Bei der „Gelben Reihe“ hat man es inzwischen auch gemerkt: Es soll ein neues Buch zur Journalistenausbildung geben. Eines, das sich bewusst als Gegenentwurf zur „Gelben Reihe“ versteht. Weniger, weil wir auch online publizieren wollen. Sondern weil wir uns verabschieden wollen von Journalismus, dessen Kernideen irgendwann vor 20 oder 30 Jahren entstanden sind. Ob das jetzt gedruckt oder im Netz erscheint, das sagt noch nichts über die Qualität des Ganzen aus, auch wenn ich glaube, dass wir an einer Erweiterung unseres Projektes im Netz aus den verschiedensten Gründen nicht vorbeikommen.
Bei der „Gelben Reihe“ reklamiert man jetzt mehr oder minder für sich, mir mit dieser Idee schon lange zuvorgekommen zu sein. Und dass ich mehr oder minder nur eine gute Idee aufgreifen würde, die man selbst schon vor Jahren gehabt habe. Gabriele Hooffacker (Disclaimer: Wir kennen uns persönlich und sind uns in keinerlei Abneigung oder sonstigen Animositäten verbunden) schrieb darüber nicht nur einen Blogbeitrag, sondern setzte auch einen erstaunlichen Tweet ab (und schrieb einen Leserbrief an den „journalist“, der in der aktuellen Ausgabe über unser Projekt berichtet):
Gute Ideen setzen sich durch, oder: Wie Walther von La Roche das Lehrbuch im Internet erfunden hat
Für einen kurzen Moment dachte ich, es handle sich um Ironie — bis ich feststellte: keineswegs, Gabriele Hooffacker meint das ernst. Nun habe ich vor den Vätern der Journalistenausbildung meinen gehörigen Respekt und natürlich auch für den inzwischen leider verstorbenen Walther von La Roche. Aber dass La Roche das „Lehrbuch im Internet erfunden hat“ ist eine der kuriosesten Behauptungen, die ich seit langem gehört habe. Gabriele Hooffacker will das in ihrem Blog mit folgendem Konstrukt belegen:
Christian Jakubetz selbst hat für das Lehrbuch „Fernseh-Journalismus“ aus dieser Reihe den Beitrag „Für Internet und Handy produzieren“ geschrieben. (…) Diesen Beitrag kann jeder selbst nachlesen, denn Walther von La Roche, Axel Buchholz und ich haben vor vielen Jahren das Lehrbuch im Netz als aktuelle Erweiterung zum gedruckten Buch erfunden. Wir nannten es „Online Plus“; diese Beiträge sind online frei verfügbar.
Das ist ebenso richtig wie es falsch ist — genauso wie es letztendlich das Missverständnis bei der „Gelben Reihe“ belegt, das mich stört. Es ist keineswegs so, dass das gesamte Buch „Fernsehjournalismus“ im Netz erhältlich ist. Und es ist auch keineswegs so, dass die Beiträge, die dort in der Reihe „Online plus“ erhältlich sind, irgendeine onlinespezifische Darstellungsform seien. Es handelt sich schlichtweg um Texte, die man im eigentlichen Buch nicht mehr untergebracht hat und deshalb als PDF´s noch online für jeden verfügbar ins Netz gestellt hat. Der Löwenanteil der Texte ist im Buch, ich würde sagen: 95 Prozent. Über 500 Seiten umfasst das Buch, „online plus“ sind gerade mal zehn relativ kurze Beiträge gestellt. Mit Themen wie „Speicherkarten“, „Lampen und Leuchten“ und „Fachausdrücke“. Daraus abzuleiten, man habe das „Lehrbuch im Internet“ erfunden und mir damit quasi zu unterstellen, ich hätte eine gute Idee der „Gelben Reihe“ lediglich aufgenommen, finde ich dann schon, nunja, erstaunlich. Zumal es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Netz und Buch nicht gibt: Wer die Beiträge aus der Reihe „Online plus“ liest und das Buch nicht, dem ist nicht im Geringsten geholfen.
