Das Web (2.0) fängt an, langweilig zu werden.
Seit ein paar Wochen habe ich so ein unbestimmtes Bauchgefühl. Dass diejenigen, mit denen man bis vor Jahresfrist im Web und über das Web überaus spannende Debatten führen konnte, nicht mehr oder nur noch deutlich weniger präsent sind. Und dass auf der anderen Seite der mediale Mainstream kommt. Die Oberflächen-Surfer, die gerne mit vielen wohlklingenden Schlagworten um sich werfen, es aber an inhaltlicher Substanz weitgehend vermissen lassen. Diejenigen, die meinen, dass man, wenn man möglichst viel, laut und grell twittert und facebookt, schon eine Art von neuem Journalismus betreibe. Die Reden mit Kommunikation verwechseln und die meinen, es komme in erster Linie auf neue Geräte an und dann werde schon wieder alles gut mit dem Journalismus.
Man redet überhaupt nicht mehr so viel über Journalismus, zumindest nicht bei denen, die momentan ziemlich lautstark das Web 2.0 verkleistern. Man redet über Gadgets und Gimmicks und natürlich über das iPad; ganz so, als würde dieses Wunderdings irgendwas mit Journalismus zu tun haben. Man ergötzt sich also daran, wie brillant Videos auf dieser Kiste wiedergegeben werden und dass es vermutlich demnnächst auch noch eheähnliche Gemeinschaften mit seinen Besitzern eingehen kann. Man betreibt Götzenverehrung, findet uneingeschränkt alles toll, was der gefräßige Moloch Apple so alles auf den Markt wirft (Es wird übrigens vermutlich nicht sehr lange dauern, bis die Apple-Jünger sich über den „Spiegel“ hermachen, der sich in der neuen Titelgeschichte ziemlich kritisch mit dem Konzern beschäftigt. Diese Form von Indifferenz beunruhigt mich immer; ebenso wie auf der anderen Seite im Jarvis-Lager, das sein Leben offenbar an Google ausrichten will). Ich bin bestimmt kein Antikapitalist, aber dass sich Google und Apple und Facebook und wie sie alle heißen für Journalismus einen feuchten Dreck interessieren, scheint doch bitte klar zu sein. Die wollen viel, viel Geld verdienen und vor allem: Kontrolle übernehmen. Ich glaube, der größte Irrtum, den jemand wie Jeff Jarvis begeht, ist zu glauben, dass uns Google oder Apple oder Facebook Kontrolle zurückgeben oder uns Freiheiten ermöglichen wollen. Ganz im Gegenteil.
Überhaupt kann man ganz gut an den Ankündigungen der Veranstaltungen in den kommenden Wochen und Monaten ablesen, dass die Karawane irgendwie weitergezogen ist. Was derzeit für die Panels angekündigt wird, finde ich eher reizlos, weil ich in etwa weiß, was auf mich zukommt. Apple toll, Crossmedia auch toll, alles toll. Da wünscht man sich fast Don Alphonso zurück, der zwar das Web 2.0 und seine Akteure irgendwie doof fand, aber so etwas wie eine Haltung hatte, bevor er anfing über Kochen und Schlittenfahren zu schreiben. Jetzt regiert die Weisheit der Blassen.
Dabei wäre das eigentlich eine gute Zeit, mal über Journalismus zu reden. Man macht ja noch nichts Neues oder Erwähnenswertes, wenn man jetzt auch bei Facebook bekanntgibt, in seiner Zeitung etwas ganz tolles Neues stehen zu haben. Sogar meine lieben Freunde der „Passauer Neuen Presse“ (um den Namen mal wieder nach langer Zeit ins Spiel zu bringen) twittern inzwischen und sind bei Facebook. Facebook und Twitter zu nutzen ist also eine Erkenntnis, die sich ziemlich weit rumgesprochen hat, deswegen macht man vielerorts aber immer noch denselben drögen Jounalismus wie ehedem. Und nicht nur das: Redaktionen und Redakteure werden, so wie es aussieht, vielerorts immer mehr wahlweise als lästiges Beiwerk oder als teure und nur noch schwerlich zu finanzierende Einrichtung betrachtet. Alleine die Zahl der in diesem Jahr entlassenen Redakteure müsste eigentlich zu heftigen Debatten über die Zukunft unseres Berufs führen. Stattdessen iPad, iPad, iPad. Man wüsste in dem Zusammenhang übrigens ja schon gerne mal, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die meinen, das Ding würde irgendwas retten. Im Gegenteil: Wenn früher jemand seine Zeitung in die Hand nahm, wussten wir sicher, was dieser Mensch jetzt tun würde. Wenn heute jemand ein iPad in die Hand nimmt, wissen wir nicht im Geringsten, was er damit wohl anstellen wird. Ob er unbedingt Zeitung lesen will, sollte man jedenfalls nicht zwingend annehmen.
