Manche Chancen bekommt man nur einmal im Leben.
Zum ersten Mal in der inzwischen 80jährigen Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaft kommt der Fußball nicht einfach nach Hause. Zum ersten Mal kommt er nach Afrika, einem Kontinent, den wir kollektiv wahlweise als Katastrophen-Kontinent oder auch einfach nur als furchtbar fremd wahrnehmen. Gleichzeitig stand ein Ausrichter einer WM noch nie sehr unter Beobachtung und letztendlich auch Generalverdacht wie Südafrika. Und noch mehr: Für viele von uns wurde es zur Selbstverständlichkeit, mit der Fußball-WM in einem Land mal eben einen ganzen Kontinent auf die Probe zu stellen: Können die das überhaupt? Geht Fußball in Afrika, geht es denn danach auch endlich mal (in unserem Sinne) aufwärts mit diesem Land?
Gleichzeitig in Vorbereitung auf meinem Südafrika-Trip mit Kollegen der Journalistenakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Akademie der Deutschen Welle festgestellt: Es ist bezeichnend für das Leben als Journalist und auch als im alten Westen Deutschlands sozialisierter Mensch, wie fahrlässig man mit diesem Thema umgeht. Eigentlich weiß ich über Südafrika – erschreckend wenig bis gar nichts. Man sitzt da (zumindest ist das meine eigene Erfahrung) in den Newsrooms von ZDF oder N24, „berichtet“ über Afrika oder man entscheidet zumindest, was berichtet wird. Und kennt dann das Land, den Kontinent aus Tickermeldungen oder ein paar Büchern. Das ist ein ziemlich bizarrer Gedanke und ich bin mir sicher, dass er sich nicht nur auf Südafrika anwenden lässt. Was weiß ich eigentlich über Chile oder Pakistan?
Ich habe keine Ahnung, ob ich es schaffe (Seminare der Journalistenakademie sind im Regelfall brutal zeitaufwendig und anstrengend), aber ich würde gerne hier im Blog mit ein paar Videos, Audios, Fotos und Texten vom 13. Juni bis 29. Juni meine sehr subjektiven Eindrücke wiedergeben. Vor allem würde ich Ihnen gerne (ist ja schließlich in erster Linie ein Medienblog) die acht Kollegen aus Afrika vorstellen, mit denen wir vor Ort sind. Sie kommen aus Kenia oder Simbabwe oder Uganda und ich bin ungemein gespannt darauf, wie man dort Journalismus macht. Meine Befürchtung ist ja, dass die über die angestrengten Debatten, die wir über Blogs und Twitter und Internet und den ganzen Kram führen, allenfalls müde lächeln können.
Natürlich werden wir auch sichtbar berichten. In zweierlei Form. Zum einen mit dieser Webseite hier, die jetzt an den Start gegangen ist und natürlich erst ganz am Anfang steht (die Videos möchte ich Ihnen dennoch schon ans Herz legen). Sie soll in den kommenden Wochen wachsen und dann natürlich zwischen 14. und 30. Juni zu einer Anlaufstelle für alle werden, die mehr als nur Spielberichte lesen wollen (um das also nochmal ausdrücklich festzuhalten: Um Fußball im klassischen Sinne wird es auf unserer Seite nur eher beiläufig gehen). Danach erscheint dann noch ein gedrucktes Magazin, zweisprachig, ca. zwei Monate nach dem Endspiel in Johannesburg.
Unter Umständen werde ich auch für eine deutsche Zeitung bzw. zusätzlich zusätzlich für deren Online-Ableger berichten. Ob und wie, steht noch nicht ganz fest, ich werde das zu gegebener Zeit hier aber nochmal vermelden.
Und vielleicht werde ich am 30.Juni bei meinen afrikanischen Kollegen als Musterbeispiel für den ver- und überspannten Europäer gelten. Egal.
Manche Chancen bekommt man nur einmal im Leben.
Einen krassen Einblick in den gesellschaftlichen Wandel bekommt man noch ein paar Tage dank des völlig zu Recht preisgekrönten Dokumentarfilms Shosholoza Express in der Arte-Mediathek ARTE+7