Die Kollegen von „Newsroom“ haben mich nach meiner Meinung zu den Vorgängen bei der dapd gefragt. Und selten ist es mir so leicht gefallen zu antworten – nämlich das folgende:
Sätze wie diesen habe ich vor 25 Jahren zum ersten Mal gelesen: dass Medien keine Kaugummifabrik seien, dass man in dem Moment, in dem man Medien produziert, eben mehr im Kopf haben müsste als nur eine wie auch immer geartete Gewinnmaximierung. Dass man damit auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Ich habe das über lange Jahre für eine etwas arg pathetische Angelegenheit gehalten. Sie ist mir erst wieder in den Sinn gekommen, als ich von der dann reichlich überraschenden dapd-Insolvenz gelesen habe. Da werfen also zwei Finanzinvestoren ihr Spielzeug in die Ecke, nachdem sie überraschenderweise feststellen musste, dass eine Nachrichtenagentur weniger Rendite abwirft als eine Kaugummifabrik. Demnach also: weg damit.
Das wäre das gute Recht der Gesellschafter, wenn es sich dabei um eine Kaugummifabrik handeln würde (wobei man das Verhalten der dapd-Gesellschafter selbst dann verwerflich finden könnte). Aber wir reden hier von der zweitgrößten Nachrichtenagentur des Landes, deren größtes Kapital übrigens, wie wunderbar ironisch, ihre Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit sein sollten. Dabei haben sich die dapd-Gesellschafter benommen wie Rabauken aus den Untiefen des Manchester-Kapitalismus. Journalisten von der Konkurrenz weggekauft, als schon lange klar sein musste, dass die dapd in beträchtlicher finanzieller Schieflage sein musste. Ich weiß von Kollegen, die haben erst vor einer Woche noch Jobangebote der Agentur erhalten.
Einen neuen Dienst auf den Markt geworfen, gerade mal knapp zwei Wochen vor der Insolvenz. Die Öffentlichkeit und auch die eigenen Mitarbeiter über die eigene wirtschaftliche Lage im Unklaren gelassen (die letzten belastbaren Zahlen der Agentur stammen aus dem Jahr 2009). Und dabei gleichzeitig keine Gelegenheit ausgelassen, den Branchenprimus dpa zu attackieren,meistens großspurig, unangemessen, manchmal unfassbar kleingeistig. Und nur sehr selten so, dass man wenigstens attestieren könne, ein wenig Druck habe der gelegentlich etwas trägen dpa sicher nicht geschadet.
Man wüsste gerne, was wohl Journalisten der dapd geschrieben hätten, müssten sie über solche Vorgänge berichten. So aber spielt sich das Schmierentheater im eigenen Haus ab. Eines, bei dem man auch beim dritten Hinschauen fassungslos davor steht und sich fragt, wie überhaupt so etwas möglich sein kann. Die Ankündigung der Gesellschafter, bei einer erfolgreichen Weiterentwicklung der Agentur möglicherweise doch dabei bleiben zu wollen, liest sich wie ein zusätzlicher blanker Hohn. Zumal man sich ja auch fragen muss, wie die Herren Gesellschafter sich das vorstellen: Die Marke dapd dürfte bis auf weiteres derart ruiniert sein, dass eine Zukunft der Agentur kaum vorstellbar ist.
Immerhin, wenn man denn wenigstens irgendwas Lehrreiches aus dem dapd-Desaster ziehen wollte, dann das: Finanzinvestoren und Medien, das gehört nicht zusammen, das passt nicht zusammen, das wird nie zusammengehen. Von den beiden dapd-Gesellschaftern jedenfalls wünscht man sich, dass sie künftig ihre Millionen in Kaugummifabriken stecken. Wenn überhaupt.
Gerade erst habe ich im neuen „Journalist“ Magazin die große Story über dapd gelesen. Da vermitteln die Herren Investoren noch ein ganz anderes Bild ihres Unternehmens, obwohl sie schon längst gewusst haben müssen, wie es um ihr „Spielzeug“ steht. Blanker Hohn und ein treffender Schluss von Herrn Jakubetz: Finanzinvestoren und Medien gehören nicht zusammen…
„Die Öffentlichkeit und auch die eigenen Mitarbeiter über die eigene wirtschaftliche Lage im Unklaren gelassen“
Gibt es drei Beispiele, Unternehmen, die das nicht tun?
Da gibt es mehr als drei. Und im übrigen ist die Veröffentlichung von Zahlen ja auch kein freiwilliger Spaß, sondern vorgeschrieben.