Ist es ein Skandal, wenn jemand Twitter nicht mag? Wenn er es belanglos, langweilig findet und für irrelevant hält? Natürlich nicht. Man kann ja schließlich niemanden zwingen, wenn er sich an einer womöglich wirklich belanglosen Unterhaltung nicht beteiligen will.
Ist Twitter langweilig, belanglos, dummes Gerede? Das kommt drauf an, interessanterweise vor allem darauf, was man selber daraus macht. Wählt man sich die Leute, denen man folgt, mit ein bisschen Bedacht aus, ist die Chance, jeden Tag Wissenwertes, Spannendes, Unterhaltsames zu lesen, einigermaßen groß. Es ist wie im echten Leben: Geht man abends mit ein paar Langweilern in eine Bar, wird der Abend vermutlich vor allem langweilig werden. Mit ein paar guten Kumpeln sieht der gleiche Abend sofort ganz anders aus. Obwohl es die selbe Bar ist – der Laden kann ja schließlich nix dafür.
So banal wäre die Erkenntnis also soweit und so einfach könnte man eine Diskussion über Twitter (und viele andere Netzwerke) wieder beenden. Erstaunlich daran ist nur, dass es solche Debatten immer wieder gibt: böses Twitter, gutes Twitter, die einen lieben es, die anderen hassen es. Dazwischen gibt es fast nichts — und die Reaktionen fallen auf beiden Seiten dann entsprechend aus.
Die „Saarbrücker Zeitung“ beispielsweise hat für ihren Lokalteil eine interessante Idee gehabt, nämlich mal nachzusehen, was die Politiker aus der Heimat so alles bei „Twitter“ treiben. Wenig überraschend: Es waren auch Banalitäten dabei, beispielsweise die Mitteilung, es sich jetzt auf dem Balkon mit einem kalten Bier gemütlich zu machen. Oder dass man mit David Garrett im selben Flieger sitze oder gerade Mittagessen aus eigenem Anbau einnehme. Kurzum, es ist bei Saarbrückens Lokalpolitikern so wie bei Twitterern aus der ganzen Welt: Manches überfliegt man und vergisst es sofort wieder. Manches wiederum vielleicht auch nicht. Das ist auch das Problem an der Geschichte des Blattes: Es finden sich nämlich nur Tweets zum Vergessen in ihr. Was insofern etwas absurd, mindestens aber unfair ist, weil man dann doch davon ausgehen kann, dass sich auch der eine oder andere halbwegs intelligente Tweet saarländischer Politiker finden wird.
Aber es ist diese Haltung, die Gegner des digitalen Lebens gerne einnehmen. Wenn es um Blogs geht, verweisen sie gerne auf Katzencontent und übersehen geflissentlich, wie viele lesenswerte, herausragende Beiträge es jeden Tag in irgendwelchen Blogs gibt. Facebook ist eine Ansammlung exhibitionistischer Teenager und anderer Nervensägen, wobei man ebenfalls gerne übersieht, dass es dort jeden Tag auch Verweise auf gute Geschichten irgendwo in den Weiten des Netzes gibt (einige andere heikle Themen bei Facebook sind davon jetzt mal unberührt). Kurzum, man hält die Tatsache, dass jetzt eben auch andere publizieren können, für eher unangemessen.
Auf der anderen Seite verfolgt man dann die Blogdebatte vor Ort ein bisschen mit und denkt sich, dass diese beiden Kulturen, analog und digital, offenbar wirklich unvereinbar sind. Dass der eine den anderen nicht verstehen kann. Dass es das auch sein könnte, was diese gegenseitige Abwendung immer weiter beschleunigt. Wobei allerdings Redaktionen wie die „Saarbrücker Zeitung“ auf Dauer das größere Problem haben. Nicht nur, dass sie digitale Medien augenscheinlich wirklich nicht mögen. Noch viel schlimmer: Sie verstehen sie anscheinend nicht. Und wer sie nicht versteht, sollte sich besser auch nicht in ihnen bewegen.
Pingback: Twitter und die Saarbrücker Zeitung « Bachmichels Haus
Klar, ein Skandal ist es nicht, dass Langweiler manchmal langweilig sind, und sicher hätte ich mir meinen Blogpost auch sparen können. Mich stört auch nicht, wenn jemand Twitter trivial findet oder unnötig. Gerne, jedem Tierchen sein Pläsirchen.
Was mich stört ist, wenn jemand bei Leuten (in diesem Fall die Leser der Saarbrücker Zeitung) die sich zum größten Teil nicht auskennen, qua Status als Journalist sich als Kenner der Materie ausgibt und etwas ins Lächerliche zieht. Und man merkt, der der schreibt kennt sich nicht wirklich aus. Wenn er beide Seite beleuchtet hätte, gerne. Klar sind wir alle auch oft trivial unterwegs und die Zitate sind ja auch nicht gefälscht, aber den Eindruck zu erwecken, das sei die ganze Realität auf Twitter, das finde ich ärgerlich.
Vielleicht kommt ja so jetzt doch ein Dialog zustande, und dann hätte der Blogpost ja vielleicht doch etwas erreicht.
Pingback: CARTA
Ich bin einer der Politiker, die seit langer Zeit intensiv bloggen und seit 2009 auch twittern und Facebooken. Warum ich dies trotz all der bürgermeisterlichen Belastungen mache? Ich schätze die Saar-Twitterer und ihren Umgang untereinander sehr. Kompetente Menschen, die sich vernetzen, Informationen austauschen, zuweilen auch mal rumalbern wie im richtigen Leben – die aber auch in der Lage sind, Veranstaltungen zu organisieren (SaarCamp), charmanten Referentinnen (z.B. @wissensagentur) und Referenten zuzuhören, die selbst Wissenstransfer organisieren, die politische Abläufe und ihre Hintergründe erläutern: DAS ist Twitter. Und auch bei Facebook habe ich viele kreative, witzige, intelligente Menschen in meiner Timeline. Ich genieße dies – und übersehe den Trash und die Albernheiten – oder spiele das Spiel mit. Die SZ hat all das nicht kapiert. Oder sie wollte mal so richtig glossieren. Ist aber dann ganz falsch geworden. Kommt ja auch vor, dass mal als Journalist mal danebengreift. Dann soll man bitte auch dazu stehen. Dazu gehört aber das VER-stehen. Das wünsche ich mir für die Zukunft. Der Zeitung und ihren Journalisten wird auch gar nichts Anderes übrig bleiben. Es gibt nämlich keine analoge Welt in der digitalen. Da werden Einige noch ihr blaues Wunder erleben.