Soso, man will das alles gar nicht so sehr mit diesen Sozialen Netzwerken, hat uns u.a. die „WuV“ jetzt wissen lassen. Weil das eh alles nicht wirklich funktioniere und tendenziell ja überschätzt sei, so wie das ganze Internet. Dabei wäre es vielleicht sinnvoll, Ursachenforschung in die andere Richtung zu betreiben — um dann die Frage zu stellen: Funktioniert das ganze Social-Media-Gedöns vielleicht deswegen nicht, weil man meint, soziale Netzwerke seien eine Art Selbstläufer, bei dem man nur sein Firmenlabel draufpappen und ein bisschen nettes Marketinggewäsch dahersäuseln muss? Weil man meint, ein Kunde, ein Nutzer, ein Leser müsse glücklich sein, nur weil es das Unternehmens seines Misstrauens jetzt auch bei Facebook gibt?
Dass die Bahn momentan in ein veritables Social-Media-Desaster mit ihrer Kampagne zur Einführung eines neues Tickets schlittert, ist noch nicht mal ein so großes Wunder. Wer momentan mit einem unbeherrschbaren Thema wie Stuttgart 21 zu kämpfen hat, darf sich nicht wundern, wenn dann auch ein Kanal wie Facebook mit dem Thema zugeballert wird, selbst wenn man nur ein Ticket verkaufen will. Ausnahmesituation also (obwohl bei der Bahn die Ausnahmesituation ja fast schon wieder Alltag ist). Erstaunlicher und bezeichnender ist der dunkelgraue Social-Media-Alltag von Firmen und Medienunternehmen, die zwar postulieren, die Segnungen begriffen haben, dann aber letztendlich doch nur RSS-Feeds irgendwo reinlaufen lassen oder albernes Werbedeutsch verbreiten.
Nehmen wir mal die Freunde von der Telekom, die gerade eben ihr Monopol mit dem iPhone verloren hat. Keine Ahnung, ob man auch deswegen in sozialen Netzwerken einiges an Aktivität an den Tag legt. Jedenfalls gibt es die Telekom bei Facebook, wo man sich als Produktester für ein neues HTC-Handy bewerben kann (was natürlich nichts mit dem Verlust des iPhones-Monopols zu tun hat, trotzdem schwärmt man jetzt schon wie wild vom neuen HTC). Und bei Twitter gibt´s einen Account namens @Telekom_hilft.
Bisher war mir dieser Kanal nicht so sehr durch tatkräftige (Über-)Lebenshilfe im magentafarbenen Dschungel aufgefallen. Sondern eher als Werbesäusler, die in einer Tour auf neue Produkte und Tarife hinweisen und ansonsten den Tag gerne mit dem Hinweis beenden, dass er supisupisupi war und dass man sich eigentlich nichts Schöneres denken kann, als den ganzen Tag „Service in 140 Zeichen“ anzubieten. Normalerweise bin ich ja dafür, solche „We love what we do“-Gesummsel nicht mal zu ignorieren. Aber weil ich am Freitag ziemlich spontan ein kleines T-Mobile-Problem bekommen habe, dachte ich mir: Versuchst du es mal. Zumal ich es zunächst auf konventionellem Weg versucht hatte und eine Mail an eine Adresse geschrieben hatte, die ja in sich schon irgendwie ein Paradox ist: kundenservice@t-mobile.de. Und immerhin, innerhalb allerkürzester Zeit kam tatsächlich eine Antwort:
Nun gut, denkt man sich, ist zwar automatisiert, aber besser als nix. Und „in Kürze“, das klingt vielversprechend, wenn auch relativ. Zumal ich schon mal früher dorthin hingeschrieben habe und erst nach drei Tagen eine manuelle Antwort erhielt, in der man mitteilen ließ, da leider auch nicht weiterhelfen zu können. Die Frage, ob man eigentlich immer drei Tage für eine solche Antwort benötige, ließ der Kundenservice unbeantwortet (sie werden wissen warum). Passiert ist jedenfalls auch diesmal, was irgendwie zu erwarten war: Auch wenn Kürze ein relativer Begriff ist, habe ich nach ein paar Stunden dann doch etwas die Geduld verloren, zumal meine Frage eine eher simple (trotzdem aber dringende) war. Also nochmal geschrieben, mit dem Hinweis, dass meine Frage simpel, aber dringend sei. Und ob es möglich sei, sie noch heute im Laufe des Tages zu beantworten (die ursprüngliche Mail hatte ich am ziemlich frühen Vormittag geschrieben).
