Wie Sie im digitalen Dschungel vielleicht irgendwie überleben

Weil Ratgeber ziemlich wichtig sind, die Frage nach dem medialen Leben im digitalen Zeitalter eh dauernd gestellt wird und wir außerdem jetzt dann Ostern haben: Hier kommen die Antworten auf die Fragen, die sich jeder stellt, der gerne im digitalen Dschungel überleben würde, aber noch nicht so ganz weiß wie. Außer bei Slideshare finden Sie diesen Beitrag nachher überall und wenn Sie so richtig digitale Kompetenz beweisen wollen, posten Sie ihn wahllos irgendwohin und liken oder plusonen ihn. Versehen Sie ihn aber keinesfalls mit einem :-), einem *LOL* oder einem *ROTFL*, weil Sie sonst Ihre Reputation  derart im Arsch ist, dass Sie nicht mal mehr das Beherzigen aller nachfolgenden Tipps noch retten kann..

1. Seien Sie auf gar keinen Fall Sie selbst, vergessen Sie den Unsinn von der Authentizität! Was zählt ist, was Sie gerne wären, nicht was Sie sind. Verlinken Sie deshalb niemals bei Facebook oder G+ auf Texte oder Videos, die Sie wirklich gerade lesen bzw. anschauen. Streuen Sie am Tag mindestens eine Studie ein oder einen Text von mindestens 20.000 Zeichen und wenn es dafür nicht reichen sollte, wenigstens einen von Frank Schirrmacher. Lustige Quatsch-Videos sind maximal einmal in der Woche erlaubt, sollten dann aber von Monty Python sein. Wenn Sie Musikvideos posten,  sollte die Musik so ausgewählt sein, dass Sie sich mit einem schönen Zitat aus der Textstelle ankündigen lässt („Take a look, maybe this is the face that’ll haunt you/ Maybe these are the eyes that’ll drive you/ Out of your mind.“). Je düsterer, desto besser. Legen Sie sich einen Spotify-Account zu, lassen dort öffentichkeitswirksame Musik laufen, die auf Facebook gepostet wird und schalten Sie auf lautlos, während Sie über andere Lautsprecher die neue von Lady Gaga laufen lassen. Kleine kulturgeschichtliche Exkursionen sind möglich, aber nur selten zu verwenden, wir sind schließlich digital natives und nicht irgendwelche Schnarch-Feuilletonisten aus Frankfurt oder Berlin.

Fotos von sich selbst nur in Ausnahmefällen und selbst dann unter folgenden Prämissen: Generell nur Instagram oder andere Programme verwenden! Schwarzweiß oder irgendein Retro-Look sind gestattet, ebenso willkürliche Ausschnitte bei Portraits, beispielsweise das linke Auge  oder der hängende Mundwinkel. Bilder, auf denen Sie einwandfrei zu erkennen sind und möglicherweise sogar ordentlich ausgeleuchtet sind, gehen gar nicht und orten Sie unwillkürlich als Spießer. Fotografieren Sie sich auf keinen Fall selbst, das wirkt lächerlich. Fügen Sie in aller Bescheidenheit hinzu, dass das lediglich ein Bild eines Profifotografen ist, der Sie beim Social-Media-Galaempfang in Irgendwo oder bei so lustigen Gelegenheiten wie einem Twittwoch oder einem Twittagessen (twahaha!) abgelichtet hat, als Sie gerade mit (bitte hier Namen eines Gurus Ihrer Wahl einfügen) am Buffett gestanden sind. Urlaubsfotos sind generell tabu, außer, Sie sind in einem Museum oder auf einer avantgardistischen Webkonferenz in Argentinien zu sehen, die Sie während Ihres Urlaubs besuchen oder von der Sie als Keynote-Speaker gebucht worden sind.

2. Bloggen Sie. Irgendwas, aber bloggen Sie. Vorsicht allerdings sowohl mit der Tonart und auch der Frequenz des Bloggens, weil der Mitbewerber Sie natürlich beobachtet und aus Ton und Frequenz einige Rückschlüsse ziehen kann. Die gute Nachricht: Das können Sie auch! Im folgenden eine ebenso kurze wie hilfreiche Typologie der Blogger und der daraus zu ziehenden Rückschlüsse.

Typ 1: Bloggt täglich über alles mögliche. Ist demnach notorisch unterbeschäftigt, hat keine lukrativen Aufträge, hat irgendwo gelesen, dass Bloggen Aufmerksamkeit schafft.

Typ 2: Bloggt ebenfalls täglich, lamentiert aber, so furchtbar viel Arbeit zu haben und an sich ja nur gegen Bezahlung zu schreiben.  Träumt demnach davon, vom Schreiben leben zu können. Wird aber bisher eher selten bezahlt.

