Tief im Westen (4): Fade to grey

Ich glaube, mit meiner Begeisterung für den Ruhrpott wird das nix mehr. Nach wie vor kann ich nicht erkennen, was so großartig an dieser Gegend sein soll. Das Projekt „Kulturhauptstadt“ hat mich bisher keineswegs überzeugt. Wenn es wirklich so ist, dass ein solcher Titel damit verbunden ist, dass man die Besonderheiten einer Region darstellt, dann hat der Pott entweder keine Kultur, keine Besonderheiten oder einfach nur ein schlechtes Kulturhauptstadtmanagement.

Ich werde auch nicht zu denen gehören, die euphorisch über den großen Wandel schreiben, der hier angeblich im Gange ist. Ich war heute in Duisburg-Marxloh, habe einen sehr kreativen und interessanten Menschen getroffen — und trotzdem keineswegs den Eindruck, das Marxloh gerade im Aufbruch von einem trostlosen Viertel an der äußersten Peripherie einer trostlosen Stadt zu einem hippen Szenequartier ist.  Am Samstag habe ich mich an der Emscher bei Gelsenkirchen rumgetrieben, die momentan mit einem enormen Aufwand renaturiert wird. Mein Jubel fiel dennoch bescheiden aus, weil sie momentan ganz schön stinkt, die Emscher, und man sich nicht dauernd die Nase zuhalten kann. Außerdem ist mir nicht klar, was der Versuch aus einer Kloake wieder einen Fluss zu machen, mit Kultur zu tun hat, obwohl: Man spricht ja auch von Kulturbeuteln im Bad und das alles ist einfach nur ein großes Missverständnis.

Ich geb´s ja außerdem zu: Dieses Einheitsgrau der Städte hier schlägt mir ein wenig aufs Gemüt. Man fährt in der S-Bahn mühelos durch den halben Pott und hat trotzdem keine wirkliche Ahnung, wo man sich gerade befindet. Ob dieses Grau dahinten nun zu Mülheim oder Duisburg oder Essen gehört, spielt eigentlich auch keine Rolle. Am Anfang fand ich meinen irgendwie schnell entstandenen Fotografenjob hier ja noch halbwegs interessant, aber inzwischen gehen mir die Motive aus, es sei denn, man fotografiert gerne graue Straßenzüge und graue Betonklötze und Trinkhallen.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. markus

    aber wenigstens ist deine kulturmetropolenhauptstadtregion offensiv langweilig. ein plakatives grau. im gegensatz zu starnberg zum beispiel – der stadt mit deutschlands angeblich glücklichsten bewohnern. das langweilt nämlich auch. aber mehr so hinterrücks: wie ein lautloser furz. was ist schlimmer? geniess das brüllende grau und knips noch schön!

  2. stefan niggemeier

    „Nach wie vor kann ich nicht erkennen, was so großartig an dieser Gegend sein soll.“

    In zwei Worten: die Menschen.

  3. Jörg Levermann

    Als Ex-Ruhrie fällt es mir natürlich leicht, Orte zu nennen, die ich im Ruhrgebiet interessant, vielleicht auch schön finde:
    – Ruhrwiesen bei Bochum,
    – Ruhrtal-Radwanderweg
    – Bottrop Tetraeder
    – Westfalenpark, der jetzt bekloppterweise nach einer bekannten
    Versicherung benannt wurde
    – Weitmarer Holz in Bochum
    – Bochum Stiepel
    – Lottental in Bochum
    – Der Froschteich im Botanischen Garten der Ruhr-Universität
    Bochium
    – Schüngelbergsiedlung
    – Essen Margaretenhöhe

    Besonders hässliche Gegenden, die mir so ad hoc einfallen:
    – Essens Fußgängerzohne, die Kettwiger Straße
    – Herner Straße in Bochum
    – Hattinger Straße

    Und trotzdem bin ich immer wieder gerne im Ruhrgebiet. Es sind wohl wirklich die Menschen dort, die es für mich zu einem Zuhause machen.

  4. S. Michael Westerholz

    Großartigkeit an dieser Gegend?
    Witz, Warmherzigkeit und ehrliche Offenheit der Menschen – im Vergleich zu so manchen hinterfotzigen Alt-Bayern!
    Und – was ist, verglichen damit, großartig an Arnstorf?

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