Man muss schon irgendwie die Angst langsam herauf kriechen spüren, um so etwas zu tun: Der BDZV will sich jetzt mehr um jüngere Leser kümmern, was insofern naheliegend ist, weil es von denen nicht mehr so rasend viele gibt, deren bevorzugtes Medium die gute alte Tageszeitung ist. Man müsste also ran an diese junge Zielgruppe, weswegen man eine GmbH mit dem originellen Namen „Jule“ gegründet hat („Jule“ soll wohl abkürzend für „Junge Leser“ stehen, woran man dann wieder sehr schön bemessen kann, wie sehr die Verlage von den Jules entfernt sind; die Zielgruppe wird angesichts solcher netten Wortschöpfungen vermutlich sofort in ekstatische Begeisterung ausbrechen).
Mit der Gründung von „Jule“ räumt der BDZV allerdings nicht nur ein, dass es sich um das Jungvolk vielleicht ein bisschen wenig gekümmert in den Jahren des Internets. Er gibt auch zu, dass er das junge Publikum eigentlich gar nicht richtig kennt. Schließlich ist es Ziel und Zweck der Gesellschaft, erst einmal herauszufinden, wie man effizient junge Leute für die Zeitungen gewinnt. Im putzigen Pressemitteilungsdeutsch liest sich das dann übrigens so, dass die Verlage die Jugend „erobern“ wollen.
Das Problem der Eroberer könnten in vielen Fällen allerdings sie selbst sein. Und nein, jetzt kommt nicht wieder die alte Leier von den fehlenden Angeboten im Online-Bereich (das IST natürlich ein Problem, aber auf dieser kleinen Seite schon hinreichend besprochen worden). Die Probleme liegen zusätzlich anderswo: Zum einen darin, dass sich das Modell Tageszeitung, von allem ein bisschen, meistens ganz gut, aber nur selten wirklich herausragend zu sein, vor allem bei den Regionalblättern zu überleben beginnt. Es gibt für alles und jeden gute Informationen, die Jules, die der BDZV so gerne erobern will, sind mit dem Wissen aufgewachsen, sich Informationen, Inhalte, kurzum alles was sie interessiert an allen möglichen und unmöglichen Stellen dieser Welt zu suchen. Oder noch besser: darauf zu warten, dass diese Infos dann irgendwann mal bei ihnen eintrudeln, ob jetzt per sozialem Netzwerk, via RSS oder auf dem Handy, das spielt für sie keine wirkliche Rolle mehr. Das bedeutet zuvorderst: Den eigentlichen großen Nutzen, den die Tageszeitung früher unbestritten für sich in Anspruch nehmen konnte, den gibt es nicht mehr. Der Ansatz, den die Jule-Initiative erahnen lässt, läuft irgendwie auf Jugendseiten und andere ebenso nette wie nutzlose Insellösungen heraus.
Und selbst wenn man unterstellen würde, die Jules würden nun alle aus unerfindlichen Gründen wieder ihre Liebe zum gedruckten Papier entdecken: In vielen Redaktionen lauert ein tiefsitzendes Problem namens Altersstruktur. Redakteure jenseits der 40, die häufig den Kern der Truppe ausmachen, werden kaum in der Lage sein, den Ton zu treffen und die Themen zu finden, die für die zu erobernden Kids relevant sind. Ich hab´nix gegen 40jährige, ich habe selbst eine Vier als erste Zahl im Alter stehen. Aber ich würde mir auch auf gar keinen Fall zutrauen, ein Medium zu machen, das 15- oder 20jährige heute interessant finden. Dementsprechend staubig und ungelenk kommen dann auch viele Blätter im Ton daher. Tageszeitung hat nichts Cooles, nicht als Medium, nicht als Inhalt – mir ist unerfindlich, warum heute ein 20jähriger die „Passauer Neue Presse“ oder vergleichbares lesen sollte, so tüdelig, behaglich, behäbig viele von ihnen des Wegs kommen. Das ist wie mit dem Rentner, der plötzlich Jeans anzieht und locker sein will: Im schlimmsten Fall wird er ausgelacht. Im besten Fall ignoriert. Die Chancen, als relevant oder wirklich cool wahrgenommen zu werden, tendieren gen null.