Wenn man einen Blick auf die Selbstbeschreibung dieses Buches wirft (und sie steht sicher exemplarisch für vieles der Reihe), dann zeigt sie unfreiwillig, woran es denn hakt bei der Ausbildung: Seit einem Vierteljahrhundert sei sie nun das Standarwerk für die TV-Ausbildung, was sicher richtig, auf der anderen Seite aber eben auch bezeichnend ist. Die Moderationstipps im Buch (gibt´s auch im Bereich „Online plus“) stammen von Hanns Joachim Friedrichs. Friedrichs war ein großartiger Anchor, allein: Friedrichs ist seit 15 Jahren tot und moderierte seine letzten „Tagesthemen“ 1991. Sogar sein Nachfolger Ulrich Wickert ist inzwischen schon wieder ein paar Jahre im Ruhestand.
Meine eigenen Erfahrungen mit der „Gelben Reihe“ waren gleichfalls ernüchternd. Ein Buch zum Thema Crossmedia schlug ich dem Verlag vor ziemlich genau dreieinhalb Jahren vor. Man sagte mir damals ab, mit der Begründung, man sehe beim besten Willen nicht, inwieweit „Crossmedia“ ein eigenes Buchthema sei. Aber ich könne ja evtl. mal für die nächste Ausgabe des Buches über Onlinejournalismus ein paar Zeilen zum Thema schreiben. Machte ich nicht und schrieb stattdessen im UVK ein eigenes ganzes Buch über „Crossmedia“, das sich übrigens gar nicht mal schlecht verkauft hat.
Die „Einführung in den praktischen Journalismus“, immer noch das Flaggschiff in der deutschen Journalistenausbildung, können Sie übrigens momentan auch bei Amazon und anderen bestellen. Die letzte Ausgabe, laut Beschreibung völlig neu überarbeitet, stammt aus dem Jahr 2003. Von „Online Plus“ und anderen kleinen Extras ist dort übrigens nirgends die Rede.
Warum ich das schreibe? Persönlich habe ich wenig Lust auf eine Auseinandersetzung mit der „Gelben Reihe“, eigentlich ist sie mir vollständig egal, weil ich sie schon lange nicht mehr als wirklich relevant wahrnehme. Und meinetwegen stehen wir irgendwann in einem gesunden Konkurrenzverhältnis, auch recht. Nur dass ich von einem komplett analog denkenden Laden die Erfindung des Lehrbuchs irgendwie plagiert haben soll, das, liebe Frau Hooffacker, geht mir dann doch ein kleines bisschen zu weit.
Lieber Herr Jakubetz, ein paar Richtigstellungen: 1. Die aktuelle Ausgabe der Einführung in den praktischen Journalismus stammt von 2008. Sie hätten nur dem von mir mitgelieferten Link folgen müssen: http://www.journalistische-praxis.de/jourprax/pj2.html 2. Die aktuelle Ausgabe vom „Fernseh-Journalismus“ besteht keineswegs allein aus den zusätzlichen Beiträgen wie diesen hier: http://www.journalistische-praxis.de/fern/online_beitraege.html Fast ebenso viel machen die Erweiterungen online aus: http://www.journalistische-praxis.de/fern/online_ergaenzungen.html. 3. Nochmal ein paar Dutzend Mehrwert-Beiträge finden sich zudem im Online-Auftritt zum Buch (Beispiel: hier à http://www.journalistische-praxis.de/fern/fernseh-special.html oder hier à http://www.journalistische-praxis.de/fern/berufsalltag.html
4. Die Bände „Fernseh-Journalismus“, „Radio-Journalismus“ usw. wären wohl kaum Klassiker, wenn sie nicht regelmäßig in völlig überarbeiteten Auflagen herauskommen würden. Beim Fernseh-Journalismus ist das demnächst die 9. Auflage – wieder mit einem Beitrag von Ihnen. Und diese Reihe soll keinen Nutzwert für junge Journalisten haben?
5. Die Nutzerzahlen rund um den Webauftritt der Gelben Reihe zeigen uns, dass wir mit der Online-Erweiterungen richtig liegen. Also sehen wir’s sportlich: Ich wünsche Ihrem Projekt viel Erfolg!
Herzliche Grüße,
Gabriele Hooffacker