Typ 3: Bloggt vor allem darüber, dass er demnächst wieder mehr bloggen will. Kann in der Konkurrenzbeobachtung getrost vom Radar genommen werden.

3. Name-Dropping funktioniert auch im Netz, sogar leichter als im echten Leben. Auf Texte bekannter Netznasen zu verlinken und dann mit der Nennung des Vornamens zu brillieren („Der Sascha hat da was Gutes geschrieben, finde ich…“) signalisiert Nähe und wirkt ungemein lässig. Das gilt auch für Retweets und Likes, auch das Kommentieren im Blog, beispielsweise beim Sascha, kommt gut. Merke: Man identifiziert Sie über die Kreise, in denen Sie sich bewegen, selbst dann, wenn Sie aus diesen Kreisen noch keinen Menschen jemals in echt gesehen haben sollten. Bedenken Sie allerdings auch das Ausschließlichkeits-Prinzip im Netz: Sie können nicht gleichzeitig mit Konstantin NevenDuMont und Stefan Niggemeier befreundet sein, da müssen Sie schon ein Statement in Form einer Entscheidung abgeben. Statements sind auch für Ihre sonstige Haltung nach außen unabdingbar, lassen sich aber nach Baukastenprinzip schnell und einfach für jedermann zusammenstellen: Seien Sie gegen ACTA (auch wenn Sie bis jetzt nicht wissen, was das ist), gegen Urheberrechte aller Art, gegen Joachim Gauck und gegen den Zeitungsverlag an sich. Nennen Sie Medienunernehmen generell nur „Content Mafia“ und betonen Sie im ausreichenden Maß, dass Sie Journalisten misstrauen. Für Fortgeschrittene empfiehlt sich das gelegentliche Verfassen von sogenannten Rants. Ranten können Sie generell gegen alles und jeden, es muss allerdings ordentlich laut sein, mindestens einmal die Formulierung „Es reicht!“ enthalten und einen Rücktritt fordern. Allerdings: Rants gegen Netznasen sind ausgeschlossen!

4. Kalkulieren Sie bitte jederzeit mit ein, dass die analoge Welt davon ausgeht, dass Sie zum Leben nichts anderes brauchen als ein paar Bits und Bytes. Wenn Sie für Ihre Tätigkeiten Rechnungen schreiben, sollten Sie sich im Klaren sein, dass Zahlungsziele bestenfalls als freundliche Hinweise gewertet werden. Rechnen Sie jederzeit mit Sätzen wie „Wir zahlen grundsätzlich erst nach acht Wochen“. Dies gilt nur für die analoge Welt. Aus der digitalen Welt kommen meistens Hinweise darauf , dass man leider nichts bezahlen könne, gerne aber zu einem Linktausch bereit sei.

5. Fotografieren Sie Ihre frisch gekaufte Wired-Ausgabe und stellen das Foto bei Twitter ein, bevor Sie das ungelesene Heft zum Altpapier legen. Ihre credibility erhöht sich ungemein, wenn Sie vorher noch irgendwo anmerken, dass Sie das Heft nicht so richtig gepackt hat und das Original irgendwie besser sei. Besonders vorteilhaft ist, dass Sie das Heft auch für diese Anmerkung nicht gelesen haben müssen. Sie müssen nur den Besitz nachweisen, am besten morgens um 8 am Erscheinungstag.

6. Als fortgeschrittener digital native dürfen Sie nicht nur, sondern müssen Sie zwingend irgendwann mal Tweets auf Englisch absetzen. Das ist das digitale Latein, sozusagen. Man kann es und man zeigt es.

7. Bauen Sie irgendeine Präsentation mit Powerpoint und laden Sie sie auf Slideshare hoch, selbst dann, wenn Sie diese Präsentation nur Ihrer Freundin vorgelesen haben.

8. Legen Sie sich ein kleines, gerne analoges Notizbüchlein mit den wichtigsten und aktuellsten Redewendungen der Szene. Aktuell sollten Sie auch bei unpassenden Gelegenheiten ein „Galore“ oder ein dem Satz nachgestelltes „nicht“ verwenden. Rufen Sie ab und zu ein fröhliches „Yay“, Sie können das auch gerne zu einem sinnbefreiten „Yay,galore. Nicht“ mixen. Beachten Sie aber bitte die kurzen Halbwertszeiten. „Hach“ ist inzwischen schon wieder ziemlich out und außerdem weibisch. Vollkommen out ist der „Lesebefehl“!

 

 

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Moki

    Lustiger Artikel. Aber irgendwie fehlt mir der Einstieg… Man könnte sich dazu doch herrlich anhand einiger Beispiele aus dem echten virtuellen Leben über die „Netznasen“ lustig machen.

  2. Mistama

    Interessante Tipps -> Danke dafür, aber ich find die Authentizität ist doch das wichtigste an blogs…

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