Immerhin eines lässt sich nach meiner zweiten Rundshow-Woche verbindlich festhalten: Das Lebensgefühl hat sich geändert. Von „keine Ahnung, was wir hier machen“ über ein mehrfaches „Mir dämmert gerade was“ hin zu einem: Wir wissen jetzt beinahe, was wir tun. Bevor Sie erschrecken und jetzt denken, dass ein Haufen fröhlicher Dilettanten da im BR sitzt und irgendwas vorbereitet, um dann irgendwas zu senden: So ist es natürlich nicht. Es ist also nicht so, dass uns Ideen fehlen, im Gegenteil, meistens haben wir sehr viel mehr als wie wir umsetzen können. Es ist eher das Fehlen an Routinen und Erfahrungswerten. Will sagen: Während man sich bei anderen Projekten immer so ein bisschen auf Erfahrungen verlassen kann, stehen wir jetzt beinahe bei jeder Entscheidung vor essentiellen Fragen. Die Antworten basieren, zugegeben, immer auch ein Stück auf Vermutungen — weil es eben kein gesichertes Wissen dazu gibt.
Das ist auf der anderen Seite das Tolle daran: ein Ding völlig neu zu entwickeln, ganz nach den eigenen Vorstellungen und ohne sich in einem Rahmen bewegen zu müssen, den so ein Sendeformat in den meisten Fällen dann eben doch vorgibt. Und ja, auch das gebe ich gerne zu: Der Bayerische Rundfunk war nicht unbedingt der Platz, an dem ich so viel Experimentierfreude vermutet hätte. Immerhin hat die „Rundshow“ mit konventionellem Fernsehen und den ansonsten im BR zu sehenden Formaten ungefähr so viel zu tun wie München mit Ostwestfalen-Lippe. Tatsächlich aber lässt man uns dort ungestört machen, auch wenn ich manchmal bei der Vorstellung innerlich breit grinsen muss, wie sich der eine oder andere in den höheren Stockwerken fühlen muss, wenn er am Montag um 23.15 Uhr sieht, was da über seinen Bildschirm geht.
Ziemlich sicher bin ich mir allerdings darin, dass wir am Montag und auch in den dann noch kommenden Rundshow-Wochen erst den Start einer Entwicklung sehen werden. Dass wir, wenn wir wirklich zukunftsfähiges TV machen wollen (ich zucke ja immer noch zurück, wenn ich das Social TV nennen soll) ziemlich viel zuhören müssen. Nicht unbedingt im Sinne dessen, wie das früher war: Man liest Kritiken von hauptberuflichen Medienjournalisten und wertet die dann aus. Mir persönlich ist ehrlich gesagt das, was die Kollegen in diesem Fall schreiben werden, eher egal. Was mich interessiert ist: Was sagen die Zuschauer, welche Beteiligungen und welche Rückmeldung bekommen wir über Twitter, über Facebook, Google — und natürlich die App mit dem schönen Namen „Die Macht“? Schaffen wir es wirklich, Fernsehen und Crossmedia zu machen, so dass es die Beteiligten wirklich juckt? Und so, dass sie eben kein Klickvieh oder Kommunikationsattrappen wie die ansonsten handelsüblichen call-ins oder Straßenumfragen werden?
Und schließlich noch ein letztes Geständnis: Ich war eineinhalb Wochen die bayerische Bierruhe in Person, jetzt kommt dann langsam: Nervosität. Montag, 23.15 Uhr. Ich hoffe, dass sie sich dann wieder legt.