Vorhin habe ich drüben beim „Universalcode“ den folgenden Satz geschrieben: „Das Blatt galt als die älteste Boulevardzeitung Deutschlands.“ Der Satz ist Bestandteil einer kurzen Geschichte über die „Nürnberger Abendzeitung“ und klang irgendwie ein bisschen nach einem Nachruf. Was es ja auch war: Am Samstag erschien das Blatt zum letzten Mal. Und wenn etwas daran überraschend war, dann das Tempo, in dem die Nürnberger AZ beerdigt wurde – bis vor kurzem hatte man noch meinen können, es gebe Hoffnung, vielleicht doch noch einen Investor zu finden. Was sich leider bestätigt: die These, dass man in der kommenden Zeit einfach mal mehr nach Nürnberg schauen müsste, wenn man wissen will, wie es den Tageszeitungen so geht und was ihnen möglicherweise noch bevorsteht.
Die AZ in Nürnberg ist also Geschichte. Und natürlich lässt sich jetzt darüber diskutieren, ob der Kurswechsel, den das Blatt in der Oschmann-Ägide vornahm, dem Blatt den endgültigen Todesstoß versetzt hat (es hat dort, wie die SZ heute schrieb, innerhalb der letzten Monate eine auffällige Häufung des Begriffs „Alarm“ in den Schlagzeilen gegeben). Tatsächlich aber haben ja auch die beiden anderen Tageszeitungen in Nürnberg mit einigen Problemen zu kämpfen. Was man mit einigen sehr wenigen und nüchternen Gründen erklären kann. Einer davon ist: In einem Medienmarkt, in dem sich immer mehr Anbieter um die Aufmerksamkeit des Nutzers drängeln, bleibt für drei Tageszeitungen auch in einer mittelgroßen Großstadt nicht mehr allzu viel Platz. Zumal sie in den Städten noch sehr viel weniger auf die beiden wesentlichen Säulen setzen können als auf dem Land: Loyalität der Stammleser und — noch sehr viel wichtiger — nachwachsende Neuleserschaft. Es gibt keinen einzigen Indikator, der beim jüngeren Publikum darauf hinweisen würde, dass man aus ihm noch Zeitungsleser gewinnen könnte. In ländlicheren Regionen kämen möglicherweise noch Tradition und geringere Internetdurchdringung hinzu, in Großstädten spielen diese beiden Faktoren keine Rolle mehr.
Deswegen passt es auch ins Bild, dass gerade eben auch außerhalb Nürnbergs mal wieder sehr grundsätzlich über die Zukunft einer Tageszeitung nachgedacht wird: Für die „Frankfurter Rundschau“ existieren angeblich Überlegungen, sie dauerhaft in eine digitale Ausgabe zu überführen. Unbeschadet des Wahrheitsgehalts dieser Spekulationen: Alleine die Tatsache, dass eine solche Meldung nicht sofort als unrealistischer Blödsinn abgetan werden kann zeigt, wie es inzwischen um die Tageszeitungen in Deutschland bestellt ist.
Wobei es einen dritten Punkt gibt, den ich (aus ganz persönlicher Sicht) bei diesem Thema ausgesprochen interessant finde: Seit inzwischen doch schon einigen Jahren gibt es ausreichend viele Menschen, die immer wieder auf diese fatale Spirale hinweisen, die den Verlagen immer und immer wieder raten, sich mit neuen Geschäftsmodellen endlich zukunftsfähig zu machen. Nirgendwo allerdings rufen solche durchaus wohlmeinenden Ratschläge solche emotionalen Ausbrüche hervor wie in der Verlagsbranche. Wer vorsichtig mal ein Fingerchen in die Wunde legt, wird schnell mal zum Zeitungshasser abgestempelt. Ich weiß das deshalb so gut, weil man mir schon öfter von wildfremder Seite mit Sätzen gegenübergetreten ist wie: Sie sind doch dieser Zeitungshasser. In der gedruckten FAZ war sich der Leitartikler nach dem Urteil gegen die Tagesschau-App nicht zu bescheuert, all jene, die den Zeitungen neue, eigene Geschäftsmodelle empfehlen, in die Nähe von ahnungslosen Utopisten zu rücken. Oder gleich als Menschen zu bezeichnen, die sich ihren Lebensunterhalt von anderen bestreiten lassen. Sieht man mal von gähnenden Langeweile dieser Argumente ab, ist es doch immer wieder erstaunlich, wie heftig diese Reaktionen ausfallen. Würden sie sich ähnlich heftig um die eigene Zukunft kümmern, statt die Kritiker anzugehen oder am besten gleich mal alle inklusive der Konkurrenz zu verklagen, man müsste sich um die Verlage sehr viel weniger Sorgen machen.
So aber bleibt die Prognose: Die AZ Nürnberg war erst der Anfang. Spätestens 2013 werden wir mehr Schlagzeilen in dieser Richtung lesen. Selbst dann, wenn sie vermutlich von Leuten gemacht werden, die nicht mal ihren Lebensunterhalt alleine bestreiten.