Wären wir ehrlich, wir Journalisten, die jeden Tag Zeitungen und Sendungen und Onlineangebote mit mehr oder weniger viel Inhalt befüllen, wir müssten unseren verehrten Kunden das Folgende sagen: Liebe Leute, das ist nicht das, was ihr denkt. Das hier ist nicht der ultimative Überblick über das, was heute in der Welt passiert ist. Und das, was ihr hier lest und seht und hört, das ist alles mögliche, nur nicht auch nur ansatzweise objektiv. Es ist ein Ausschnitt dessen, was wir, eine verglechsweise kleine Gruppe von Leuten, heute für relevant gehalten haben. Ob alles, was hier steht, wirklich stimmt, können wir auch nicht garantieren. Aber im Rahmen dessen, was wir konnten, haben wir versucht, das Beste aus diesen eher widrigen Umständen zu machen. Wenn ihr es besser wisst, neue, relevante Informationen habt, gebt sie uns.
Das wäre also eine Form von Ehrlichkeit oder wenigstens Realismus. Anzunehmen ist allerdings auch, dass Zuschauer und Leser der alten Schule, denen man diese Mitteilung machen würde, in Scharen davon laufen würden. Weil Journalisten und die Rolle des Journalismus in diesem bisherigen Verständnis grundlegend anders wahrgenommen wurden. Journalisten waren die Überbringer von Information und Wahrheit, was in der Tagesschau kam, stimmte immer und was in der Zeitung stand meistens auch. Daran gab es nicht viel zu zweifeln, Journalisten musste man nicht mögen, aber sie waren, wenn man so will, eine Autorität. Dass auch eine Autorität irren kann, ist im Weltbild von nicht ganz wenigen Menschen nicht vorgesehen. Der Journalist war bisher also eine Art Zwischenhändler, der Mittler zwischen denen, die etwas mitzuteilen hatten und denen, die Infomationen wollten.
Zumindest letzteres wird er in einer Welt der sozialen Netze immer weniger. Als vergangene Woche Manuel Neuer bekannt gab, was man irgendwie schon ahnte, da brauchte er als ersten Kanal nicht mehr die gute alte Pressekonferenz und Heerscharen von Journalisten. Er brauchte seine Facebook-Seite und einen kurzen Eintrag, dass er bei Schalke nicht mehr verlängern werde. Das war alles. Und das ist im Übrigen ein schöner Beleg dafür, wie schwer sich Journalisten immer noch tun, dieses restlos veränderte Berufsbild in einer digitalen Welt zu verstehen und zu akzeptieren. Auf der einen Seite entstehen Großnachrichten wie der Neuer-Wechsel mal eben im Netz und unter Auslassung des klassischen journalistisch-medialen Wegs. Und auf der anderen Seite haben wir Hauptstadtjournalisten, die nachfragen, ob dieses Twiter überhaupt sicher ist. Wo es doch immer wir waren, die Informationen weitergegeben und gefiltert haben. (Die Redaktion, die es geschafft hätte, irgendwie mit 16.000 Kommentaren umzugehen, hätte ich übrigens auch noch gerne gesehen).
Aber wie schon gesagt: Dieser Aufgabe konnten Journalist ja schon immer nur eingeschränkt nachkommen. Man hat diese Idee von Journalismus und gesellschaftlicher Kommunikation nicht deswegen akzeptiert, weil sie perfekt war. Sondern deswegen, weil es kein besseres gab. Einer der vielen Aspekte der Digitalisierung ist allerdings, dass es jetzt ein besseres Modell für Medien und Journalismus gibt. Es wäre ja auch absurd, würde man in einem Zeitalter, in dem es ein Vielfaches an Quellen und an Information gibt, es als Privileg und Hauptaufgabe von Journalisten betrachten, dass sie aus vergleichsweise wenigen Quellen einen kleinen Ausschnitt des Geschehens irgendwo auf der Welt abbilden.
Ist Journalismus (wie ja manchmal prognostiziert wird) deswegen überflüssig? Natürlich nicht, wenn er das Eingeständnis, dass er bisher eben nur sehr unperfekt abbilden konnte, was wirklich ist, ernst nehmen würde. Denn das würde eine Chance zur Veränderung und zur Neuorientierung geben. Journalisten als Moderatoren und als Kuratoren, als Sammler von Information und Informationsquellen zugleich. Journalisten aber auch als Analysten und Kommentatoren, als Echtzeitbegleiter des Nutzers durch den digitalen Dschungel. Als Begleiter, die dem Nutzer auf Augenhöhe begegnen und bereit sind, dessen Wissen und Können anzunehmen.