Der Ansatz von Jule ist zudem auch aus anderer Sicht falsch: Er geht immer noch davon aus, dass das Geschäftsmodell, das eigentlich relevante und wichtige Medium Zeitung heißt. Man begreift einfach nicht, dass viele Jules Zeitungen nicht lesen, weil sie Zeitungen sind. Das ist keine wirklich schöne Erkenntnis, ändert aber nichts an ihrem Wahrheitsgehalt. Menschen kaufen ja auch nicht immer weniger CD´s, weil sie keine Musik mehr mögen, sondern weil sie keine CD´s mehr haben wollen. Man würde in dem Zusammenhang dann gerne den durchschnittlichen Kommentar eines durchschnittlichen Wirtschaftsredakteurs einer durchschnittlichen Zeitung lesen, würde die Musikindustrie eine Initiative zur Förderung des CD-Verkaufs starten. Man würde vermutlich lesen, wie albern das sei, sich so an den Datenträger CD zu klammern, dessen Ende absehbar ist.
Es müssen einem dann schon die Argumente ziemlich ausgegangen sein, wenn man ernsthaft behaupten will, das „verschiedene Studien“ belegen würden, junge Menschen, die regelmäßig Zeitung läsen, würden in Schule und Beruf weitaus bessere Leistungen erbringen als die Nicht-Lesenden. Das mag im Ansatz schon richtig sein, wenn man den Begriff „Zeitung“ weg lässt. Wer liest, weiß mehr, das ist eine ebenso uralte wie banale Erkenntnis. Nur dass die Zeiten, in denen man problemlos „Lies Zeitung, das macht schlau“ sagen konnte, lange vorbei sind.
Das Zeitungen bei vielen jungen Menschen so unbeliebt sind, liegt vielleicht auch daran, dass Zeitungen ohnehin schwindende Auflagen zu beklagen haben. Ich kenne viele Haushalte, in denen Tagszeitungen und Magazine kaum noch gelesen werden. Wie sollen dann Kinder und Jugendliche jemals erkennen, welchen Wert das Zeitunglesen haben kann.
Für unsere Tochter – glaube ich – spielt es eben auch eine Rolle, welchen Nutzwert eine Zeitung für sie persönlich hat. Seit Jahren ließt sie die Kinder- und Jugendausgabe der Spotlight. Wir als Eltern freuen uns natürlich darüber, und glauben, dass dies sich auch in den sprachlichen Fähigkeiten der Tochter deutlich widerspiegelt.
Als Tageszeitungsleser (Abonnenten) haben wir unseren Kindern auch vorgelebt, dass die Morgenlektüre beim Frühstück immer dazu gehört. Inzwischen färbt das ab. Während sich unsere älteste Tochter vornehmlich für das Feuilleton interessiert, ließt unsere Jüngste meistens die ganze Zeitung, zumindest tut sie das an den Wochenenden.
Aber ganz ehrlich: mit meiner eigenen lokalen Online-Zeitung habe ich bisher bei meinen Mädels auch noch keine Begeisterungsstürme auslösen können. Aber das kommt vielleicht noch.
Die Lösung ist ganz einfach: Sich einfach mal was trauen. Die 24-jährigen Volontäre/Praktikanten/(wie auch immer) nicht die mini-Meldungen schreiben lassen, sondern drauf losfragen: Wie würdet ihr das machen? Was macht für euch eine gute facebook-Seite aus? Usw …
Dass der „Nachwuchs“ (sprich die Digital Natives) nämlich ganz anders tickt, haben bisher sehr wenige verstanden. Man kann sich jetzt natürlich intellektuell à la „die Jugend von heute“ darüber aufregen ODER man passt sich an, wenn man sein Format wirklich zielgruppennah vermarkten will.
Und ich finde es selbst immer wieder schade, wenn auf facebook-Seiten von Firmen oder Zeitungen nur aktuelle Meldungen angekündigt werden. Der Sinn von Social Media geht dabei verloren. Es geht doch um Interaktion. Mutig sein und Fragen stellen: Wie gefällt euch der Beitrag? Wovon wollt ihr mehr hören? Kommt ihr auch zu diesem Event? Wie erlebt ihr diese Situation (über die berichtet wird)?
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