Gerade schreibe ich an einem längeren Beitrag für die nächste Ausgabe der „Drehscheibe“. Es geht darin um zwei hyperlokale Projekte, die in den letzten Wochen in der Branche für ein wenig Aufsehen gesorgt haben: das Lokalfußball-Portal von Michael Wagner und das Heddesheimblog von Hardy Prothmann. Ich habe für beide Seiten ziemlich viel Sympathie, staune aber dennoch darüber, dass sie beide derart viel beachtet werden. Nicht, weil ich sie nicht gut fände. Sondern vielmehr deswegen, weil sie eigentlich nur das tun, was im Lokaljournalismus selbstverständlich sein sollte: Sie berichten strikt über Lokales, sie machen das umfangreich und sie machen das mit einer lesbaren Sympathie für die Gegend und für die Themen, mit denen sie täglich zu tun haben.
Damit haben sie Erfolg — obwohl sie eigentlich nur das machen, was im Lokaljournalismus eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Auf der anderen Seite: Wenn sie mit Selbstverständlichkeiten Erfolg haben, ist das auf der anderen Seite dann nicht einfach ein Beleg dafür, dass diejenigen, die ansonsten professionellen Lokaljournalismus machen, nicht einmal mehr solche Selbstverständlichkeiten beherzigen?
Sogar der „Spiegel“ widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe „FuPa“, der Beitrag in „Wissenschaft/Technik“ „Wikipedia der Fußballnarren“ ist allerdings etwas dünne.
So viele „Selbstverständlichkeiten“, so viele doppelte Moppel, so viel über „professionelle Lokaljournalisten“: Kann es sein, dass cj mit dem Blick auf die DREHSCHEIBE ein bisschen ins Schleudern gekommen ist oder die „Nacht der Nächte“ so lange nachwirkte? Professionell ist Ihr Beitrag nicht – aber wie schön, dass Sie den beiden „hyperlokale(n) Projekten“ Ihren lokalen Segen geben.
Und der Hinweis auf den SPIEGEL – also wirklich: Hat man dort nicht auch schon Klatschschreiber eingestellt? Den abgewrackten Michael Greater sehr nachsichtig über eine ganze Seite gezogen? Und wie bei der SZ jegliche Liberalität über Bord geworfen?
Schön, dass Sie gleich zu Jahresbeginn einen DREHSCHEIBE-Auftrag haben. Ist doch allemal spannender als die Touristik-Scharwenzelei – oder?
Guten Tag!
Das Stichwort Ihres Beitrag ist „Selbstverständlichkeit“.
Was der junge Kollege Wagner in Passau macht, ist nicht meine Welt. Aber seine: Fußball.
Ich habe mir das angeschaut und habe wie Sie sehr viel Sympathie, weil ich sehe, dass hier jemand mit Herzblut dabei ist und seine Sache, aber noch viel mehr die von anderen, ernst nimmt.
Für das heddesheimblog und mittlerweile auch das hirschbergblog nehme ich meine Sache auch ernst: Das ist Journalismus. Und noch viel mehr: Meine Leserinnen und Leser.
Und das begründet sowohl den „Erfolg“ als auch die „Aufmerksamkeit“ durch andere.
1994 habe ich aufgehört, Lokaljournalismus zu machen, weil ich erstens damit kein ordentliches Einkommen erzielen konnte und zweitens merkte, dass es gar nicht um Journalismus geht, sondern um gewisse „Interessen“.
15 Jahre später mache ich wieder Lokaljournalismus. Auch mit gewissen „Interessen“: Nämlich journalistischen.
Wie der Kollege Wagner hoffe ich, eine Nische entdeckt zu haben, die vielleicht bald „Mainstream“ sein wird: Solide Informationen, journalistisch aufbereitet an interessierte Menschen zu vermitteln.
Vor Ort für die Menschen vor Ort. Ich werde täglich auf meine Arbeit angesprochen. Es gibt viel Lob und auch Kritik.
Und mittlerweile wird der Umgang mit der Berichterstattung auf meinen blogs auch viel „selbstverständlicher“, weil meine Leserinnen und Leser „selbstverständlich“ auf neue Nachrichten warten.
Ihre Schlussfolgerung kann ich stützen: Ohne die mangelhafte Berichterstattung der „etablierten“ Medien vor Ort wäre ich niemals auf die Idee gekommen, mich einzumischen und etwas dagegen zu halten.
Beste Grüße
Hardy Prothmann
Hallo
Herrn Prothmann hat tatsächlich ein Interesse, das ist aber nicht etwas „dagegen zu halten“, sondern der kommerzielle Erfolg seines blogs. Das ist legitim; jeder muss Geld verdienen. Aber das macht die dauernde Überhöhung unpassend.
Machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Lesen Sie beliebige Artikel oder Kommentare (ich bin vor Monaten ausgestiegen, weil Inhalt und Stil nicht zu ertragen sind). Ist das guter Journalismus? Lesen das in einer Gemeinde von 11.000 Einwohnern so viele Menschen, dass man davon leben kann? Was passiert, wenn es kein „großes“ Thema gibt, wie hier die Ansiedlung eines Logistikers? Geht’s dann um die Straßenbeleuchtung, den Seniorennachmittag oder das nächste Komplott der Dorfjunta?
Dabei erscheint der Erfolg des blogs zweifelhaft (http://markus-merz.posterous.com/tag/hardyprothmann).
Grüße