Welch eine Überraschung: Wenn man also die ersten Zahlen aus den USA richtig deutet (auch wenn sie so früh und für Deutschland umgerechnet nur eingeschränkt aussagekräftig sind), dann wollen die Menschen mit ihrem nagelneuen iPad nicht (rpt: nicht!) nur Zeitungen lesen. Und sie wollen es vermutlich nicht in der Form, wie es ihnen die meisten Zeitungen gerne andienen wollen bzw. schon andienen: nämlich als 1:1-Variante der gedruckten Ausgabe. Was ja alleine schon deswegen verständlich ist, weil man dann ja gleich das gedruckte Papier kaufen könnte. Man hat schließlich nicht unbedingt generell etwas gegen Papier einzuwenden, so ein iPad ist mit seinem Kilogewicht den ersten Berichten zufolge nur ein eher eingeschränktes Vergnügen.
Es könnte also ganz gut sein, dass uns das Thema iPad und die bisher eher mangelnde Begeisterung für Zeitungs-Apps dann doch zu einem ganz anderen Thema führt. Vielleicht hat es ja gar nichts mit einer generellen Abneigung gegen Zeitungen oder die bisherigen Formen des Journalismus zu tun, sondern damit, dass sich auf einem neuen Endgerät auch neue Formen der Darstellung, des Erzähelns und Präsentierens entwickeln müssen. Den Fehler, das Bisherige einfach übertragen zu wollen, machte man ja schon früher gerne mal. Man erinnere sich an die Einführung des Teletextes im Fernsehen, als man dahinter eine Art „Bildschirmzeitung“ vermutete, die nie kam, die es nie sein konnte und die die Zuschauer auch gar nicht wollten. Stattdessen entwickelte sich Teletext in eine völlig andere Richtung; in eine Art dienstbarer Geist hinter dem eigentlichen Fernsehen. Einen Geist, den man schnell für eine Dienstleistung, für einen sehr schnellen Überblick aufruft und dann wieder beiseite legt. Am Fernseher wird eben noch ferngesehen – und nicht „Zeitung“ gelesen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die konventionelle Zeitung im klassischen Sinne auf dem iPad und anderen Lesegeräten vor ähnlichen Problemen stehen wird. Aus zwei Gründen. Erstens: Wer einen iPad in die Hand nimmt, tut das nicht primär, um jetzt Zeitung zu lesen. Er hat ein Gerät, dass dummerweise zu vieles kann. Es ist ein Gerät, dass der Zeitung erst einmal sehr viel Aufmerksamkeit entzieht, weil sich zu vieles anderes auf dem Desktop tummelt. Es macht schon einen Unterschied, ob sich jemand mit einer Zeitung in der Hand oder einem iPad auf seine Couch setzt. Bei der Zeitung ist er im Regelfall mit sich und seinem Blatt alleine; die Vermutung, dass sich jemand mit der Zeitung niederlässt, auch wirklich Zeitung lesen und nichts anderes machen will, liegt nahe. Bei jemanden, der das iPad in der Hand hält, ist das nicht zwingend gesagt.
Und dann ist da ja noch etwas anderes: die keineswegs friedliche Koexistenz etlicher anderer journalistischer Angebot ein Icon neben der Zeitungs-App. Die Debatte geht also gar nicht so sehr darum, ob User für Inhalt zahlen wollen oder nicht (darum natürlich auch…), sondern um die schlichte Frage, ob eine eindimensionale und monomediale Tageszeitung neben der interaktiven, hyperkonvergenten und multimedialen Welt des Internets ganz einfach nicht überlebensfähig sein kann. Es gibt nicht sehr viele Gründe dafür, ein lineares, monomediales Medium auf einer Plattform zu nutzen, auf der einen Fingertipp weiter das pralle Leben wartet. Man muss das vielleicht denjenigen nochmal klarmachen, die jetzt an die Rettung des darbenden Papiers durch das iPad glauben: iPad ist immer noch viel eher Internet als Zeitung, ist immer noch mehr Multimedia als Monomedia. Wenn man denn also schon den Sprung wagen will auf supermediale Gerät iPad – dann richtig.