(Vorwarnung: In diesem Blog wird ja gerne mal wenig gemosert. Wenn Sie angesichts dessen hemmungsloses Lob nicht ertragen können, sollten Sie jetzt nicht weiterlesen.)
Vielleicht könnte man die ganze Sache ja auch einfach nur in einem einzigen Satz unterbringen: Wolfgang Blau hat wahnsinnig viel richtig gemacht – und deshalb ist „Zeit Online“ einer dieser viel zu seltenen Fälle, in denen beides zusammen geht: Journalistischer Anspruch und trotzdem auch wirtschaftlicher Erfolg. Alleine dafür müsste man dem Mann, der demnächst beim „Guardian“ Director of somewhat wird, ziemlich dankbar sein. Weil man wunderbar auf das Beispiel der „Zeit“ verweisen kann, wenn mal wieder das übliche Online-Lamento angestimmt wird. Man muss also weder inhaltlich verflachen noch irgendwelche nervtötenden Klickmaschinen einbauen noch irgendwelche verbrämten Sparmaßnahmen durchführen, um erfolgreich zu sein. Es reicht gelegentlich einfach aus, schnörkellosen, guten Journalismus zu machen.
Man muss, so viel lässt sich aus der Blau-Zeit auch lernen, allerdings auch anderes leisten: Konstanz, Schnelligkeit, Flexibilität. Nach wie vor rast die digitale Entwicklung so dahin, dass selbst Menschen, die sich hauptberuflich mit dem Zeug beschäftigen, staunend davor sitzen. Eigene Erfahrung vergangene Woche: Ich habe für das beginnende Semester an der Uni Passau für mein Seminar Online-Journalismus ein wenig die Unterlagen aus den letzten drei Jahren gesichtet, um zu sehen, was davon für das Wintersemester noch verwertbar wäre. Es war genau eine Folie, nämlich die erste: Da musste ich nur das Semester aktualisieren. Alles andere: weggeschmissen. Wenn ich heute die gleichen Dinge erzählen würde wie 2010, würden mich die Studenten vermutlich entgeistert anschauen (als ich das für mich selbst festgestellt habe, habe ich übrigens zum ersten Mal die Kollegen beneidet, die beispielsweise so hübsche Dinge wie Nachricht, Reportage oder Zeitungslayout unterrichten).
Aber zurück zu „Zeit Online“ und dem scheidenden Chefredakteur: Immer, wenn es Entwicklungen gab, auf die man reagieren musste, konnte man sich darauf verlassen, dass es Blau und seine Truppe schon richten würden. In Hamburg (jetzt Berlin) haben sie schon mit Videos experimentiert, als andere das noch als neumodische Marotte abgetan haben. Multimedia heißt bei Zeit Online tatsächlich Multimedia und ist nicht ein Synonym für „Ich hab´mit den übrig gebliebenen Bildern mal ne Slideshow gemacht“. Angebote für Tablets hatten sie dort schon, als anderswo noch darüber gerätselt wurde, wie dieses neue Gerät von Apple wohl funktionieren könnte. Kurzum, Onlinejournalismus ist bei „Zeit Online“ eine ständige Weiterentwicklung dessen, was man gerade eben doch erst abgeschlossen hatte.
Warum das alles hier steht (Wolfgang Blau geht schließlich nur nach London und nicht in den Ruhestand)? Weil es Leute und Projekte gibt, bei denen man dann doch wieder an eine gute Zukunft der manchmal schwierigen Verbindung „Online“ und „Journalismus“ glauben kann. Blau ist sicher ein solcher Fall, Stefan Plöchinger und Dirk von Gehlen respektive „Süddeutsche.de“ und „jetzt.de“ sind andere. Anderswo wird „gespart“ (wenn man das denn als Grund wirklich glauben mag), gestrichen und lamentiert, dort wird gemacht, einfach gemacht. Ich glaube, der gesamten Branche ginge es deutlich besser, wenn wir weniger von letzterem und dafür deutlich mehr Blaus, Plöchingers und Gehlens hätten.