Vor ein paar Monaten war die Euphorie mal wieder einigermaßen groß: Mit dem einfachen Bezahlen von Kleinstbeträgen sollten Nutzer es ermöglichen, dass Journalisten und Blogger wenigstens ein paar Euro einnehmen können — abseits der ohnehin deutlich kümmerlicher werdenden Honorarsätze in den Strukturen konventioneller Medien. Zugegeben, ich war zwar skeptisch, fand aber dennoch, dass die Idee einen gewissen Charme hatte. Jetzt, ein knappes Jahr nach dem Mini-Micropayment-Boom, stelle ich leider fest: Der Skeptiker in mir hatte recht.
Im „Journalist“ hatte ich im letzten Juli ein Stück geschrieben, in dem ich nicht einfach nur vorstellen sollte, wie solche Modelle funktionieren, sondern zudem auch einschätzen durfte, wie wohl die Chancen stünden, dass sich Redaktionen und (freie) Journalisten dadurch neue und nennenswerte Einnahmequellen schaffen könnten. Schon damals war absehbar, dass Flattr aufgrund des relativ einfachen und nachvollziehbaren Modells wohl die größten Chancen haben dürfte, Kachingle hielt ich für ein aussichtsloses, weil zu komplexes und irgendwie auch zu geschlossenes Modell. Kachingle ist (zumindest im deutschsprachigen Raum) nach meinem Eindruck tatsächlich schon am Ende. Ich kannte ohnehin kaum jemanden, der das System bei sich einsetzte. Die wenigen, die es taten, haben es wieder runtergeworfen. Und die, die damit Geld „eingenommen“ haben, müssen sich leicht veralbert vorgekommen sein. Ich kenne jemanden, der mit einem einstelligen Dollarbetrag zu den Top-Verdienern bei Kachingle gehört hat.
Bleibt also Flattr, das im Grundsatz ja wunderbar funktionieren könnte. Es ist für beide Seiten einfach zu bedienen, es funktioniert mit Kleinstbeträggen, es hat also alles, was man an Anforderungen an ein Micropayment-System theoretisch haben könnte. Eingebaut habe ich Flattr letztes Jahr im Sommer und war anfangs auch erstaunt. Nicht, dass man damit Reichtümer verdienen könnte, aber zunächst empfand ich ja schon mal als sensationell, dass überhaupt jemand ganz freiwillig einen Text von mir bezahlte, selbst wenn es nur in Centbeträgen ist. Dieses Gefühl finde ich auch heute noch irgendwie schön, aber unbestritten ist zumindest nach meiner Beobachtung auch, dass auch bei den Usern die Begeisterung für Flattr schon wieder gesunken ist.
Um es konkret zu machen: In den ersten drei Monaten, nachdem ich den Flattr-Button angebracht hatte, kamen jeweils zwischen 50 und 70 Euro im Monat zusammen. Danach ging es stetig abwärts, obwohl die Zugriffszahlen auf dieser kleinen Seite konstant fünfstellig waren und an guten Tagen auch mal in die Richtung der 10.000 gehen. Weniger ist der Output auch nicht geworden, bleiben also zwei Möglichkeiten: Entweder die Texte sind schlechter geworden oder das Flattrn lässt wieder nach. Letzten Monat (also: März) blieben dann gerade mal noch rund 16 Euro übrig. Ich nehme mich da übrigens selbst nicht aus. Als ich meinen Flattr-Account eröffnete, flatterte ich jeden Tag. Inzwischen erinnert mich Flattr manchmal per Mail daran, dass ich den Monat noch gar nichts geflattert habe und mein Guthaben demnächst einem guten Zweck zugeführt wird. Woran das liegt, kann ich mit nüchternen Argumenten nicht erklären. Weder lese ich weniger noch finde ich meine bevorzugten Blogger schlechter.
Was ich ebenfalls beobachte: Auch viele andere Blogger landen bei relativ müden Flattr-Zahlen, selbst solche, die große Blogs mit hoher Reichweite haben. Selbst die taz hat ja schon eingeräumt, dass sie höhere Erwartungen an das Experiment Flattr hatte. Ebenfalls beobachtet: Den Löwenanteil an den verflatterten Beträgen teilen sich sehr wenige auf. Ohne es belegen zu können, würde ich sagen: 80 Prozent landen auf 10 Seiten. Nennt man das also wieder Long Tail?
Für freie Journalisten jedenfalls, da bin ich mir sicher, ist soziales Microypayment zumindest in Deutschland nichts, was auch nur minimal in eine Kalkulation einbezogen werden kann. Nichts, womit sich Arbeit finanzieren ließe. Schade drum — ich würde wirklich gerne lieber anderes schreiben.
New concepts take a long time to get standardized. Also for us it is hard to predict long-term effects and how to best increase the usage of it.
An example of a free-lance journalist using Flattr effectively: http://gutjahr.biz/blog/2011/03/kairo-bilanz/
/josef
Hm, es gibt so gut wie keinen nennenswerten deutschsprachigen Flattr-Content. Würde ich allein die TAZ honorieren wollen – es ginge billiger.
Lausige deutschsprachige Beiträge mit 15 Wörtern werden von mir übrigens nicht honoriert, grundsätzlich nicht, auch kopierter Content zählt nicht, fremde Fotos führen zur Abwertung, bei Software bekommen allein die Autoren positive Bewertungen, nicht aber Clacqueure.
Ich habe Mühe, einen bewertbaren Wortbeitrag pro Tag zu finden, der jetzt nicht von der TAZ kommt.
Übrigens möchte ich persönlich anmerken, dass Ihr Blog, ich lese gerade das erste mal darin, nach meinen Kriterien ungefähr so nützlich ist wie ein Tritt ins Gesicht. Wertloses, wortonanistisches Geblubber von einem Minderbegabten. Ich versuche es so freundlich auszudrücken, dass Sie nicht gleich zu Staatsanwaltschaft rennen. Seien Sie bitte lieber froh, dass Ihnen überhaupt mal jemand Geld dafür geboten hat.
Ich hoffe mein Klick auf den Flattr-Button wird nicht als Zustimmung gewertet, sondern als Versuch, ihre These zu widerlegen, bzw. gegen diese Beobachtungen zu arbeiten.
Kann es sein, dass die sinkenden Flattr-Einnahmen und Ihre eigenes weniger werdendes Flattrn zusammenhängen? Wenn mehrheitlich nur diejenigen selbst flattrn, die selbst einen solchen Button auf der Seite haben, dann wurden keine Einnahmen generiert, sondern einfach etwas Geld untereinander herum gereicht.
Das ist ja so ein bisschen die Kritik, die man bei Flattr schon im Vorfeld geübt hat – dass wir uns das Geld quasi selbst herumreichen. Ich vermute, dass da was dran ist.
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