Es ist dann doch einiges anders hier, als ich erwartet hatte. Komisch ist nur, dass es genau die Dinge sind, die ich nicht erwartet hatte, die anders sind, während die, die ich eigentlich erwartet hatte, dann doch nicht eingetroffen sind.
Aber der Reihe nach: Seit gestern bin ich hier in Johannesburg, wobei es schon losging mit den Überraschungen. Eigentlich hatte ich mich auf ein fröhliches Chaos und heilloses Durcheinander eingestellt, wie man es als blasshäutiger Mitteleuropäer so erwartet von diesen Afrikanern. Davon allerdings keine Spur. Sehr viel disziplinierter und geräuschloser als in Johannesburg geht es auch in München nicht zu. Und sehr viel irritierender als das Gewirr auf dem Frankfurter Flughafen ist Johannesburg auch nicht. Und: keine einzige dieser komischen Tröten weit und breit. Auch auf den Straßen eine unglaubliche Ordnung und Disziplin – das also soll die gefährlichste Stadt der Welt sein? Natürlich ist es nach einem Abend, noch dazu begleitet in der Gruppe, viel zu früh, um solche Aussagen zu treffen, aber Johannesburg kam mir bisher um kein bisschen gefährlicher und schmutziger vor als, sagen wir, New York oder Los Angeles. Dafür zieht sich Joburg (so sagt man hier) unglaublich, einen richtigen Stadtkern macht man auf den ersten Blick kaum aus. Selbst am Stadion „Soccer City“, an dem am Abend die Brasilianer und am nächsten Tag die Gastgeber spielen, ist es ruhig, als sei die WM schon viele Wochen vorbei.
Das wiederum gehört zu den Dingen, die ich nicht erwartet hatte und die mich deswegen umso mehr überraschen. Es ist keineswegs so, dass man hier an der WM desinteressiert wäre, im Gegenteil, spielt die heimische Nationalelf, dann pulsiert die Stadt, rast das Land. Aber das ganz große Kommerzspektakel, das man 2006 bei uns erleben musste, findet hier nicht statt. Ab und an stehen Menschen an der Straße und verkaufen Fahnen und andere Accessoires, aber wie die meisten an deren hier auch frieren sie einfach nur, weil es tatsächlich formidabel kalt ist momentan. Das Spiel Brasilien gegen Nordkorea fand bei verblüffenden leichten Minusgraden statt, auf einer Höhe von 1700 Meter noch dazu. Und die schon erwähnten Tröten sieht man hier auch im Straßenalltag nicht, außer eine Horde mitteleuropäischer Journalisten fällt hier ein, findet sie als Gastgeschenk auf den Zimmern und beschließt dann, sie auszuprobieren. Das ist dann nicht sonderlich schön, aber wenigstens so laut, wie man es sich zuhause im (*seufz*) warmen Deutschland am Fernseher nur halbwegs vorstellen kann (ich hätte es übrigens bis eben kaum für möglich gehalten, mal von einem „warmen Deutschland“ zu fabulieren). Welcome in Africa…sagt man hier gerne, nicht nur um Gäste willkommen zu heißen, sondern auch als eine Art Generalabsolution.
Erwartet hätte ich dagegen schon etwas mehr funktionierendes Internet. Aber das ist hier so eine Sache. An die Geschwindigkeiten eines durchschnittlichen DSL-Anschlusses in Europa denkt man hier besser nicht. WLANS kommen und gehen nach eher undurchschaubaren Systematiken. Das findet man wiederum etwas komisch in einem Land, von dem viele Afrikaner behaupten, es sei eigentlich gar nicht richtig afrikanisch. Was man übrigens sogar ganz gut nachvollziehen kann, fährt man durch Johannesburg. Die Stadt wirkt an vielen Stellen ziemlich europäisch, auch wenn man dann doch über die krassen Gegensätze dieser Stadt und dieses Landes irritiert ist. Obszöner Reichtum verschanzt sich hinter hohen Mauern und den allgegenwärtigen Elektrozäunen; direkt daneben Armut und Elend. Südafrika ist und bleibt das Land der großen Widersprüche.
Ich hoffe, ein paar meiner afrikanischen Kollegen können mir aus diesen Irritationen ein wenig heraushelfen. Ein paar von ihnen werde ich in den kommenden Tagen auf dieser Seite ein wenig näher vorstellen.