Ja, das wäre was. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Journalisten in absehbarer Zeit so arbeiten, wie es der oben beschriebene Disclaimer naheliegen würde — die ist in etwa so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zeitung mit einem solchen Hinweis auf der Titelseite erscheinen wird. Noch diskutieren wir lieber darüber, ob dieses Twitter wirklich sicher ist.
Es gab ja trotzdem eine Pressekonferenz – allerdings erst nach dem Posting auf Facebook. Inhaltlich brachte die Veranstaltung dann auch nichts neues. Das Video vom fast heulenden Neuer war aber emotionaler als der Eintrag auf der Pinnwand.
Das ist wohl wahr…aber trotzdem, so ´ne spektakuläre Meldung erst bei FB absetzen und dann erst zur PK einzuladen, fand ich schon bezeichnend. Aber ist denn dieses FB überhaupt sicher? Kann mal jemand im Internet nachschauen?
Gibt es wirklich Menschen, die Journalisten bedingungslos vertrauen? Möglicherweise liegt es daran, dass ich mit dem Medium Internet mehr oder weniger aufgewachsen bin; vielleicht auch daran, dass es einfach logisch ist; aber es ist doch klar, dass Journalisten unmöglich alles Geschehen abbilden können, dass sie nicht unbedingt alles mitbekommen, was in der Welt passiert und dass auch sie eine gewisse Sichtweise haben, die ihre Berichterstattung prägt. Es wundert mich ehrlich gesagt ein wenig, dass manche Menschen dies anders zu sehen scheinen.
Im Übrigen halte ich es für falsch, dass Journalisten dem Nutzer auf Augenhöhe begegnen müssten. Klar sollen auch Journalisten fähig sein, Kritik anzunehmen; allerdings konsumiere ich viele Nachrichten von Gebieten, auf denen ich mich nicht auskenne. Ich brauche Journalisten, weil ich keine Zeit habe, mir jede Information direkt an der Quelle zu holen. Das tue ich nur in Einzelfällen. Bei Firmen, Produkten oder Menschen, an denen ich wirklich großes Interesse habe und deren Internetauftritte ich daher regelmäßig besuche oder die ich über andere Quellen verfolge. Aber ich verfolge doch nicht jeden Promi auf Facebook und Twitter, weil er vielleicht in ein paar Monaten mal etwas Relevantes zu sagen hat.
Ich erwarte dementsprechend, dass Journalisten wichtige Informationen bündeln, Artikel sauber recherchieren, sich gründlich informieren und mir mit den Artikeln einen Mehrwert liefern; Idealerweise verständlich aufbereitetes Hintergrundwissen zusammen mit aktuellen Entwicklungen.
Das eigentliche Problem der Journalisten liegt meiner Meinung nach darin, dass sie diese Leistung oftmals nicht erbringen. Wenn Beiträge von Nachrichtenagenturen mit wenigen Umformulierungen übernommen oder Informationen schnell ohne gründliche Recherche rausgehauen werden, hat der Journalist keine gute Arbeit geleistet. Ebensowenig, wenn er Informationen ohne tiefergehende Recherche aus Wikipedia kopiert oder einen Newsticker mit dem füttert, was aktuell auf Al Jazeera zu sehen ist.
Natürlich ist mir klar, dass Journalismus auch durch wirtschaftlichen Gegebenheiten eingegrenzt wird. Und sicherlich ist nicht unbedingt immer der Journalist schuld, wenn er nicht zufriedenstellend arbeiten kann, Deadlines und Forderungen des Arbeitgebers ist er eben auch unterworfen.
Aber ganz ehrlich: Für das, was mir die durchschnittliche Lokalzeitung bietet, brauche ich keinen Journalisten.
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Ich glaube die wenigsten Menschen gerade in den jüngeren Generationen sehen Journalisten so idealisiert wie hier dargestellt.
Für mich zumindest war der Journalist zwar schon immer ein Übermittler an Nachrichten, aber es ging zu einem großen Teil eben gerade darum den Überblick über die Massen an Nachrichten zu behalten. Es ging um einen Filter. Und auch wenn es heute möglich ist viele Informationen auch direkt im Internet zu erfahren (ob sicher oder nicht ist in diesem Zusammenhang egal), hilft mir der Filter der die „wichtigsten“ Geschehnisse noch einmal zusammen fasst.
Dazu gehört natürlich auch, dass im Zusammenhang mit wichtigen Geschehnissen auch auf eine Quelle wie Twitter verwiesen werden kann und zu berichten was dort berichtet wurde. Auch hier wird Information gesammelt und gefiltert.