Sieht man davon ab, dass sie ziemlich gut geworden ist, die ZDF-App für das iPad, ist sie vor allem eines: ein ungewollter Beleg dafür, wie bizarr der Streit zwischen den Verlagen und den öffentlich-rechtlichen Sendern über das Thema Apps geworden ist.
Mathias Döpfner hat in dieser Woche die ARD wissen lassen: Na bitte, so ginge das doch. Ein paar Videos in eine App packen, das reicht aus, tut den Verlagen nicht weg, auf der Basis könne man sich doch einigen. Das ZDF als Kronzeuge der Verlage gegen die ARD?
Leider nein – weil der Vergleich zwischen der Tagesschau-App und dem ZDF-Angebot ungefähr so ist, als würde man den Tatort und die „Bild“ miteinander vergleichen. Außer der Tatsache, dass es sich um Apps handelt, haben ARD und ZDF (noch) nichts gemein. Die „Tagesschau“ ist ein journalistisches, ein nachrichtengeprägtes Angebot, die ZDF-Mediathek ist, Überraschung, eine Mediathek. Ein Video-on-demand-Angebot in App-Form. Dass es für ein Video von Rosamunde Pilcher oder von „Aktenzeichen XY“ keine großen Worte braucht, leuchtet ein. Davon abgesehen: Das sind Inhalte, die mit den Angeboten von Verlagen keinerlei Überschneidungen haben. Deshalb hinkt dieser Vergleich nicht nur, er ist schlichtweg unzulässig.
Umgekehrt ist die Frage dann: Darf ein öffentlich-rechtlicher Sender überhaupt Journalismus machen im Netz? Wenn man ihm das zugesteht, dann geht das nicht im Netz; ein irgendwie amputierter Journalismus funktioniert nicht. Wenn man Journalismus von TV-Sendern hingegen zulassen will, muss man ihnen auch die Möglichkeit geben, Information in Texte zu packen. Das wird im Übrigen, Herr Döpfner wird da noch staunen, auch das ZDF tun, wenn es seine „Heute“-Formate in eine App bringt. Spätestens da wird es dann wieder vorbei sein mit dem Versuch, das ZDF der störrischen ARD als leuchtendes Beispiel vorzuhalten.
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Es mag auch nicht so recht einleuchten, wieso es ausgerechnet Webseiten und Apps von Fernsehsendern sein sollen, die das Verlagswesen in seinem Bestand bedrohen sollten. Ich glaube, man schätzt den halbwegs mündigen Journalismuskonsumenten grundlegend falsch ein, wenn man ihn darauf reduziert, es gehe ihm in erster Linie darum, irgendetwas kostenlos zu bekommen. Blätter wie die FAS oder die „Süddeutsche Zeitung“ zeigen seit Jahren, dass man sich bei einer stabilen Auflage halten kann, wenn man schlichtweg ein gutes Blatt macht, lesenswerte, gut recherchierte Geschichten macht und aus den lieb gewordenen Zeitungs-Routinen ausbricht (die möglicherweise sinkenden Anzeigenerlöse haben ja nichts mit den Angeboten der TV-Sender zu tun). Die FAS ist jeden Sonntag eine wunderbare Lektüre, die SZ hat mit dem heutigen Wochenend-Spezial zu Nineeleven eine Beilage gemacht, die alleine schon den Kaufpreis lohnt. Kurzum, es ist, auch angesichts der Klientel, kaum vorstellbar, dass jemand auf die FAS oder die SZ ernsthaft verzichtet, weil er sich zwei oder drei Euro sparen will. Zumal er das, was ihm diese Blätter bieten können, in keiner noch so guten App von ARD und ZDF bekommen wird. Bevor der Einwand kommt, dass FAS und SZ kaum repräsentativ für das Gros der deutschen Tageszeitungen sind: Auch gute lokale und regionale Geschichten bekommt der User nicht bei ARD und ZDF. Kurz gesagt: Es müsste einem um die Zukunft der Verlage nicht mal bange sein, würden sie sich auf ihre Stärken konzentrieren. Das Nachrichtengeschäft, so wie es ARD und ZDF betreiben, ist das ganz sicher nicht.
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Ein bisschen off-topic, aber trotzdem: Es nervt dann auf der anderen Seite dann doch, wenn in dieser Dauerdebatte die öffentlich-rechtlichen Sender ihre angeblich so hochwertigen Sendungen für Argumentation in eigener Sache missbrauchen und das auch noch als Journalismus ausgeben. Das Magazin „Töne,Texte,Bilder“ im WDR hat dafür heute ein besonders bizarres Beispiel geliefert. In einem mutmaßlichen „Kollegengespräch“ befragte Cordula Denninghoff den zugeschalteten Kai Gniffke zum Thema Apps und fragte u.a., ob die Verlage denn nicht recht hätten mit dem Bild der guten ZDF-App und Gniffke antwortete ziemlich überraschend, dass die Verleger nicht recht hätten und dass es schade sei, wenn die Verlage so was von uneinsichtig seien. Als Journalismus getarnte Eigen-PR in einem öffentlich-rechtlichen Sender – das, ehrlich gesagt, finde ich um einiges ärgerlicher als eine App.