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Als Burda mal einen Kopierer verkaufte

Möglicherweise muss man sich ja nur mal die Geschichte des Aggregators „nachrichten.de“ anschauen, um die Haltung vieler Verlage zum Netz im Allgemeinen und zum Leistungsschutzrecht im speziellen weiterhin nicht zu verstehen. Die Webseite ist in diesen Tagen verkauft worden. Aus dem großen Burda-Reich wurde es ausgelagert an ein Unternehmen namens Neofonie. Das ist nicht nur interessant, weil damit klar wird, dass das ambitioniert gestartete Projekt nie eine ernsthafte Alternative zu Google war. Sondern auch deswegen, weil Burda damit ein Projekt verkauft hat, mit dem es genau das macht, was es jetzt via Klage verhindern will: Nachrichten anderer zusammenzufassen zu einem neuen Produkt. Oder, wie es damals im September 2009 zum Start hieß:

Das neue, in Deutschland bisher einmalige Angebot analysiert minütlich rund 500 deutsche Nachrichtenquellen. Meldungen zum gleichen Thema werden automatisch gebündelt, Themen-Ressorts zugeordnet, nach Relevanz gerankt und mit Bildmaterial versehen.

Das hat, wie man inzwischen weiß, nur so mittelgut funktioniert. Was u.a. dran liegen mag, dass sich Nachrichten.de als Quelle nicht wie Google auf alles mögliche im Netz verfügbare konzentriert hat, sondern auf die Inhalte deutscher Medien und da wiederum inbesondere auf die der Verlage. Eher unfreiwillig hat das Portal damit auch den Beleg dafür angetreten, wie öde diese Angebote sind. Und wie leicht Google auf die verzichten könnte, würde man konsequenterweise nach der Einführung eines Leistungsschutzrechts auf die Indexierung von Verlagsangeboten verzichten. Man bekommt beispielsweise jetzt eben aktuell von Nachrichten.de eine Meldung serviert, die sich mit der mutmaßlichen Einführung des iPhone 5 befasst:

Die Meldung stammt demnach von der Celleschen  Zeitung, ähnliche Inhalte verspricht Nachrichten.de aber auch von der „Nordsee Zeitung“, der „Giessener Allgemeinen“ und der „Frankfurter Rundschau“. Was eine enorme Vielfalt und Leistungsfähigkeit deutscher Verlagsangebote signalisiert, fällt bei genauerem Hinschauen in sich zusammen wie ein Soufflee: Es handelt sich um ein und dieselbe Meldung – und die stammt von einer Agentur (dpa). Sieht man also von der Frage ab, welchen Sinn ein solcher Algorithmus macht, zeigt sich auch anderes: So wahnsinnig vielfältig und leistungsfähig und damit für den Informationsfluss im Netz unverzichtbar, wie die Befürworter der geschützten Leistung gerne sagen, sind die Verlage womöglich gar nicht. Im Fall iPhone 5 jedenfalls haben weite Teile der deutschen Verlagslandschaft im Wesentlichen eine Leistung erbracht, die aus dem fehlerfreien Kopieren einer Meldung in ein CMS besteht. Und mal weitergedacht – und Google hätte all diese hübschen Meldung nicht indexiert: Was genau bitte würde uns fehlen? Das Spiel ließe sich übrigens anhand unzähliger anderer Themen fortführen, das Ranking entscheidet sich dann danach, wer den schnellsten Kopierer Redakteur in seinen Reihen hat.

Aber der Burda-Abschied von „nachrichten.de“ hat auch noch eine andere Bedeutung: Drei Jahre lang hat der Verlag jetzt nichts anderes gemacht als das, was er jetzt beklagt.Der Verkauf des Aggregators war deshalb auch die Beseitigung eines Interessenskonflikts. Und der Beleg für eine eigenartige Grundhaltung vieler Verlage im Netz. Man würde es nur zu gerne okkupieren, beherrschen, für sich nutzbar machen. Man leitet dafür eine Art Gewohnheitsrecht ab. Und wenn´s dann mal nicht funktioniert, wird gerne geklagt, mit voller Wucht und der ganzen Macht einer Branche.  Nur nicht immer mit Verstand. Und mit Logik schon gleich gar nicht.

 

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. mepeisen

    Viel spannender finde ich die bereits jetzt von Neofonie verbreitete Meinung, warum man gar keine Angst vor dem Leistungsschutzrecht habe.
    So heisst es bei netzwerktig.com: „Vom Leistungsschutzrecht, sollte es denn kommen, wäre nachrichten.de seiner Auslegung nach nicht betroffen, da bei dem Dienst eine Bewertung der indexierten und aufgelisteten Verlagsinhalte stattfände.“ Ich nehme mal an, dass der Autor mit den neuen Geschäftsführern gesprochen hat oder dass man das seitens nachrichten.de anderweitig verbreitet.