Und weil es ja nicht so ist, dass die Telekom auf drängelnde Kunden nicht eingestellt wäre, kam die Antwort umgehend. Nämlich mit einer Mail (standarisiert), dass ich mich offensichtlich nochmals mit meinem Anliegen an T-Mobile gewendet habe und dass ich schon in Kürze…
Das mit der Kürze kennt man ja inzwischen bei den hilfsbereiten Herrschaften. Weswegen mir in meinem ganzen Elend einfiel: @Telekom_hilft! Twitter! Service in 140 Zeichen! Meine Rettung. Deshalb Frage und Bitte in 140 Zeichen:
Die Herrschaften von @Telekom_hilft kreieren danach eine völlig neue Form: Service in null Zeichen! Sprich: keine Antwort. Aber möglicherweise habe ich mich ja auch einfach nur missverständlich ausgedrückt, oder jemand hat den Tweet übersehen oder die sind überlastet, weil so viele Menschen gerade Service in 140 Zeichen wollen. Was aber irgendwie nicht wirklich plausibel ist, weil man immerhin zwischendrin Zeit für die generelle Miteilung gefunden hat, dass das iPhone ein tolles Telefon, aber das neue HTC mindestens genauso gut sei. Also nutze ich die Gelegenheit, als der Account gerade mal wieder postuliert, wie geil das ist, wenn man den ganzen Tag jemandem helfen könne, um vorsichtig nochmal die Hand zu heben:
Überrascht, dass es wieder keine Antwort gab? Nein? Ich zwar auch nicht, aber ich kann ja hartnäckig wie Beulenpest sein. Und deswegen nochmal der Versuch, diesmal in etwas, nunja, deutlicheren Worten:
Danach: Kapitulation. Drei Tweets, drei Mails, keine Reaktion, außer der vollautomatisierten, dass man bestimmt in Kürze irgendwann vielleicht mal antworten werde. Das heißt, halt…da gibt´s ja auch noch Facebook, wo sich die kundenfreundliche Telekom inzwischen ebenfalls versammelt hat und dort bejubelt, dass man seit September schon über 2000 Fans gewonnen habe (nebenbei bemerkt ist auch das so eine Sache: Um eine Antwort auf eine Frage zu bekommen, MUSS ich Fan dieser Seite sein, was sprachlich gesehen irgendwie Panne ist. Ich will kein „Fan“ eines Konzerns werden und Freund eigentlich auch nicht, ich will verdammt noch mal nur eine Antwort auf eine Frage).
Ich verpasse der Seite also auch einen Like-Button, was zu den dreistesten Lügen meines Lebens gehört. Die kleine Flunkerei lohnt sich zudem nicht, weil der Großkonzern Telekom soziale Netze so verstanden hat, wie man sie in der analogen Welt eben so versteht: Es gibt Facebook-Bürozeiten, das Netz schläft am Wochenende. Montag bis Freitag, 8 bis 20 Uhr. Wer danach oder dazwischen irgendwie mit seinem frisch gewonnen Freund Telekom kommunizieren will, hat Pech gehabt (und ich gehe davon aus, dass dies angesichts des morgigen Feiertages auch für den Montag gilt). Kein Wunder also, dass man bei Facebook eine ganze Reihe von kleinen Problemen und unfreundlichen Beschimpfungen lesen kann, die unkommentiert bleiben. Es ist ja schließlich Wochenende und am Wochenende hat auch das Netz Ruhe zu geben. Einer beschwert sich interessanterweise, dass Kundenservice und Qualitätsmanagement zwischenzeitlich anscheinend wieder auf altem und damit leider nicht so sehr zufriedenstellenden Niveau angekommen seien. Antworten gibt es keine, man liest aber in den Dialogen mit den Kunden dafür umso lieber den Hinweis auf die neuen Kracher-Tarife und natürlich das neue HTC, das ich nicht kenne und momentan auch nicht kennenlernen will, weil ich es schon für nervig genug halte, dass mein iPhone gerade nicht will und ich von der hilfsbereiten Telekom keinerlei Antwort bekomme und vermuten muss, dass dies frühestens am Dienstag der Fall sein wird, rund 100 Stunden nach meiner ersten Mail. Wenn überhaupt. Die müssen ja vermutlich erst mal den ganzen Krempel des langen Wochenendes abarbeiten.
Soziale Netzwerke funktionieren nicht? Das Problem ist ein anderes: dass nämlich viele — Redaktionen und Medienhäuser keineswegs ausgenommen — schlichtweg nicht begriffen haben, wie das funktionieren könnte. Wer sich in ein soziales Netzwerk begibt, gibt gleichzeitig ein Versprechen ab. Das Versprechen, kommunizieren zu wollen. Und keineswegs nur Werbungsgesumms abzuliefern. Zumindest könnte man das als Kunde, der ja immerhin gleich Fan werden soll, erwarten. Standardmails, automatisierte Feeds und vollständig sinnbefreites Gerede will man dort also gerade nicht (gut, das will man sonst auch nicht, aber hier noch weniger).
