Die Zukunft des Journalismus

Übrigens habe ich diese Woche die Zukunft des Journalismus gesehen.

Nein, keine Sorge, ich habe kein Panel besucht, keine „Chefrunde“, ich hab´auch kein Manifest gelesen (geschweige denn es diskutiert). Sie war auch nicht online, interaktiv, digital, sie wurde nicht getwittert, nicht gefacebookt, nicht als kostenpflichtige iPhone-App vertrieben.

Im Gegenteil. Diese Zukunft des Journalismus war digital, hat geraschelt, war von Leuten geaschrieben, die alle schon älter sind als 23 und die alle (vermute ich wenigstens) kein HTML können. Und es waren keine klugen Blogeinträge mit langatmigen Belehrungen, sondern einfach — gute Stücke. Stücke, bei denen ich mit offenem Mund vor soviel großer Erzählfähigkeit da saß, mit großen Augen gelesen habe, mir für wenige Momente klein und dumm vorkam, das iPhone in die Ecke schredderte, die Flip beiseite legte und einfach nur dachte: groß, ganz groß.

Da ist zum Beispiel diese kleine, charmante Idee von Andreas Wolfers. Wolfers leitet die Henri-Nannen-Schule in Hamburg und hatte vor einem Jahr den wunderbaren Gedanken,  die Bewerber für seine Schule vor eine besonders knifflige Aufgabe stellte: Sie sollten einen Ort besuchen, an den sie sich bisher noch nicht getraut hatten. Das SZ-Magazin hat diese Idee jetzt aufgegriffen, ein ganzes Heft daraus gemacht — und auch Andreas Wolfers steuerte einen Text bei. Klug, unaufgeregt, präzise, ein Stück, bei dem sich jede Zeile lohnt. (Nebenher ist Andreas Wolfers übrigens einer der nettesten Menschen, die man sich vorstellen kann und Diskussionen mit ihm über die Zukunft des Journalismus verlaufen auf einem deutlich weniger lautsprecherischen, aggressiven und besserwisserischen Niveau als  man sich das in den vergangenen Tagen leider mal wieder geben musste).

Und noch was (für diejenigen unter Ihnen, die sich für Stil interessieren): Der Wolfers-Text kommt ohne ein Fremdwort aus, ebenso wie es so angenehm unprätentiös ist, dass nicht mal Wolf Schneider was zu meckern hätte.

Oder das Stück von Axel Hacke. Normalerweise lese ich den gar nicht so gerne, weil ich generell das Problem habe, dass mich Kolumnen relativ schnell langweilen, vor allem wenn sie stark auf die eigentliche Person konzentriert sind (zehn Folgen Hacke oder Weiler sind völlig ausreichend, finde ich, weil man dann in etwa auch weiß, wie sich die kommenden 195 Folgen lesen werden).

Das hier aber: einfach eine grandios erzählte Geschichte. Ich war noch nie im SZ-Hochhaus, aber wenn ich diese Beschreibung lese, habe ich eine Ahnung, warum ich da wahrscheinlich auch nicht hinwill.

Gedruckt? Auf dem iPhone? Online? Bezahlen, nicht bezahlen? (in diesem Fall übrigens: vermutlich gerne, wenn der SZ irgendwann mal noch ein halbwegs nachvollziehbares System einfällt).

Geschenkt. Ich glaube ganz ernsthaft, dass wir momentan (ich nehme mich da nicht aus) viel zu viel über Techniken, Lesegewohnheiten, Vernetzungen und anderen Kram debattieren, als über das, was Journalismus ausmacht, was ihn am Laufen hält. Gute, große Geschichten.  Leute, die was zu sagen haben und erzählen können. Leute, die Witz, Charme, Verstand und einen eigenen Kopf haben (und bei denen es letztendlich völlig wurscht ist, ob sie nun Blogger oder Journalisten oder beides oder keins von beidem sind). Mir ist es letztendlich völlig egal, wo jemand das publiziert und ob er es verlinkt oder nicht und ob man das kommentieren kann oder nicht. Ich will gute Geschichten lesen und ich hätte gerne einen Journalismus, der genau das befördert.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ein Journalist

    Jawoll!

  2. Rene Schaller

    sehr spannend und richtig! ich bin froh durch umwege und über verlinkungen hier gelandet zu sein.

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