Journalismus ist mehr als Inhalte für irgendwelche funkelnden Geräte herzustellen. Ich habe nichts gegen die funkelnden Geräte, sie werden unsere Gewohnheiten sicher verändern. Aber Journalismus wird in den kommenden Jahren mehr und mehr um seine Akzeptanz kämpfen müssen — und das aus einer ganzen Reihe von guten Gründen. Journalismus kostet Geld, kostet Zeit, kostet Geduld. Man bräuchte eine halbwegs vernünftige Ausbildung dazu, solche merkwürdigen Dinge wie Ausdauer, Leidenschaft, Begeisterung und ein gewisses Ethos. Mir wird zunehmend schwindlig, wenn ich neben den Web2.0-Aposteln zunehmend öfter auch jungen Leuten begegne, die nicht so recht wissen, was sie nach dem Abi machen sollen und sich deshalb erstmal für „was mit Medien“ entscheiden. Die dann durch einen Haufen unbezahlter Praktika und ggf. auch durch ein mediokres Volontariat laufen und schließlich schlecht ausgebildet und twitternd auf das Publikum losgelassen werden.
In der Spitze funktioniert unser Journalismus nach meinem Eindruck immer noch ziemlich gut. Unsere besten Zeitungen und Sender, da arbeiten immer wieder großartige Leute, die großartige Dinge produzieren. Stattdessen franst der Journalismus in der Breite aus. In vielen unserer Zeitungen regiert die Ideenlosigkeit. Ein Tag Radio hören und Fernsehen schauen gleicht eine schweren Strafe für ungebührliches Verhalten. Die Inhaltsleere regiert und gleichzeitig jammert man darüber, dass die Menschen nicht zahlen wollen für den ganzen Plunder, der da jeden Tag rauskommt. (Mir fällt gerade ein, dass ich diese Woche in Stuttgart eine Baustellenlänge lang im Autoradio einen „Schwerpunkt“ zum Thema Mixa-Rücktritt hörte. Das waren viele hübsche kleine Böllereffekte, danach wusste man in etwa, dass Mixa zurücktritt. Und der Sender war vermutlich schrecklich stolz darauf, dass man eine Wortstrecke im Programm hatte, die länger als 1.30 war.)
Und das alles wird besser, weil man es künftig auf ganz vielen Kanälen macht und auf Geräten mit einem Apfel ausspielt? Es wird wohl besser sein, einer Reihe von Panels in den nächsten Monaten fernzubleiben.
Lieber Christian,
bei allem was du so schreibst, reagiere ich in der Regel wie die Obstfans auf alles, was Steve Jobs von sich gibt. Diesmal nicht. Anstatt dich zu beschweren, dass keiner über Journalismus redet, könntest du doch einfach selbst damit anfangen – ich bezweifle, dass du erst eine Einladung zu einem Panel mit entsprechendem Thema brauchst, um kluge Gedanken von dir zu geben. Aber anstatt das zu tun, beschwerst du dich, dass es sonst keiner macht.
Eigentlich müsste jetzt ein tolle These ‚über Journalismus‘ folgen, aber ich hab keine innovativ neue. Ich finde, dass schon so viel ‚über Journalismus‘ gesprochen wurde, dass es langweilig wäre, alles wiederzukäuen. Was mir fehlt sind inhaltliche, konkrete Debatten. Welche, die nicht ‚über‘ Journalismus (von irgendeiner ominösen Metaebene geführt werden, als hätte man mit dem eigentlichen Geschehen überhaupt nichts am Hut), sondern ‚um‘ Journalismus gehen.
Aber selbst dazu was zu sagen, scheint mir nicht ausreichend. Ist es nicht vielleicht endlich ab der Zeit anzufangen was zu tun, statt immer nur drüber zu reden, was man alles machen müsste?
Ich bin nur ein kleines Licht, ich kann im Kleinen anfangen was zu ändern, wo es keiner oder erstmal nur ganz wenige merken.
Aber Du, Du hast doch ganz andere Möglichkeiten. Statt dich darüber zu beschweren, dass keiner darüber redet, was man machen müsste – mach doch einfach mal!
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Ich glaube, ich kann die Beziehung zwischen den Themen nicht ganz herstellen. Sowas wie Twitter und Facebook (das Konzept von letzterem habe ich immer noch nicht so ganz verstanden) gehört zum Bereich Kommunikation und hat mit dem Bereich Journalismus wenig zu tun, außer vielleicht, dass durch diese Kommunikationskanäle Links zu tatsächlichen Nachrichten und Artikeln verbreitet werden.
Sollte gemeint sein, dass es Menschen gibt, die nicht verstanden haben, dass Twitter und Facebook nicht Journalismus sind, dann finde ich das erschreckend.
Das iPad wiederum…ich könnte dazu jetzt wieder meinen Apple-Kleine-Mädchen-und-Transvestiten-Text abfeuern, aber so langsam werde ich dessen müde. Fassen wir einfach zusammen, dass in meinem Haushalt keine Apple Produkte eingesetzt werden. Aus Prinzip.
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