    Das ist wirklich lustig, dass diese Ex-Burda-Tochter eine Argumentation nutzt, die exakt so auch auf Google zuträfe. Ist damit nachrichten.de bereits auf direktem Konfrontationskurs zu sämtlichen Verlagen gegangen oder (was ich eher annehme) gibt es im Hintergrund Absprachen mit den Verlagen und ist das alles nur noch ein wettbewerbswidriger Vorteil um Google Geld abzuknöpfen und (ehemaligen) eigenen Angeboten zuzuschustern.

  2. Elias

    Das. „Leistungsschutzrecht“. Geht. Nicht. Gegen. Google.

    Google wird keinen Cent, Pfennig oder eine sonstige Größe in einer Währungseinheit dafür bezahlen, dass man anderen Anbietern im Internet zu Traffic und damit zur Möglichkeit eigener Geschäftsmodelle verhilft. (Während sich Google auf sein eigenes, auch eher anrüchiges Geschäftsmodell konzentriert, die möglichst treffende Platzierung von Reklame auf Grundlage einer Datensammlung.)

    Das Leistungsschutzrecht geht gegen mich, dich und jeden, der das Internet auf die eine oder andere Weise mitgestaltet. Es generiert eine erhebliche neue Rechtsunsicherheit bei der Teilhaber an der gegenwärtig normalen Kultur des Internet — und diese soziale Tätigkeit ist in der Bundesrepublik schon mit vielen Fallen und Unsicherheiten belastet, die einen normalverdienenden Menschen an den Rand der eigenen Existenz bringen können. Es ist ein absurdes Standesrecht, das das frühere Oligopol an Produktionsmitteln für Presseerzeugnisse (und damit an der Macht, die Meinung der Besitzer in einer riesigen Echokammer unter dem Banner der „freien Presse“ zu verstärken) unter den Bedingungen des Internet als alltäglicher Erfahrung aufrechterhalten soll. Das Leistungsschutzrecht ermöglicht Juratrollerei und Einschüchterung gegen jeden und alles, was irgendwie aus dem Internet gekegelt werden soll. Die Inhaber dieses Rechts — denen das gewöhnliche Urheberrecht offenbar deshalb nicht reicht, weil sie genau ahnen, dass ihren professionell erstellten Einwegprodukten im Regelfall jegliche für ein Werk im Sinne des Urheberrechts erforderliche Schöpfungshöhe fehlt — können damit gutherrschaftliche Willkür gegen Akte offener Kommunikation ausüben. Und sie werden das tun, ganz sicher.

    Gegen mich. Gegen dich. Gegen jeden, der am Internet teilhat.

    Die Schere im Kopf wächst von allein. Sie braucht dazu nur ein paar Jährchen Zeit und ein paar schlimme Meldungen. Angst, Verunsicherung und Zweifel bei normalem Tun wirken. Niemand weiß das so genau wie dieses Geschmeiß aus der Verlegerbrut.

    Ich habe vor einigen Monaten einer über 70jährigen Frau einen Computer aufgesetzt und ihr eine flotte Einführung in das Internet gegeben (vor allem in der Nutzung von Mail und Web). Schon nach kurzer Zeit haben wir einen Browser heruntergeladen. Sie sagte dabei: „Ein Download? Ist das nicht illegal?“ — sie hatte sich zuvor nur über Glotze und Presse informiert.

    So wirken Angst, Verunsicherung und Zweifel, wenn sie immer wieder gestreut werden. Irgendwann werden Menschen sich fragen, ob ein Blog oder der Betrieb eines eigenen Webforums nicht illegal ist, man hat ja so viel Schlimmes gehört, nachdem die neu gebackenen Privilegierten des Leistungsschutzrechtes gegen ein paar Einzelne vorgegangen sind. Das ist das Ziel der Verlegerbrut, nicht ein paar Groschen von Google.

    Der classe politique scheint diese Vorstellung ja auch zu behagen… eine Sich-Arrangieren mit ein paar Handvoll Milliardären ist technisch wesentlich einfach zu bewerkstelligen als eine ernsthafte politische Kommunikation gegenüber den vielen Menschen, die man angeblich vertritt.

  3. Felix

    Irgendwie lustig, damit zeigt Burda ja auch auf, dass eine Plattform wie nachrichten.de sich nicht mehr rentieren würde, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Denn wieso sollte Burda gerade jetzt die Plattform loswerden?

  4. Albert

    @4, Elias: Guter Kommentar!

  5. Albert

    Ähm, ich meinte @2, Elias.

  6. Moki

    Ich will und kann einfach nicht glauben, dass es in diesem Lande möglich sein wird, so wichtige Grundrechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit (die auch für Blogger gelten) durch sowas schnödes wie ein Leistungsschutzrecht ausgehölt werden kann. Ich werde hoffentlich bald mein eigenes Blog an den Start bringen und mich von diesem Leistungsschutz-Quatsch nicht verängstigen lassen.

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