Über die Sache mit den „presseähnlichen Erzeugnissen“ muss man vermutlich noch mal reden. Über den daraus resultierenden argumentativen Unsinn, dass Journalismus künftig weiterhin einzuteilen sei in Print, Radio, Fernsehen und dieses Internetdingens. Über den bizarren Gedanken, dass es weiterhin abgesteckte Claims gibt, deren Grenzen unbedingt zu achten und auf keinen Fall zu überschreiten sind.
Es gibt keine Grenzen mehr, spätestens die Durchlässigkeit des Digitalen als solchem hat sie obsolet gemacht. Genau das ist doch das Besondere an digitalen Medien: dass die jederzeit und überall verfügbar sind, dass sie in der Lage sind, jede Darstellungsform wiederzugeben. Im Digitalen verschmilzt alles: Mag schon sein, dass ein Text ein Text ist (aus journalistischer Sicht wird er das immer bleiben), aber im Netz ist er eben auch nur ein digitales File. So banal wie es klingt: Wer Journalismus macht, macht eben auch digitale Stücke. Das kann ein Text sein, muss es aber nicht.
Genau das versuchen wir seit Jahren, jungen und auch älteren Journalisten auf den Weg zu geben. Die Zeiten, in den Journalisten sich per se für nur eine Form des Darstellens entscheiden konnten, sind im Regelfall vorbei, es sei denn, man beschäftigt sich mit Hirnforschung für medizinische Fachzeitschriften. Da reicht es dann tatsächlich aus, auch weiterhin hübsche Texte zu schreiben. Für alle anderen gilt: Denk dran, dass du in erster Linie ein digitales Stück machst – und denk dann darüber nach, welche Form zu deinem Thema und zu deiner Plattform am besten passt.
Genau deshalb ist es so bizarr, wenn beispielsweise jemand wie Christoph Keese (und mit ihm leider viele andere auch) immer und immer wieder betont, die App der Tagesschau sei ein „presseähnliches Erzeugnis“ und insofern inakzeptabel. Es widerspricht allen Anforderungen an modernen Journalismus – und es widerspricht der Realität, dem Alltag in vielen Redaktionen. Umgekehrt verlangt man ja inzwischen von etlichen Redakteuren in Printredaktionen, dass sie auch video- oder radioähnliche Erzeugnisse herstellen. Das ist nachvollziehbar, weil Journalismus inzwischen so funktioniert.
Umgekehrt heißt das eben aber auch: Wenn Journalismus so funktioniert, dann würde ein Verbot der Tagesschau-App bedeuten, dass man der ARD zeitgemäßen Journalismus verbieten will. Man würde ihr de facto eine Beschränkung auferlegen, die nicht mehr den Anforderungen der Zeit entspricht und an die sich ohnedies niemand mehr hält.
Die jetzige Debatte ist eine Sackgasse. Die Argumente, die dort vorgetragen werden, sind beliebig auf beiden Seiten zerlegbar, weil schon die Diskussionsgrundlage eine falsche, weil nicht mehr existente ist. Was man bräuchte: diese Einsicht bei den klagenden Verlagen. Und eine Rechtsprechung, die sich an Wirklichkeiten und nicht an Vergangenem orientiert.
(Offenlegung: Ich blogge für die FAZ, die sich der Klage gegen die App der Tagesschau angeschlossen hat.)
Zitat: “ … dann würde ein Verbot der Tagesschau-App bedeuten, dass man der ARD zeitgemäßen Journalismus verbieten will.“
Nö, dann sollen sie den aber auch selbst bezahlen! Es kann ja wohl nicht angehen, dass die ÖRes ständig ihren Einfluss erweitern und dafür dann Gebührenerhöhungen einfordern, weil das Geld für alles erdenklich machbare eben nicht reicht. Die sollen Rundfunk machen und ihre Beiträge im Internet archivieren – keine extra Services aus dem Hut zaubern.
Bald kommen dann in der Tagesschau nur noch Schlagzeilen mit dem Verweis, im Internet gibts die dazugehörigen Infos. Zudem ist der Gang ins Netz für die ÖRes deshalb so wichtig, weil sie dann auch Computerbesitzer abzocken können, die sonst nicht fernsehen oder Radio hören. Als Vorbereitung für die große Haushaltsabgabe.
Deshalb gehören alle journalistischen (eigenständigen) Internetangebote der ÖRes strikt verboten. Und dabei sind mir die dubiosen Interessen der Verlage schnurzpiepe. Wir pumpen zwangsweise zig Milliarden ins Staatsfernsehen … bitte nicht auch noch in ein überflüssiges Internetangebot.
Was wäre denn, wenn ARD und ZDF demnächst auch Zeitungen und Zeitschriften verlegen wollen – natürlich nur nach Übernahme der Mehrkosten durch den Gebührenzahler? Da wärt ihr dann auch dafür? Oder was?
Zeitgemäßer Journalismus und ÖRes … dass ich nicht lache …