Zeitungen lesen ist momentan, je nach Tag und Standort, ein eher eingeschränktes Vergnügen. Gestern sollen es nach Angaben des BJV rund 500 Redakteure gewesen sein, die gestreikt haben, davon angeblich alleine rund 200 bei der „Süddeutschen Zeitung“. Der Streik dreht sich im Wesentlichen um die künftige finanzielle Ausstattung des ehrenwerten Redakteursberufs, auch wenn es einzelne Stimmen aus den Kreisen der Streikenden gibt, die meinen, das sei doch eine gute Gelegenheit, mal gleich über das gesamte Selbstverständnis und das Berufsbild nachzudenken (aber es ist dann doch eher unwahrscheinlich, dass das passiert).
Die Gleichung, die man mit jeweils unterschiedlichen Ergebnissen aufmacht, geht so: Hochprofitable Verlage minus medienkrisenbedingte Einbußen ist gleich. Aus Sicht der Redakteure steht am Ende dieser Gleichung als Ergebnis ein „Immer noch so gut verdienendes Unternehmen, das uns von seinen satten Gewinnen mehr geben muss, um die Qualität des Journalismus zu wahren“. Bei den Arbeitgebern steht da lediglich ein „Unternehmen kurz vor dem Untergang“.
Dass diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse zustande kommen, hat natürlich etwas mit der Tatsache zu tun, dass sich beide Parteien in einer Art kriegsähnlichem Zustand befinden, da stirbt die Wahrheit bekanntlich immer zuerst. Das wäre ja dann auch gar kein wirkliches Problem. Eher ist es eines, dass die Diskussionen, die zwischen den Parteien momentan geführt werden, in eine falsche Richtung deuten. Man meint nämlich immer noch, die Krise der Medien sei gleichzeitig auch eine Krise des Journalismus. Respektive auch das: Wenn sich Medien in ihrer bisherigen Struktur nicht mehr finanzieren lassen, dann muss das ja auch auf Journalismus zutreffen (bezeichnend fand ich übrigens einen Kommentar einer ehemaligen DJSlerin gestern bei Facebook auf das dort ebenfalls gepostete Video mit Thomas Knüwer: Man könne sich da ja gleich von der nächsten Dachterrasse stürzen bei soviel Krise).
Es klingt auf den ersten Blick widersinnig, aber die Krise von Medien ist nicht gleichzusetzen mit einer Krise des Journalismus. Mag sein, dass Journalisten ebenfalls vor erheblichen Finanzierungsproblemen ihres künftigen Lebens stehen – aber nur dann, wenn sie sich sklavisch an das ketten, was man heute noch „Medienunternehmen“ nennt. Nicht, dass es solche nicht auch in Zukunft geben würde. Aber dieses klassische Unternehmen wird eben nur noch eine von vielen Publikationsformen sein, die man braucht. Entweder, weil es ab einer bestimmten Größe nicht mehr anders geht, als in Unternehmensstrukturen zu arbeiten. Oder weil es sehr spezialisierte Inhalte herstellen wird; Inhalte, die man eben nicht mal eben am heimischen Rechner mit semiprofessionellem Equipment macht.
Man muss das also auseinanderhalten: Medien sind nicht Journalismus, Journalismus ist nicht zwingend an Medien(unternehmen) angekoppelt. Journalisten und Journalismus sind nicht zwingend abhängig von den Finanzierungsmodellen, wie wir sie bisher kennen. Stattdessen können (und müssen) Journalisten künftig viel mehr zu Publizisten und zu Unternehmern werden; ob sie das wollen oder nicht. Die Zahl der festen Stellen, unser bisheriges Normalverhältnis, wird sinken in den kommenden Jahren, das bestreitet de facto niemand mehr. Es ist trotzdem nicht der Journalismus, der nicht mehr finanzierbar wäre. Es sind Unternehmen mit gewaltigen, eingefahrenen und nicht selten auch restlos sinnbefreiten Strukturen, die nicht mehr zu finanzieren sind. Es sind Produkte, deren Zeit wie in jedem Produktzyklus abgelaufen ist, die nicht mehr bezahlbar und nicht mehr am Markt zu halten sind.