In der W&V, um auf den Anfang zurückzukommen, postuliert man u.a., dass es das eine oder andere Unternehmen gegeben habe, dass ungebremst in einen Social-Media-Gau geraten sei. Man muss kein Internet-Hasser sein, um zu prophezeien: Da wird es auch weiterhin einige geben. Weil sie sich immer noch weigern, sich ernsthaft mit jenem Medium zu beschäftigen, das ihnen irgendwann mal die Zukunft sichern soll. Mein nächstes iPhone jedenfalls kaufe ich bei Apple, vertragsfrei. Ist das nicht hübsch bezeichnend?
Update 1.11. 16 Uhr: Der Twitter-Account @Telekom_hilft hat sich inzwischen gemeldet und bedauert, dass sich der Kundenservice noch nicht gemeldet hat. Ich solle ihnen doch bitte followen, damit wir per DM kommunizieren könnten. Ich followe denen zwar schon lange, aber immerhin, ein Lebenszeichen. Was man vom Kundenservice nach wie vor nicht sagen kann.
Update 1.11., 18 Uhr: Via DM hat sich der Twitter-Account jetzt bei mir gemeldet und darum gebeten, dass ich per Mail meine Kundendaten schicke. Habe ich jetzt gemacht. Verstehen muss ich das ja jetzt nicht, oder? Der Kundenservice, den ich am Freitag vormittag und somit vor über 100 Stunden angemailt habe, schweigt. Dafür bekomme ich Tweets von der Telekom, dass ich ihnen mailen soll.
Also bei der Service-Hotline von T-Mobile wurde mir bisher immer sehr rasch geholfen. Und die sind glaub ich sogar 24/7 kostenlos erreichbar…
Noch viel Erfolg!
Ja, so läuft das bei der Telekom.
Meine eigene Ansprache an den Twitter-Account @Telekom_hilft wurde ja zumindest nach gut eineinhalb Tagen beantwortet. Nicht zuletzt aufgrund einer massiven Fürsprache, sprich: Nerverei durch mehrere meiner Follower per @-Replys an diesen Telekom-Account. Schließlich also die die Antwort von @Telekom_hilft: Bitte folgen Sie uns, damit wir das weitere Vorgehen per DM abstimmen können. Also folgte ich dem Twitteraccount der Telekom, nicht ohne den im Artikel beschriebenen Magengrimmen.
Kurz darauf also die erhellende DM der Telekom: Bitte schildern Sie uns das vorliegende Problem per E-Mail. Ach ja, hätte man das nicht auch per @-Reply ohne Folgepflicht schreiben können? Aber man braucht wohl Follower, um den Erfolg der Social-Media-Aktion nachweisen zu können.
Also schrieb ich in einer umfangreichen Mail noch einmal das zusammen, was die Hotline durch vier Anrufe nicht klären konnte – und was folglich ohnehin schon in meiner Customer History bei der Telekom en detail zu finden sein musste. Einige Stunden ein Anruf einer Mitarbeiterin von @Telekom_hilft. Sehr freundlich wurde mir erklärt, dass man mir in der Sache auch nicht helfen könne, man mir aber als kleinen Ausgleich für die erlittenen Qualen einen 15-Euro-iTunes-Gutschein schenken könne.
Ich habe das Geschenk akzeptiert und @Telekom_hilft auf Twitter wieder entfolgt. Aber was ist jetzt durch @Telekom_hilft nochmal einfacher oder besser geworden? Solange sich diese Abteilung der Telekom nicht in die bestehenden Unternehmensprozesse einklinken kann, wird sie dem Kunden nicht wirklich helfen können. Bei der Telekom wird Social Media als reine Marketingaktion gesehen, die Unternehmensstrukturen für die kundenorientierte Kommunikation sind aber offenbar noch nicht geschaffen.
Disclaimer: Als gelernter Direktmarketer beschäftige ich mich auch beruflich mit solchem Zeug.
Den Rant in der w&v würde ich als Old-Media-Initiative der Agenturen betrachten, zur Rettung eines überholten Geschäftsmodells, namentlich der klassischen One-Way-Werbung.
Zum Thema Bahn/Facebook ist übrigens der Brouhaha-Podcast von @podpimp & @luebue sehr empfehlenswert. Standpunkt ist dort, dass die Bahn eben *nicht* ein Social Media Desaster erlebt: http://www.brouhaha.de/2010/10/brouhaha-25-chefticket-der-bahn-in-der-facebook-falle/
Gerade weil die Ts das Monopol für die IPhones verloren haben, sollten man doch erwarten das der service besser wird. Ist dem nicht so???
Wenigsten wurdest Du vom T nicht angezockt. Das kann dir bei comtech schnell mal passieren. musst mal den erfahrungsbericht über comtech lesen.
Das die Telekom mit den neuen Medien klarkommt, dass hat sie schon mehrmals bewiesen.
vg