie nie gemacht haben und versuchen es im Nachgang, ihrer Kundschaft wieder recht zu machen. Das habe ich mehr als einmal in meiner noch jungen Laufbahn erlebt. Bei einem ehemaligen Arbeitgeber kam sogar mal soweit, dass sich eine Filiale eines großen Sportartikelhändlers einen Artikel erpresst hat, nur weil sie ihren Laden für 350.000 Euro umgebaut haben. Die Drohung: Entweder wir bekommen einen redaktionellen Artikel über die Neugestaltung des Ladens, oder wir gehen mit unseren Werbeblättchen zur Konkurrenz. Die Redaktion hat sich zwar versucht dagegen zu wehren. Aber als auch noch Druck vom eigenen Verlag kam, war’s zu spät. Ich durfte als Freier (in diesem Fall Redaktionshure) dann dort aufkreuzen und aufschreiben, wie toll und kundenfreundlich alles nach dem Umbau war.
Das sind die wahren Skandale, die sich tagtäglich in der deutschen Presselandschaft abspielen. Deshalb besteht Lokaljournalismus in der Regel nur aus Gefälligkeitsartikeln und ist kaum noch kritisch. Von Ausnahmen abgesehen (Beispiel: http://ankommen.nordbayerischer-kurier.de/). Aber über solche immer wieder stattfindende Beeinflussungsversuche berichtet keiner. Wenn aber mal der unantastbare Dino ZDF ein Skandälchen hat, in es sich als weißer Ritter und Hüter der Pressefreiheit gerieren kann, dann schreien alle im Chor und so ne arme Sau von der CSU muss die Koffer packen…
Pingback: Aufgelesen … Nr. 34 – 2012 | Post von Horn