Aber immer da, wo etwas altes kaputt geht, entsteht auch etwas neues. Wenn Medienunternehmen bisheriger Prägung sich nicht mehr finanzieren, bleibt trotzdem der Bedarf nach Inhalt da. Spätestens da sollten Journalisten zu Unternehmern werden, zu Publizisten, zu denen, die den Inhalt nicht einfach nur brav an der Redaktionspforte abliefern, sondern sich zudem überlegen, wie sich eine Geschichte finanzieren und publizieren lässt. Die Wege dazu waren noch nie so einfach, die Produktionsmittel so schlank, so einfach zu bedienen. Noch nie war es so einfach, selber zum Sender, zum Kanal, zur Plattform zu werden.
Immer wieder gerne gelesen in solchen Momenten: Wo denn dann bitte sehr diejenigen seien, die gezeigt haben, dass es geht? Man verweist dann sehr gerne auf die gescheiterten Modelle die es gab und die weiter geben wird), vergisst aber dabei zweierlei. Diejenigen, die es jeden Tag vorexerzieren. Und zudem die Tatsache, dass (wie Stephan Weichert gestern in der NZZ schrieb) der große „Big Bang“ weder in deutschen Redaktionen noch bei deutschen Journalisten geschehen ist. Kurzum, es gibt so gut wie keine Erfahrungswerte, weil es die allerwenigsten bisher wirklich ausprobiert haben. Weil sie immer noch glauben, dass die Krise von Unternehmensstrukturen gleichbedeutend sei mit einer Krise des Journalismus.
Ja. Punkt. 😉
Pingback: Glanzlichter 79: Ramadan, Lockenwickler und die Babylonier « … Kaffee bei mir?
Pingback: Glanzlichter 79: Ramadan, Lockenwickler und die Babylonier | Ruhrbarone
Als Journalist in Festanstellung geht mir dieses „Ist doch gar nicht so schlimm“ latent auf die Nerven. Hätte ich Unternehmer werden wollen, wäre ich Unternehmer geworden und nicht Journalist. Die ach so aufgeblähten Strukturen haben eben auch ihren Sinn: Sie trennen unterschiedliche Kompetenzen und Aufgaben, die nicht zusammengehören, etwa Schreiben und Vermarkten. Klar war es noch nie so einfach, Publizist zu werden – wenn man von 100 Euro AdSense-Einnahmen pro Monat leben kann.
Wortwart hat sicherlich recht und das Beispiel, das er gegeben hat, veranschaulicht sehr gut die Idee, die er akzentuieren will.
Ich hätte es nicht schöner sagen können (und ich mache immerhin genau jenes Geforderte).
In der Tat war es noch nie so einfach, zur Plattform zu werden. Allerdings: Die nötigen Einnahmen verschafft das noch nicht. Denn dass die Produktion – in Teilen – einfacher wird, heisst nicht, dass das Geldverdienen einfacher wird…
Wir stehen mit dieser ganzen Entwicklung erst am Anfang. Und ich hoffe aus gesundem Eigeninteresse, dass sie etwas schneller vorangeht.
@Thomas Wiegold: Alles unbestritten. Ich glaube aber auch, dass das Geld verdienen in journalistischer Festanstellung in Zukunft schwerer wird (weil weniger Stellen). Kurzum, wie Journalismus und Journalisten in Zukunft finanziert werden, ist sicher einer der entscheidenden und spannenden Fragen. Und ich kann mir ganz gut vorstellen, dass möglicherweise die Bereitschaft steigt, auch für die Arbeit einzelner, die nicht festangestellt für ein Label arbeiten, zu bezahlen. Ob das dann tatsächlich so kommt, wer weiß das schon.
Pingback: Lesempfehlung: Journalisten haben keine Medienkrise « * * * * * * * * * jungblut * * * * * * * * * Der Blog der Jungen im BJV
Pingback: Fundstück (102) – Amir Kassaei über Kreativität und Zeitung …